Leitsatz (amtlich)
Mit der Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO kann das Vorliegen einer gemeinsamen Erledigungserklärung bestritten werden. Das FG hat dann im Urteilsverfahren über die Erledigung oder die Klage zu entscheiden. Dies gilt auch, wenn nur über die Erledigung eines Teils der Hauptsache Streit besteht.
Normenkette
FGO §§ 128, 138 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob sich der Rechtsstreit vor dem FG in der Hauptsache ganz erledigt hat und wem die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) erhob am 4. August 1967 gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (FA) Klage mit dem Begehren, die unanfechtbar gewordenen gegen sie ergangenen Einkommensteuer-Bescheide 1954 bis 1957 aufzuheben, dementsprechend 1 255,10 DM Einkommensteuer zu erstatten nebst 4 % Zinsen seit Sollstellung der Steuerbeträge. Diesen Bescheiden lagen Einkünfte aus einer stillen Beteiligung am Betrieb der Mutter der Beschwerdeführerin zugrunde. Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahre 1959 hatte das FA der Beteiligung die Anerkennung versagt und die Gewinnanteile nunmehr den Einkünften der Mutter der Beschwerdeführerin zugerechnet durch Berichtigungsbescheide, die ebenfalls unanfechtbar wurden. Das FA hob am 31. August 1967 die von der Beschwerdeführerin angegriffenen Bescheide unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG auf und erstattete die Überzahlung. Hierauf erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt.
Das FG legte der Beschwerdeführerin durch Beschluß nach § 138 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens auf, da die Klage ohne Einhaltung des erforderlichen Vorverfahrens (§§ 229, 230 Abs. 2 Nr. 1 AO) unzulässig gewesen sei.
Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe nicht eine von vornherein unzulässige Anfechtungsklage, sondern eine Feststellungs- und Untätigkeitsklage wegen Nichtigkeit dieser Bescheide erhoben. Das FA hätte die Bescheide im Zuge des Berichtigungsverfahrens gegenüber ihrer Mutter von Amts wegen aufheben müssen, zumal im Rechtsstreit der Mutter mit dem FA ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei. Im übrigen habe sich die eigene Erledigungserklärung nur auf den Antrag auf Aufhebung und Erstattung der Überzahlung bezogen, nicht aber auf die geltend gemachte Zinsforderung. In diesem letzten Punkt sei die Klage noch nicht erschöpft und entschieden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß die Hauptsache aufgrund übereinstimmender Erklärung der Beteiligten in vollem Umfang erledigt sei.
Denn die Beschwerdeführerin bestreitet mit der Beschwerde die Erledigung insoweit, als wegen des Zinsanspruchs Klage erhoben wurde. Damit ist die Übereinstimmende Erledigungserklärung als Voraussetzung für den angefochtenen Beschluß (BFH-Beschluß vom 21. Juni 1968 III B 26/66, BFHE 93, 212, BStBl II 1968, 742) möglicherweise zum Teil entfallen. Das FG muß im Urteilsverfahren entweder sachlich über den Antrag auf Zinszahlung entscheiden oder aussprechen, daß die Hauptsache auch in diesem Punkt erledigt ist. Es gelten hier gleichartige Grundsätze wie bei der Einstellung des Verfahrens nach Klagerücknahme, wozu der BFH durch Beschluß vom 9. Mai 1972 IV B 99/70 (BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543) im einzelnen Stellung genommen hat. Am Erfordernis der Zurückverweisung ändert nichts, daß im vorliegenden Fall nur über die Erledigung eines Teils der Hauptsache Streit besteht. Auch hierüber muß im Schlußurteil befunden und zugleich hinsichtlich des erledigten Teils die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen werden: dort ist wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch über die gesamten Kosten des Verfahrens zu beschließen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juni 1965 V C 88/63, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 310, Verwaltungsgerichtsordnung, § 161 Abs. 2 Erledigung Nr. 16, im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, z. B. Urteil vom 18. November 1963 VII ZR 182/62, BGHZ 40, 265 [269]; zustimmend von Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO, Anm. 2 am Ende). Die Vorinstanz hätte mithin, als sie darüber zu befinden hatte, ob der Beschwerde abgeholfen werden sollte, nicht mehr von der Erledigung der Hauptsache ausgehen dürfen, da nunmehr die Erledigung der Zinsforderung bestritten wurde. Insoweit hätte es der Fortführung des Klageverfahrens bedurft, was das FG nachzuholen hat.
Zur vorliegenden Kostenentscheidung bemerkt der Senat, daß ihre Begründung der revisionsgerichtlichen Nachprüfbarkeit nicht voll gerecht wird. Denn sie läßt nicht hinreichend ersehen, von welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen das FG bei seiner Entscheidung ausging (vgl. Urteil des BFH vom 22. April 1966 III 46/62, BFHE 86, 219; Beschluß des BFH vom 15. Februar 1967 IV B 18/66, BFHE 87, 502, BStBl III 1967, 181). Die Vorentscheidung läßt die nähere Begründung dafür vermissen, weshalb § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO für unanwendbar erachtet und welche Klage als erhoben angesehen wurde. Da es sich um einen Fall sogenannter widerstreitender Steuerfestsetzungen handelt, dessen materiell- und verfahrensrechtliche Behandlung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, hätte hierzu Anlaß bestanden.
Fundstellen
Haufe-Index 70183 |
BStBl II 1973, 455 |
BFHE 1973, 150 |