Leitsatz (amtlich)
1. Hat in Erledigung der Hauptsache das FA durch berichtigende Vermögensteuerbescheide zwar auf den Hauptveranlagungszeitpunkt dem Begehren des Steuerpflichtigen voll entsprochen, aber für den nachfolgenden 1. Januar eine Neuveranlagung in Höhe des angefochtenen Vermögensteuerbescheids vorgenommen, so ist für die Kostenentscheidung dem Begehren des Steuerpflichtigen nicht voll entsprochen worden.
2. Entsprechend dem Ansatz des Streitwerts bei der Vermögensteuer mit dem Zweifachen der Jahressteuer sind die Kosten des erledigten Hauptverfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.
Normenkette
FGO § 136 Abs. 1, § 138 Abs. 1-2, § 140; VStG §§ 12-13
Tatbestand
In dem finanzgerichtlichen Verfahren betreffend Vermögensteuer 1953 und 1957, das materiell die Bewertung des Nutzungsrechts eines Erbvermögens der Kinder der Steuerpflichtigen betraf, hatte der BFH unter Verbindung der beim FG selbständigen Berufungen im ersten Rechtsgang die Sachen an das FG zurückverwiesen. Das FA hat dann die angefochtenen Vermögensteuerbescheide zum 1. Januar 1953 und zum 1. Januar 1957 gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 93 Abs. 2 AO geändert und bekanntgegeben, und zwar zum 1. Januar 1953 um 1 660 DM Vermögensteuer niedriger, zum 1. Januar 1954 ohne Differenz gegenüber der Einspruchsentscheidung 1953 bis 1956 und zum 1. Januar 1957 um 270 DM niedriger gegenüber der entsprechenden Einspruchsentscheidung 1957 bis 1959. Beide Parteien erklärten schriftlich die Hauptsache für erledigt und beantragten Festsetzung des Streitwerts.
Das FG legte die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens durch Beschluß dem Beklagten auf. Zur Begründung führte es aus, das FA (Beklagter) habe die angefochtenen Vermögensteuerbescheide gemäß § 94 AO berichtigt und damit dem Begehren des Klägers entsprochen. Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ergebe sich die Kostenentscheidung aus § 138 Abs. 2 FGO.
Das FA beantragte mit der Beschwerde, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben und die Kosten der Beschwerde gemäß § 140 Abs. 1 FGO, § 7 GKG nicht zu erheben. Es führte zur Begründung aus: Bezüglich des Hauptveranlagungszeitraumes 1953 bis 1956 sei dem Klageantrag nur für das Kalenderjahr 1953, nicht aber für die folgenden Jahre entsprochen worden. Da die Wiederaufnahme der Dividendenzahlung bestimmter Aktien im Jahre 1953 für 1953 angekündigt worden sei, sei mit dem Kläger vereinbart worden, es für die Jahre 1954 bis 1956 bei dem in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Steuerbetrag zu belassen. An Stelle des ursprünglichen Vermögensteuerbescheids auf den 1. Januar 1953 in der Form der Einspruchsentscheidung seien der berichtigte Bescheid zum 1. Januar 1953 und die Neuveranlagung zum 1. Januar 1954 getreten.
Das FG half der Beschwerde mit der Begründung nicht ab, die verbösernde Neuveranlagung sei nicht Streitgegenstand gewesen, da der Vermögensteuerneuveranlagungsbescheid am 1. Januar 1954 nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht worden sei. Bei der Kostenentscheidung habe die ab 1. Januar 1954 wirkende Verböserung unberücksichtigt bleiben müssen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zulässig. Der Streitwert der Beschwerde liegt auch hinsichtlich des Antrags auf gegenseitiges Aufheben der Kosten gemäß § 136 Abs. 1 FGO über 50 DM, so daß das Erfordernis des § 128 Abs. 3 FGO erfüllt ist.
Die Beschwerde gegen die volle Auferlegung der Kosten an das FA ist auch begründet.
