Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe für Verfahren wegen Geschäftsführerhaftung für Mineralölsteuer
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage einer hinreichenden Erfolgsaussicht.
2. Zu den Auswirkungen der Aufhebung eines Änderungsbescheids und der Änderung einer Einspruchsentscheidung auf den Streitgegenstand.
3. Zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin einer KG ist.
4. Die Entscheidung der Finanzbehörde über die Inanspruchnahme eines Haftenden ist eine Ermessensentscheidung, bei deren gerichtlicher Nachprüfung von den Erwägungen auszugehen ist, auf die der Haftungsbescheid erkennbar gestützt ist. Dieser kann in der Regel nicht als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Finanzbehörde ihrer Ermessensentscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
5. Zur Frage, ob aus dem Steuerschuldverhältnis die Pflicht hergeleitet werden kann, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen.
6. Zur Pflicht des Inhabers eines Mineralölsteuerlagers, die Mineralölsteuer für Mineralöl aus dem Steuerlager zu zahlen, sowie zur Verletzung dieser Pflicht in Fällen der Überschuldung und zu den Auswirkungen der Konkurseröffnung auf diese Zahlungspflicht.
Normenkette
FGO §§ 68, 102, 142; ZPO § 114; EGAO 1977 Art. 97 §§ 1, 11; AO §§ 103, 105, 109, 118 S. 1; AO 1977 § 124 Abs. 2, § 130 Abs. 1; MinöStG § 6 Abs. 1; MinöStDV § 36 Abs. 8 Nr. 1, Abs. 9 S. 2; KO § 6
Tatbestand
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits alleinige persönlich haftende Gesellschafterin einer KG war. Der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA -) hatte der KG ein Mineralölsteuerlager bewilligt, das nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG am 29. Oktober 1973 durch Verfügung vom 19. November 1973 widerrufen wurde. Für die Monate August, September und Oktober 1973 schuldete die KG dem HZA Mineralölsteuer in Höhe von insgesamt 16 . . . DM, und zwar für August 3 . . . DM, für September 6 . . . DM und für Oktober 7 . . . DM. Die Gesamtsumme der Mineralölsteuerschuld für August 1973 hatte 6 . . . DM betragen. Die Differenz zwischen diesem Betrag und der noch geschuldeten Mineralölsteuer für diesen Monat hatte die KG jedoch als sog. erste Rate bereits bezahlt. Der noch geschuldete Betrag wäre noch als sog. zweite Rate zu zahlen gewesen.
Das HZA nahm den Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid vom Juni 1974 auf Zahlung der von der KG noch geschuldeten Mineralölsteuer in Höhe von 16 . . . DM als Haftenden nach §§ 103, 105, 109 der Reichsabgabenordnung (AO) in Anspruch. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Der Beschwerdeführer erhob Klage.
Er beantragt, den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Mit Schriftsatz vom . . . stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen.
Das Finanzgericht (FG) lehnte diesen Antrag mit im wesentlichen folgender Begründung ab: Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführer sei aufgrund des Sachverhalts, der die Haftung ausgelöst habe, im Strafverfahren wegen Bankrotts und verspäteter Konkursanmeldung rechtskräftig verurteilt worden. Das FG sei von der Richtigkeit der rechtlichen Bewertung durch das Strafgericht überzeugt. Außerdem habe das FG bereits in seinem Beschluß in dem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung dargelegt, weshalb keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme bestünden. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe diese Entscheidung auf die Beschwerde des Beschwerdeführers bestätigt. Das Schwergewicht der Argumentation liege darin, daß der Beschwerdeführer es schuldhaft unterlassen habe, die fälligen Steuern aus von ihm verwalteten Mitteln abzuführen. Auf den einzelnen Vorwurf, der Beschwerdeführer habe den Umsatz im September und Oktober 1973 verdoppelt, komme es deshalb nicht an. Diese - unrichtige - Behauptung sei nur ein zusätzliches Argument gewesen und trage die Bewertung der Pflichtverletzung nicht. Die handelsrechtlichen Buchführungspflichten seien nach § 160 Abs. 1 AO auch im Interesse der Besteuerung zu erfüllen. Bei Bewilligung eines Steuerlagers komme es in besonderem Maße darauf an, derartige Aufzeichnungen zuverlässig und richtig zu führen, damit das HZA jederzeit feststellen und prüfen könne, ob die Voraussetzungen für die Erlaubnis noch vorlägen oder die Steuerbelange gefährdet seien und ein Widerruf des Steuerlagers in Betracht zu ziehen sei.
