Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrang des NZB-Verfahrens vor dem Einspruchsverfahren; Angemessenheit von Pkw-Aufwendungen
Leitsatz (NV)
1. Ergeht während des NZB-Verfahrens ein Änderungsbescheid, gegen den der Steuerpflichtige Einspruch einlegt und den er zugleich zum Gegenstand des NZB-Verfahrens erklärt, so ist das NZB-Verfahren nicht auszusetzen.
2. Das FG weicht nicht von der Rechtsprechung des BFH ab, wenn es bei der Prüfung der Angemessenheit von Pkw-Aufwendungen auf die Anschaffungskosten des Pkw abstellt.
3. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG bei der Angemessenheitsprüfung auf die betrieblichen Kennziffern des Veranlagungszeitraums und der vorangehenden Veranlagungszeiträume abstellt.
Normenkette
FGO §§ 68, 74, 115, 118; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 7, § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Der Senat kann über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden, ohne das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Er kann dabei die Frage offenlassen, ob die Neuberechnung der Steuer, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) im Vollzug des finanzgericht lichen Urteils nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO erstellt hat, ein Verwaltungsakt und damit ein Änderungsbescheid i. S. des § 68 FGO ist (vgl. hierzu z. B. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 100 Rdnr. 38, m. w. N.). Auch wenn ein Änderungsbescheid insoweit vorläge, so wäre dieser von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wirksam zum Gegenstand des Ver fahrens erklärt worden. Damit hätte das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Vorrang vor dem Einspruchsverfahren, das durch die Einlegung des Einspruchs gegen die Neuberechnung eröffnet wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Mai 1994 IV R 134/92, BFH/NV 1995, 114, m. w. N.). Grund für den Vorrang des Verfahrens, in dem der Antrag nach § 68 FGO gestellt wird, ist im allgemeinen die Annahme, daß ein nach Einlegung des Einspruchs gegen den Änderungsbescheid gestellter Antrag nach § 68 FGO die konkludente Rücknahme des Einspruchs beinhalte. Der Senat verkennt nicht, daß diese Annahme in Fällen der vorliegenden Art, in denen am gleichen Tag Einspruch und Antrag nach § 68 FGO vom Kläger abgeschickt werden, die konkludente Rücknahme nur schwer zu belegen ist. Der Vorrang des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vor dem Einspruchsverfahren folgt hier daher primär aus dem verfahrensökonomischen Zweck des § 68 FGO. Der Senat weicht insoweit nicht von dem Beschluß des VIII. Senats vom 17. Januar 1995 VIII R 67/93 (BFH/NV 1995, 707) ab, da hier gegen den Änderungsbescheid noch keine Klage anhängig ist.
Ist danach das Einspruchsverfahren subsidiär zu dem Verfahren, in dem der Antrag nach § 68 FGO gestellt wird, so besteht kein Anlaß, in Fällen der vorliegenden Art die beiden Rechtsschutzbegehren mangels Bestimmtheit als unzulässig zu betrachten (so Gräber/von Groll, a.a.O., § 68 Rdnr. 28).
2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
Eine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) einen (abstrakten) Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem (abstrakten) Rechtssatz einer BFH-Entscheidung abweicht. Zutreffend hat zwar die Klägerin dargelegt, daß nach der Rechtsprechung des BFH für die Angemessenheit i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die Höhe der Aufwendungen abzustellen ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 29/85, BFHE 147, 525, BStBl II 1987, 108). Das FG hat einen hiervon abweichenden Rechtssatz nicht auf gestellt, wenn es bei seiner Angemessenheitsprüfung der Frage nachgeht, ob die Anschaffung des Pkw für 170 000 DM im Streitfall unter Berücksichtigung der betrieblichen Kennziffern angemessen war. Die Anschaffungskosten sind Grundlage für die Absetzung für Abnutzung -- AfA (§ 7 Abs. 1 EStG). Die AfA für ein unangemessen kostspieliges abschreibungspflichtiges Wirtschaftsgut ist unangemessen i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG. Ausgangspunkt für die Annahme der Angemessenheit der Abschreibung ist die Angemessenheit der Anschaffungskosten, die über die Abschreibung lediglich auf mehrere Jahre verteilt wird. So hat z. B. auch der III. Senat des BFH (Urteil vom 13. November 1987 III R 227/83, BFH/NV 1988, 356) trotz des ausdrücklichen Hinweises, daß § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nur die AfA erfaßt, ein krasses Mißverhältnis zwischen Gewinn/Umsatz und den Anschaffungskosten geprüft.
3. Soweit die Klägerin als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage aufwirft, ob bei der Angemessenheitsprüfung nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG auf die laufende AfA oder auf die Anschaffungskosten abzustellen ist, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Insoweit fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, daß diese Frage noch klärungsbedürftig ist (vgl. hierzu z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 9, m. w. N.). Die Frage ist durch das von der Klägerin selbst zitierte Urteil (BFHE 147, 525, BStBl II 1987, 108) geklärt.
4. Die im Rahmen der Divergenzrüge auf geworfene Frage, ob bei Ermittlung der Angemessenheit von Aufwendungen auf die betrieblichen Kennziffern des jeweiligen Veranlagungszeitraumes abzustellen ist, ist im Streitfall nicht klärungsfähig (vgl. hierzu z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 11, m. w. N.). Das FG hat die Angemessenheit u. a. unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin im Streitjahr 1991 (Gewinn 4 000 DM; Kapitalfehlbetrag 780 000 DM) verneint. Insoweit handelt es sich um tatsächliche Feststellungen, an die der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden wäre. Die Tatsache, daß das FG zusätzlich noch die wirtschaftliche Situation der Jahre 1989 und 1990 zur Beurteilung herangezogen hat, läßt seine tatsäch lichen Feststellungen nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrenssätze verstoßen (vgl. hierzu z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rdnr. 41). Durch Heranziehen der Vorjahreszahlen läßt sich ein Überblick über die (künftige) Entwicklung des Betriebes gewinnen. Auf die Frage, ob in künftigen Veranlagungszeiträumen die hier beanstandete AfA als angemessen zu beurteilen sein wird, kommt es im Streitfall nicht an.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421645 |
BFH/NV 1997, 27 |