Das FG hatte wegen der Erledigung der Hauptsache nur noch über die Kosten zu entscheiden (BFH-Entscheidung I B 56/67 vom 21. Februar 1968, BFH 91, 521, BStBl II 1968, 414). Dabei ist grundsätzlich ohne Bedeutung, wodurch die Erledigung eingetreten ist. Die Kostenfolge ist jedoch für den wichtigsten Fall der Erledigung, nämlich bei Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes, in § 138 Abs. 2 FGO besonders geregelt. Da der vorliegende Rechtsstreit seit der Verbindung der beiden Rechtsmittel gegen die Vermögensteuerveranlagungen 1953 und 1957 durch den BFH im ersten Rechtszuge beide Hauptveranlagungen betrifft und diese beiden Vermögensteuerbescheide durch die Berichtigungsbescheide auf den 1. Januar 1953, die Neuveranlagung auf den 1. Januar 1954 und den Berichtigungsbescheid auf den 1. Januar 1957 ersetzt wurden, ist zunächst die Anwendung des § 138 Abs. 2 FGO zu prüfen. Im Streitfall haben die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt, obwohl das FA für den Hauptveranlagungszeitraum 1953 zwar für das Jahr 1953 dem Begehren der Kläger entsprochen hatte, dieses Ergebnis jedoch durch die Neuveranlagung zum 1. Januar 1954 für die Folgejahre bis zur Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1957 wieder aufhob, so daß es insoweit bei der bisherigen angegriffenen Steuerfestsetzung des FA verblieb. Die berichtigende Vermögensteuerveranlagung 1957 hat nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten durch den Berichtigungsbescheid dem allerdings recht unklaren Begehren der Kläger (Beschwerdegegner) Rechnung getragen. Entscheidend für die Auferlegung der Kosten ist somit, ob auch hinsichtlich der Vermögensteuern 1953 und die Folgejahre durch den Berichtigungsbescheid dem Begehren der Kläger vom FA voll entsprochen wurde. Wird dem Antrag des Steuerpflichtigen durch den ändernden Bescheid nur teilweise entsprochen und erklären die Beteiligten die Hauptsache ohne teilweise Klagerücknahme für erledigt, so sind nach Rechtsprechung und Literatur die Kosten verhältnismäßig zu teilen. Der Kommentar zur FGO Tipke-Kruse zieht zur Begründung § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO heran (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 138 FGO, Anm. 5). Nach der Rechtsprechung des BFH muß das Gericht bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch übereinstimmende Erklärung, sofern das FA dem Antrag des Steuerpflichtigen nur teilweise entsprochen hat, über die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO entscheiden, falls der Steuerpflichtige die Klage nicht teilweise zurückgenommen hat (BFH-Entscheidungen VI B 47/67 vom 25. April 1968, BFH 92, 469, BStBl II 1968, 608, und VI R 35/67 vom 23. Februar 1968, BFH 91, 403, BStBl II 1968, 352). Eine Klagerücknahme liegt nicht vor.