Seine Beschwerde gegen die Vorentscheidung begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen wie folgt:
In Höhe von 2 . . . DM sei der Haftungsbescheid auch nach den Ausführungen des FG rechtswidrig. Es sei nicht gerechtfertigt, wenn das FG sich mit dem Inhalt des Strafurteils abfinde. Aus der Klagebegründung ergebe sich, daß er - der Beschwerdeführer - die fälligen Steuern aus von ihm verwalteten Mitteln entrichtet habe, soweit ihm das möglich gewesen sei.
Das HZA führt dazu aus, in der Einspruchsentscheidung seien die bis dahin auf die Haftungsforderung eingegangenen Leistungen versehentlich unerwähnt geblieben. Für die Entscheidung, ob PKH zu gewähren sei, komme es indes zunächst darauf an, ob der Haftungsanspruch an sich zu Recht bestehe.
Mit Änderungsbescheid vom März 1985 änderte das HZA den Haftungsbescheid dahin ab, daß es die Haftungssumme auf 14 . . . DM herabsetzte. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin im Hauptverfahren den Antrag, diesen Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Mit Verfügung vom Mai 1985 hob das HZA sodann diesen Bescheid wieder auf und erließ gleichzeitig einen Bescheid, in dem es die Einspruchsentscheidung dahin abänderte, daß es die Haftungssumme auf 15 . . . DM festsetzte. In der Verfügung führte es dazu aus, irrtümlich sei zuvor der Haftungsbescheid und nicht die Einspruchsentscheidung geändert worden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Beschwerdeführers in dem Klageverfahren habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Nach dem bisherigen Stand des Hauptverfahrens kann bei der Entscheidung über die Gewährung der PKH mit Rücksicht auf die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussicht im Hauptverfahren davon ausgegangen werden, daß bei der Entscheidung über die Klage darüber zu befinden ist, ob der - ursprüngliche - Haftungsbescheid vom Juni 1974 in der Fassung der Einspruchsentscheidung - vom April 1981 - insoweit rechtmäßig ist, als mit ihm noch ein Betrag von 15 . . . DM gefordert wird.
Aufgrund der Aufhebung des Änderungsbescheids vom März 1985 ist die Annahme gerechtfertigt, daß der ursprüngliche Haftungsbescheid vom Juni 1974 wieder in Kraft getreten (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231) und auch ohne einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers wieder Gegenstand des Hauptverfahrens geworden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514, und vom 8. Oktober 1975 II R 129/70, BFHE 117, 390, BStBl II 1976, 195).
Für die Entscheidung über die Gewährung einer PKH kann unbeachtet bleiben, ob der Haftungsbescheid durch den Bescheid über die Änderung der Einspruchsentscheidung anders gestaltet worden ist, ob er in dieser Gestalt durch einen Antrag nach § 68 FGO zum Gegenstand des Hauptverfahrens gemacht werden kann (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791) und welche Forderungen sich daraus insbesondere für die Ermessenserwägungen, auf die der Haftungsbescheid gestützt ist, ergeben können. Denn der Beschwerdeführer hat bisher nicht den Antrag gestellt, den Haftungsbescheid in der Gestalt des Bescheids zur Änderung der Einspruchsentscheidung zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Bei dieser Sachlage kann in Anlehnung an das BFH-Urteil vom 28. Januar 1982 V R 100/80 (BFHE 135, 27, BStBl II 1982, 292) für die Entscheidung über die PKH davon ausgegangen werden, daß die Herabsetzung der Haftungssumme durch den Bescheid zur Änderung der Einspruchsentscheidung als Teilrücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheides zu behandeln ist und daß die Gestalt des Haftungsbescheids darüber hinaus von diesem Bescheid nicht berührt worden ist. Danach kommt es für die Entscheidung über die PKH darauf an, ob die Klage gegen den ursprünglichen Haftungsbescheid auch nach einer Teilrücknahme durch den Bescheid zur Änderung der Einspruchsentscheidung Aussicht auf Erfolg hat. Das trifft zu. Der Senat geht dabei davon aus, daß der Beschwerdeführer im Hauptverfahren seinen Klageantrag rechtzeitig der Herabsetzung der Haftungssumme durch die Verfügung des HZA im Mai 1985, die während des Beschwerdeverfahrens wegen PKH erfolgt ist, anpaßt.
