Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe von Steuerbescheiden bei vermögensloser GmbH
Leitsatz (NV)
Ein Steuerbescheid kann - auch wenn die GmbH vermögenslos und deswegen von Amts wegen zu löschen ist - bis zur Löschung dem früheren Geschäftsführer als Liquidator bekanntgegeben werden.
Normenkette
AO 1977 § 122; GmbHG § 66 Abs. 1; LöschG §§ 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in der Rechtsform der GmbH bis zur Einstellung ihrer gewerblichen Tätigkeit ein Unternehmen, das sich mit dem Vertrieb und der Beratung von Hard- und Software für Computer befaßte. Die Eröffnung des Konkursverfahrens lehnte das Amtsgericht durch Beschluß vom 22. September 1986 mangels einer die Kosten des Konkursverfahrens deckenden Masse ab. Die Auflösung der Gesellschaft wurde gemäß § 1 des Löschungsgesetzes (LöschG) am 4. November 1986 in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin ist ausweislich des Handelsregisterauszugs vom 10. März 1992 noch nicht gelöscht.
Mit Bescheid vom 1. August 1990 setzte der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Umsatzsteuer für 1986 auf 52081,54 DM fest. Diesen Bescheid gab das FA dem ehemaligen alleinigen Geschäftsführer der Klägerin als Liquidator bekannt. Auf dessen Einspruch setzte das FA die Umsatzsteuer auf 7580,74 DM herab.
Auf Antrag der Klägerin war die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides für 1986 in der Zeit vom 4. September 1990 bis 17. Juni 1991 in Höhe von 51221,68 DM ausgesetzt. Für diese Zeit (9 Monate) setzte das FA mit Bescheid vom 25. Juni 1991 Aussetzungszinsen für einen Betrag von 6700 DM fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren begehrte die Klägerin in dem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren die ersatzlose Aufhebung des Zinsbescheides mit der Begründung, der Umsatzsteuer-Bescheid 1986 sei der GmbH in Liquidation nicht ordnungsgemäß bekanntgebeben worden, da er an den bisherigen Geschäftsführer als Liquidator zugestellt worden sei. Dieser sei jedoch weder geborener noch bestellter Liquidator für die GmbH in Liquidation, weil - nach Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse - keine Liquidation stattgefunden habe.
Das FG hat den Antrag der Klägerin auf Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren mangels Erfolgsaussichten abgelehnt. Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, das FG sei zu Unrecht von der Vertretungsbefugnis des früheren Gesellschafters als Liquidator ausgegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (BGH-Urteil vom 18. April 1985 IX ZR 75/84, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 2479) erlösche die Vertretungsbefugnis des früheren Geschäftsführers als Liquidator, wenn die Konkurseröffnung mangels Masse abgelehnt worden sei und deshalb keine Liquidation stattfinde.
Die Klägerin beantragt, ihr PKH für das Klageverfahren zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 114 Satz 1 und 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann PKH nur gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu Recht verneint.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der - die steuerliche Hauptschuld begründende - Umsatzsteuer-Bescheid 1986 trotz Auflösung der GmbH durch Bekanntgabe an deren Geschäftsführer als Liquidator wirksam bekanntgegeben worden.
1. Die Auflösung einer GmbH berührt nicht deren rechtliche Existenz und damit deren Fähigkeit, Steuerschuldnerin und Schuldnerin von steuerlichen Nebenleistungen i.S. des § 237 der Abgabenordnung (AO 1977) zu sein (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587, und vom 19. Januar 1989 V R 152/83, BFH/NV 1989, 563). Die Auflösung - auch die Auflösung nach Ablehnung eines Antrags auf Konkurseröffnung wegen Masselosigkeit (§ 1 LöschG i.V.m. § 107 der Konkursordnung - KO -) - hat nur zur Folge, daß die Gesellschaft in das Liquidationsstadium eintritt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 22. März 1988 3 AZR 350/86, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1989, 123; BGH-Urteil vom 23. Oktober 1980 IVa ZR 79/80, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - 1980, 1431; Scholz/Karsten Schmidt, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 7. Aufl. 1988, § 60 Rz. 5, m.w.N.). Bei einer in Liquidation befindlichen GmbH ist der Steuerbescheid dem nach § 66ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) berufenen Liquidator bekanntzugeben (BFH/NV 1989, 563). Liquidator ist ohne weiteren Bestellungsakt (vgl. z.B. Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., § 66 Rz. 4, § 67 Rz. 7ff., m.w.N.; Lutter-Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 13. Aufl. 1991, § 66 Rz. 2) der zur Zeit der Auflösung amtierende Geschäftsführer, im Streitfall der alleinige Geschäftsführer der Klägerin.
Aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des BGH (NJW 1985, 2479) ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Dieses Urteil befaßt sich allein mit der Frage, ob nach einer wegen Vermögenslosigkeit der GmbH von Amts wegen im Handelsregister eingetragenen Löschung einer GmbH gemäß § 2 LöschG in gleicher Weise wie bei einer im Handelsregister eingetragenen Löschung nach abgeschlossener Liquidation die Vertretungsbefugnis der nach § 66 Abs. 1 GmbHG bestellten oder geborenen Liquidatoren wieder auflebt oder ob auch in diesem Fall vom Gericht ein neuer Liquidator bestellt werden muß. Bis zur Löschung im Handelsregister - sei es auf Anmeldung der Liquidatoren oder von Amts wegen nach § 2 LöschG - bleibt es jedoch bei der Regelung des § 66 GmbHG. Im Streitfall war die GmbH, die Klägerin, im Handelsregister jedoch noch nicht gelöscht.