Dem Klagebegehren ist im Streitfall durch die Erledigung der Hauptsache nicht voll entsprochen worden. Die Kostenregelung geht davon aus, daß bei materieller Entscheidung jeweils die Partei die Kosten soweit zu tragen hat, als sie ganz oder teilweise unterlegen ist. Die Vermögensteuerhauptveranlagung wird nach § 12 Abs. 1 VStG für drei Jahre vorgenommen; es kann durch Rechtsverordnung bestimmt werden, daß die Hauptveranlagung für einen kürzeren oder längeren Zeitraum vorgenommen wird, der dann als Hauptveranlagungszeitraum gilt. Der hier u. a. in Frage stehende Hauptveranlagungszeitraum 1953 wurde durch die Verordnung vom 11. März 1957 (BStBl I 1957, 192) bis Ende 1956 verlängert. Für den Streitwert und damit für die Beurteilung eines teilweisen Unterliegens ist auch bei Steuern, die wie die Vermögensteuer für mehrere Jahre veranlagt werden, der Ausgangspunkt der Jahressteuerbetrag. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung nicht mit der Gesamtzahl der von dem Veranlagungszeitraum umfaßten Jahre zu vervielfachen sondern nur zu verdoppeln. Der einfache Jahresbetrag käme nur in Betracht, wenn auf den der Steuerfestsetzung folgenden nächsten Stichtag eine Hauptveranlagung oder Neuveranlagung stattfindet (BFH-Entscheidung III 109/57 U vom 20. März 1959, BFH 69, 1, BStBl III 1959, 262). Bei Anwendung dieser Grundsätze tritt durch die Berichtigung des Vermögensteuerhauptveranlagungsbescheides 1953 unter Obsiegen des Klägers mit 1 660 DM nur eine Auswirkung für ein Jahr ein, während für die Restdauer des Hauptveranlagungszeitraumes der mit dem Berichtigungshauptveranlagungsbescheid vereinbarungsgemäß gekoppelte Neuveranlagungsbescheid 1954 die Kläger mit 1 660 DM unterliegen läßt. Der Auffassung des FG, daß der Neuveranlagungsbescheid eine "Verböserung" darstelle und nicht Streitgegenstand sei, ist nicht zu folgen. Eine "Verböserung", d. h. eine Abänderung der Vorentscheidung zum Nachteil der Kläger, liegt schon deshalb nicht vor, weil die Neuveranlagung der Einspruchsentscheidung entspricht. Hauptveranlagungsbescheid und Neuveranlagungsbescheid bedingen im gleichen Veranlagungszeitraum einander und stehen in gegenseitiger Abhängigkeit (vgl. BFH-Entscheidung III 226, 227/60 vom 22. November 1963, HFR 1964, 147). Sie sind daher gleichermaßen auch für die Frage heranzuziehen, ob und inwieweit durch abändernde Bescheide nur teilweise oder vollständig dem Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen wurde. Da nach der Rechtsprechung stets für den ganzen Hauptveranlagungszeitraum nur das Zweifache der Vermögensjahressteuer als Streitwert angesetzt wird, erscheint es angemessen, hier in entsprechender Weise die Kläger für den Hauptveranlagungszeitraum 1953 als zur Hälfte (ein Jahr) mit 1 660 DM als obsiegend und mit 1 660 DM für die pauschale Folgezeit als unterliegend anzusehen. Es sind daher den Parteien hinsichtlich der Vermögensteuer 1953 bis 1956 bei einem Streitwert von 3 320 DM die Kosten je zur Hälfte aufzuerlegen. Dem Antrag des FA, diese Kosten gegeneinander aufzuheben, ist nicht stattzugeben, da bei Vertretung des Steuerpflichtigen durch einen Prozeßbevollmächtigten eine gegenseitige Kostenaufhebung dem Interesse des Steuerpflichtigen nicht entspricht (BFH-Entscheidung III B 4/71 vom 6. August 1971, BFH 103, 303, BStBl II 1972, 89).
Hinsichtlich des Vermögensteuerbescheids 1957 folgte das FA nach seinen eigenen Angaben dem Begehren der Kläger in dem Berichtigungsbescheid, so daß das FA die Kosten voll zu tragen hat.
Wegen der Feststellung der zwei Streitwerte wird auf das Urteil BFH V B 29-32/68 vom 8. August 1968 (BFH 93, 266, BStBl II 1968, 778) verwiesen.
Die Kosten der Beschwerde haben der Beschwerdeführer (FA) zu 55 v. H., die Beschwerdegegner zu 45 v. H. zu tragen (§ 136 FGO). Zu der vom FA beantragten Nichterhebung der Kosten der Beschwerde besteht keine Veranlassung.
Fundstellen
Haufe-Index 69662 |
BStBl II 1972, 627 |
BFHE 1972, 462 |