2. Ob der Beschwerdeführer für die Mineralölsteuerschuld der KG haftet und als Haftender in Anspruch zu nehmen ist, ist nach den Haftungsvorschriften der Reichsabgabenordnung (§§ 103, 105, 109, 118) zu beurteilen. Die Haftungsvorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) finden im Streitfall keine Anwendung, weil der Tatbestand, der nach Auffassung des HZA für die Begründung der Haftung des Beschwerdeführers maßgebend sein soll, nicht nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht worden ist (Art. 97 §§ 1, 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -).
3. Als Geschäftsführer der GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der KG war, haftet der Beschwerdeführer nach § 109 AO für die Mineralölsteuerschulden der KG persönlich, soweit er die steuerlichen Pflichten der KG schuldhaft verletzt hat und dadurch Mineralölsteueransprüche verkürzt worden sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. Juli 1980 VII R 127/80, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1986, 129; BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776).
Auch wenn der Beschwerdeführer nach den Vorschriften der AO für die Mineralölsteuerschulden der KG haftet, so folgt daraus noch nicht, daß er für diese Schulden auch in Anspruch zu nehmen ist. Denn die Entscheidung der Finanzbehörde über die Inanspruchnahme eines Haftenden ist eine Ermessensentscheidung, die der gerichtlichen Nachprüfung unter Beachtung der Regelung in § 102 FGO unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508). Dabei ist von den Erwägungen auszugehen, auf die das HZA die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers durch den Haftungsbescheid vom 25. Juni 1974 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 1981 als Haftenden erkennbar gestützt hat. Es ist zu prüfen, ob unter Beachtung der Regelung in § 102 FGO diese Erwägungen die Ermessensentscheidung des HZA zu rechtfertigen vermögen. Trifft das nicht zu, so kann davon ausgegangen werden, daß der Haftungsbescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1977 IV R 116/75, BFHE 122, 283, BStBl II 1977, 639). Das kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Finanzbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und nicht auszuschließen ist, daß die Ermessensentscheidung darauf beruht. Denn eine Ermessensentscheidung kann in der Regel nicht als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Trifft das zu und kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Ermessensentscheidung darauf beruht, so läßt sich zumindest in der Regel nicht ausschließen, daß die Finanzbehörde die Entscheidung nicht getroffen hätte, wenn sie von dem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wäre, zumal es dem Gericht grundsätzlich verwehrt ist, Ermessenserwägungen der Finanzbehörde zu ersetzen oder zu ergänzen (vgl. BFHE 122, 283, BStBl II 1977, 639; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 102 Anm. 8).