2. Keine andere Beurteilung rechtfertigt der Einwand der Klägerin, sie sei, wie die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse und die am 4. November 1986 ins Handelsregister eingetragene Auflösung der Gesellschaft belege, im Zeitpunkt der Bekanntgabe vermögenslos i.S. des § 2 LöschG gewesen. Eine von der Regelung des § 66 Abs. 1 GmbHG über die Stellung der Geschäftsführer als Liquidatoren vorausgesetzte Liquidation der Gesellschaft habe deshalb nicht stattgefunden.
a) Die Klägerin meint, sie sei vermögenslos i.S. des § 2 LöschG gewesen, weil die Konkurseröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist. Vermögenslosigkeit i.S. des § 2 LöschG liegt jedoch nur vor, wenn nach kaufmännisch-wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt keine Zugriffs- und Verteilungsmasse für die Gläubiger zur Verfügung steht. Während für die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse (§ 107 KO) ausreicht, daß kein liquides Vermögen vorhanden ist, das zur Deckung der Massekosten nach § 58 Nrn.1 und 2 KO ausreicht, rechtfertigt das Fehlen liquiden Vermögens allein nicht die Annahme der Vermögenslosigkeit i.S. des § 2 LöschG; vielmehr führt auch ein geringfügiges, die Kosten eines Konkursverfahrens nicht deckendes Gesellschaftsvermögen nicht zur Vermögenslosigkeit; so hindern z.B. auch realisierbare Ansprüche der Gesellschaft gegen Gründer (z.B. § 9a GmbHG), Geschäftsführer (§ 43 GmbHG) oder Gesellschafter (z.B. aus §§ 9, 2, 31 GmbHG) selbst dann die Annahme der Vermögenslosigkeit, wenn sie von Geschäftsführern oder Liquidatoren nicht geltend gemacht werden (z.B. Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., Anh. 60 Rz. 11, m.w.N.). Die Klägerin hat hierzu lediglich unter Hinweis auf den Beschluß des Amtsgerichts vom 22. September 1986 vorgetragen, es seien keine verwertbaren Vermögenswerte mehr vorhanden gewesen. Gegen die Annahme, die Klägerin sei im Zeitpunkt der Ablehnung der Konkurseröffnung (22. September 1986) bereits vermögenslos i.S. des § 2 LöschG gewesen, spricht im übrigen, daß bisher eine Löschung nach dieser Vorschrift nicht erfolgt ist.
b) Selbst wenn jedoch tatsächlich die Voraussetzungen für eine Löschung nach § 2 LöschG vorgelegen hätten, wäre der Umsatzsteuer-Bescheid der Klägerin durch Bekanntgabe an den alleinigen Gesellschafter als Liquidator wirksam bekanntgegeben worden.
Allerdings endet grundsätzlich die Vertretungsbefugnis der früheren Geschäftsführer als Liquidatoren nach § 66 Abs. 1 GmbHG, wenn die Gesellschaft beendet ist. Ist eine nach § 1 LöschG aufgelöste Gesellschaft sogleich oder nach Restverteilung vermögenslos, hat das Registergericht deshalb das Löschungsverfahren nach § 2 LöschG zu betreiben (Rowedder/Rasner, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar 1990, Anh. , § 60 Rz. 6).
Schon zivilrechtlich ist zweifelhaft, ob die Vermögenslosigkeit allein zur Beendigung der Gesellschaft führt. Nach herrschender Meinung ist hierfür weiter erforderlich, daß die GmbH im Handelsregister nach § 2 LöschG gelöscht ist (z.B. Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., Anh., § 60 Rz. 18, 19; Urteil des Oberlandesgerichts - OLG - Stuttgart vom 28. Februar 1986 2 U 148/85, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZIP - 1986, 647, m.w.N.; vgl. auch BAG in GmbHR 1989, 123, und BGH-Urteil vom 21. Oktober 1985 II ZR 82/85, WM 1986, 145). Steuerrechtlich jedenfalls wird eine GmbH als fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder wenn die Gesellschaft gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 18. März 1986 VII R 146/81, BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589, m.w.N.). Die Gesellschaft besteht deshalb solange fort, als steuerrechtlich Abwicklungsmaßnahmen notwendig werden, auch solche, die ein verteilbares Vermögen gerade nicht voraussetzen (Bayerisches OLG, Beschluß vom 31. Mai 1983 BReg.3 Z 13/83, Betriebs-Berater - BB - 1983, 1303, m.w.N.). Ist die Gesellschaft bereits gelöscht, ist allerdings - auch für steuerrechtliche Abwicklungsmaßnahmen - vom Gericht ein Liquidator zu bestellen (BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589; z.B. Bayerisches OLG in BB 1983, 1303; Beschlüsse vom 30. Oktober 1984 BReg.3 Z 204/84, ZIP 1985, 33, und vom 2. Februar 1984 BReg.3 Z 192/83, BB 1984, 446; vgl. Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., § 74 Rz. 20). Für Abwicklungsmaßnahmen bis zur Löschung verbleibt es jedoch bei der Regelung des § 66 Abs. 1 GmbHG. Die Kontinuität des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans wird deshalb jedenfalls steuerrechtlich erst durch die Löschung von Amts wegen nach § 2 LöschG unterbrochen (vgl. BFH in BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589; Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., Anh., § 60 Anm. 20; BGH in NJW 1985, 2479).
Fundstellen
Haufe-Index 419043 |
BFH/NV 1994, 214 |