a) Unter Beachtung dieser Grundsätze kann eine hinreichende Erfolgsaussicht i. S. des § 114 ZPO schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil das HZA die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden in der Einspruchsentscheidung auch darauf gestützt hat, dem Beschwerdeführer sei besonders vorzuwerfen, daß er bei sich ständig verschlechternder Lage der KG den Umsatz an Mineralöl durch Unterpreisverkäufe in den Monaten September und Oktober 1973 gegenüber dem Monat August mehr als verdoppelt habe, was letztlich für die Höhe der ausgefallenen Mineralölsteuer von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Diese Erwägung vermag die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden schon deshalb nicht zu tragen, weil - wie das HZA selbst eingeräumt hat - eine Umsatzverdoppelung nicht erfolgt ist. Schon damit verliert auch die im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Umsatzverdoppelung vorgebrachte Behauptung ihre Bedeutung, die Umsatzverdoppelung sei durch Unterpreisverkäufe erzielt worden, so daß schon aus diesem Grunde auch diese Erwägung die Ermessensentscheidung nicht mehr zu tragen vermag. Im übrigen kann aufgrund der Ausdrucksweise des HZA in der Einspruchsentscheidung zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß das HZA bei der Einbeziehung des Gesichtspunkts der ,,Unterpreisverkäufe" in die Ermessenserwägungen von Verkäufen zu Preisen unterhalb der marktüblichen Wettbewerbspreise ausgegangen ist. Eine solche Annahme erscheint aber aufgrund der bisher vorliegenden Unterlagen nicht gerechtfertigt. Insbesondere hat das Landgericht in dem Strafurteil dargelegt, daß der Beschwerdeführer das Mineralöl zwar unter Einstandspreisen, aber zu marktüblichen Wettbewerbspreisen, verkauft habe.
Der Auffassung des FG, der Vorwurf der Umsatzverdoppelung sei nur ein zusätzliches, nicht tragendes Argument bei der Bewertung der - vom HZA angenommenen - Pflichtverletzung des Beschwerdeführers gewesen und könne deshalb unberücksichtigt bleiben, kann nicht gefolgt werden. Dagegen spricht schon die Ausdrucksweise des HZA in der Einspruchsentscheidung, dem Beschwerdeführer sei die Umsatzverdoppelung ,,besonders vorzuwerfen".
b) Einer unzutreffenden Tatsache muß bei der Entscheidung über die PKH auch die Annahme des HZA gleichgesetzt werden, der Beschwerdeführer habe ,,die ihm obliegende Verpflichtung zur Konkursanmeldung schuldhaft verletzt". Das HZA hat hiernach offenbar bei seiner Ermessensentscheidung angenommen, der Beschwerdeführer habe allein schon durch Versäumung einer Konkursanmeldung zu einem früheren Zeitpunkt steuerliche Pflichten i. S. der §§ 103, 105 AO verletzt. Es ist aber aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH davon auszugehen, daß eine solche Annahme die Ermessensentscheidung deshalb nicht zu tragen vermag, weil aus dem Steuerschuldverhältnis nicht die Pflicht des Beschwerdeführers hergeleitet werden kann, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1977 III R 131/73, BFHE 123, 398). Für die Entscheidung über die Gewährung der PKH kann dabei dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsprechung uneingeschränkt zu folgen ist.
c) Auch die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung über die Verpflichtung nach § 103 AO, dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden, lassen zumindest nicht ausgeschlossen erscheinen, daß die Ermessensentscheidung des HZA auf unzutreffenden Tatsachen beruht. Das HZA führt dazu aus, der Beschwerdeführer habe für die Entrichtung der fälligen Mineralölsteuer aus den Umsatzerlösen als den seiner Verwaltung unterliegenden Mitteln zu sorgen gehabt. Diese Mittel habe er zu den Fälligkeitsterminen bereithalten müssen. Dieser Verpflichtung sei er vorsätzlich nicht nachgekommen.
Die Ausführungen des HZA sprechen dafür, daß es davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit gehabt, die Umsatzerlöse bis zum Fälligkeitszeitpunkt zur Entrichtung der Mineralölsteuer bereitzuhalten. Das kann jedoch zumindest nicht uneingeschränkt angenommen werden.
Der Haftungsbescheid erstreckt sich, wie sich aus den Ausführungen des HZA ergibt, auf Mineralölsteuern, die nach § 36 Abs. 8 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) durch Entnahme von Mineralöl aus dem Steuerlager unbedingt geworden sind. Trifft das zu, so hatte die KG die Möglichkeit, die in einem Monat unbedingt gewordene Mineralölsteuerschuld entweder je zur Hälfte am letzten Werktag des folgenden und am 20. des zweiten folgenden Monats oder in einer Summe am 10. des zweiten folgenden Monats nach dem Unbedingtwerden der Steuerschuld zu zahlen (§ 6 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes - MinöStG -, § 36 Abs. 9 Satz 2 MinöStDV). Danach konnte der Beschwerdeführer die in den Monaten September und Oktober 1973 unbedingt gewordene Mineralölsteuer zu Zeitpunkten zahlen, die nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung (29. Oktober 1973) lagen. Zu diesen Zeitpunkten war er aber nicht mehr befugt, über die Umsatzerlöse zu verfügen (§ 6 Der Konkursordnung - KO -). Daraus folgt, daß er auch nicht mehr in der Lage war, eingegangene oder eingehende Umsatzerlöse zur Zahlung der nach der Konkurseröffnung fällig werdenden Mineralölsteuern bereitzuhalten. Lediglich auf die im August 1973 unbedingt gewordene Mineralölsteuer hatte er noch die zweite Rate zu einem Zeitpunkt (am 20. Oktober 1973) vor Konkurseröffnung zu zahlen. Insoweit wäre er also allein durch die Konkurseröffnung nicht daran gehindert gewesen, Umsatzerlöse zur Zahlung dieser Mineralölsteuern bereitzuhalten.
4. Die Ausführungen des HZA zur Begründung des Haftungsanspruchs gegen den Beschwerdeführer lassen es im übrigen auch als erheblich zweifelhaft erscheinen, ob der Beschwerdeführer Haftungsschuldner geworden ist, so daß auch aus diesem Grunde hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. des § 114 ZPO besteht. Zumindest hat das HZA nicht substantiiert dargelegt, daß der Beschwerdeführer Pflichten i. S. des § 109 AO verletzt habe.
a) Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß sich aus der Stellung eines Steuerlagerinhabers die Pflicht ergibt, stets sicherzustellen, daß die Mineralölsteuern für die aus dem Lager entnommenen Mineralölmengen am Fälligkeitstag entrichtet werden können, und wenn daraus gefolgert wird, daß der Steuerlagerinhaber von Entnahmen aus dem Steuerlager Abstand nehmen muß, sobald er erkennt oder erkennen muß, daß er die Verpflichtung zur Zahlung der Mineralölsteuer am Fälligkeitstag nicht erfüllen kann, so ist den Ausführungen des HZA zur Begründung der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers durch den Haftungsbescheid doch nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer diese Pflichten verletzt hat.
Die Verletzung einer solchen Pflicht kann im Streitfall nicht ohne weiteres daraus abgeleitet werden, daß die KG und die GmbH schon seit den Jahren 1969/70 überschuldet waren, wie das HZA meint. Nach den Ausführungen zur Begründung des Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung ist zumindest nicht auszuschließen, daß erst im Oktober 1973 besondere Umstände eingetreten sind, durch die der Beschwerdeführer daran gehindert worden ist, die Mineralölsteuern pünktlich zu zahlen, und daß die vom HZA aufgezeigten, seit Jahren bestehenden schwierigen finanziellen Verhältnisse der KG auf die Zahlung der Mineralölsteuern bis zu diesem Zeitpunkt keine Auswirkungen gehabt haben. Denn das Vorbringen des Beschwerdeführers, dem das HZA nicht widersprochen hat, spricht dafür, daß der Beschwerdeführer die fälligen Mineralölsteuern bis Oktober 1973 und damit bis zu dem Monat, in dem der Konkurs eröffnet worden ist, stets pünktlich und vollständig bezahlt hat.
b) Schon mit Rücksicht auf diese Unzulänglichkeiten in der Begründung des Haftungsanspruchs gegen den Beschwerdeführer kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist und daß dabei die Ausführungen des Beschwerdeführers im Klageverfahren Bedeutung erlangen, erst ein - unvorhersehbarer - Ausfall erheblicher Forderungen habe zur Konkurseröffnung geführt. Trifft das zu, so ist weiter zumindest nicht auszuschließen, daß die Umstände, die letztlich dazu geführt haben, daß die unbedingt gewordenen Mineralölsteuerschulden nicht bezahlt werden konnten, dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden können.
c) Die aufgezeigten Unzulänglichkeiten in der Begründung des Haftungsanspruchs durch das HZA lassen sich nach Auffassung des erkennenden Senats auch nicht mit Hilfe der Ausführungen in dem Strafurteil des Landgerichts beseitigen.
Seinen Vorwurf, der Beschwerdeführer habe eine Steuerhinterziehung begangen, hat das Landgericht im wesentlichen darauf gestützt, der Beschwerdeführer habe dem HZA die bereits eingetretene Überschuldung nicht mitgeteilt und er habe das Mineralöl im Jahre 1973 laufend, wenn auch zu marktüblichen Wettbewerbspreisen, so doch unter dem Einstandspreis verkauft. Wie sich jedoch aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, läßt sich aus dem Umstand, daß die KG schon seit mehreren Jahren überschuldet war, im Streitfall nicht ohne weiteres entnehmen, der Beschwerdeführer habe steuerliche Pflichten der KG als Steuerlagerinhaberin schuldhaft verletzt und das habe zu dem Ausfall der Mineralölsteuer geführt.
Ob ein Verkauf des Mineralöls im Jahr 1973 unter dem Einstandspreis letztlich ursächlich dafür war, daß die streitbefangenen Mineralölsteuerschulden nicht bezahlt werden konnten, und ob der Beschwerdeführer durch den Verkauf von Mineralölmengen unter dem Einstandspreis steuerliche Pflichten verletzt hat, kann nach Auffassung des erkennenden Senats zumindest unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Klageverfahren nicht abschließend beurteilt werden.
Das Landgericht hat dem Beschwerdeführer insoweit außerdem den Vorwurf gemacht, daß er dem HZA den Verkauf von Mineralöl unter Einstandspreis nicht mitgeteilt habe. Der Senat hält es zumindest für zweifelhaft, ob darin bereits die Verletzung einer steuerlichen Pflicht der KG liegt. Abgesehen davon kann aber mit Rücksicht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Klageverfahren nicht ausgeschlossen werden, daß dieses Vorbringen zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Frage Anlaß gibt, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner geschäftlichen Bemühungen mit einer baldigen Verbesserung der Finanzlage der KG rechnen konnte, und daß diese Ermittlungen, auch wenn davon ausgegangen wird, daß der Beschwerdeführer das Mineralöl grundsätzlich nicht unter Einstandspreisen verkaufen durfte, zu einem für ihn günstigen Ergebnis führen.
5. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die für den Streitfall offenbar maßgebliche Frage noch nicht geklärt erscheint, unter welchen Voraussetzungen dem Geschäftsführer einer KG eine schuldhafte Verletzung seiner Pflicht i. S. des § 109 AO anzulasten ist, wenn er die Mineralölsteuern für dem Steuerlager entnommene Mineralölmengen nicht bezahlt hat und dieser Zahlungsausfall Mineralölsteuern betrifft, die erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG oder auch kurze Zeit vorher fällig geworden sind. Auch mit Rücksicht auf diese ungeklärte Rechtsfrage kann eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden.
6. Da davon ausgegangen werden kann, daß der Bescheid über die Änderung der Einspruchsentscheidung als teilweise Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheids zu werten ist und der Beschwerdeführer seinen Klageantrag dieser erst während des vorliegenden Beschwerdeverfahrens erfolgten Teilrücknahme anpassen wird, bedarf es wegen der Teilrücknahme keiner Einschränkung bei der Bewilligung der PKH.
Der erkennende Senat kann über den Antrag auf Bewilligung einer PKH nicht abschließend entscheiden, weil er aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht zu beurteilen vermag, ob der Beschwerdeführer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Verfahrenskosten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die vorliegenden Unterlagen reichen zu einer Beurteilung dieser Frage schon deshalb nicht aus, weil die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Formblatt bereits am 31. März 1982 gefertigt ist und deshalb zur Beurteilung der gegenwärtigen Verhältnisse nicht mehr geeignet erscheint.
Das FG hat über den Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen zur Erfolgsaussicht erneut zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 414465 |
BFH/NV 1987, 143 |