Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Leitsatz (NV)
- Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift "dargelegt" werden. Darlegen in diesem Sinn bedeutet mehr als allgemeine Hinweise oder Behauptungen; es erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, weshalb die zu den für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen zu treffende Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt.
- Gibt es zu der aufgeworfenen Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung, muss ausführlich begründet werden, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist. Hierzu muss substantiiert vorgetragen werden, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich bereits beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine gemeinnützigen Zwecken dienende Stiftung. Nach der Satzung der Klägerin (§ 5 Abs. 1) soll die Verwaltung des Stiftungsvermögens durch eine "Organobergesellschaft", die X-GmbH, erfolgen, deren alleinige Gesellschafterin die Klägerin ist. Die X-GmbH ist alleinige Kommandistin einer KG. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG ist die Y-GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die X-GmbH ist. In den Streitjahren 1987 bis 1991 waren die beiden Stiftungsvorstände der Klägerin, die vom Stifter zu Testamentsvollstreckern berufenen Herren A und B, zugleich auch die gemeinschaftlich vertretungsberechtigten Geschäftsführer der X-GmbH.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) sah in der Beteiligung der Klägerin an der X-GmbH einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, und stellte durch Bescheide vom 6. Oktober 1994 Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin
auf den 1. Januar 1987 |
in Höhe von 9 660 000 DM, |
auf den 1. Januar 1988 |
in Höhe von 8 400 000 DM, |
auf den 1. Januar 1989 |
in Höhe von 8 775 000 DM, |
auf den 1. Januar 1990 |
in Höhe von 8 645 000 DM und |
auf den 1. Januar 1991 |
in Höhe von 7 090 000 DM |
fest.
Einspruch und Klage der Klägerin, mit denen diese neben formalen Einwänden geltend machte, die Klägerin habe gegenüber der X-GmbH lediglich die ihr gesetzlich zustehenden Gesellschafterrechte wahrgenommen, und sich jedes aktiven Eingreifens in den Geschäftsbetrieb der X-GmbH enthalten, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Grenze zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sei dort überschritten, wo mit der Beteiligung tatsächlich ein entscheidender Einfluss auf die laufende Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausgeübt werde. Seien ―wie im Streitfall― die Geschäftsführungsorgane der gemeinnützigen Körperschaft und der (gewerblich tätigen) Kapitalgesellschaft identisch, sei eine solche tatsächliche Einflussnahme zu vermuten. Denn die gleichzeitig auch zu Geschäftsführern der X-GmbH berufenen Stiftungsvorstände seien verpflichtet, das (gewerbliche) Interesse der X-GmbH wahrzunehmen und die laufende Geschäftsführung selbst auszuüben. Dies ginge über eine bloße Einflussnahme, wie sie für einen Gesellschafter üblich sei, hinaus.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift "dargelegt" werden. Darlegen in diesem Sinn bedeutet mehr als allgemeine Hinweise oder Behauptungen; es erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, weshalb die zu den für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen zu treffende Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Deshalb reichen die mehrfachen Hinweise der Klägerin, die von ihr unter den Gliederungsnummern II. 2. bis 4. ihrer Beschwerdebegründung genannten Rechtsfragen seien aufgrund der großen Anzahl gemeinnütziger Körperschaften von allgemeinem Interesse und klärungsbedürftig, zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus.
Auch bezüglich der von der Klägerin unter II. 1. der Beschwerdebegründung genannten Fragestellungen fehlt es an der ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Soweit die Klägerin meint, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob unter bestimmten Voraussetzungen ein entscheidender Einfluss der steuerbegünstigten Körperschaft auf eine Kapitalgesellschaft vorliege, wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, sondern ein Problem der Tatsachenwürdigung angesprochen.
Auch bezüglich der weiteren von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob bei Einflussnahme einer steuerbegünstigten Körperschaft auf die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft, an der sie beteiligt ist, grundsätzlich von einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auszugehen sei, fehlt es an den Darlegungserfordernissen. Denn es gibt hierzu bereits höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 30. Juni 1971 I R 57/70 (BFHE 103, 56, BStBl II 1971, 753) unter Hinweis auf die früheren Entscheidungen vom 21. Mai 1957 I 228/56 S (BFHE 65, 47, BStBl III 1957, 251) und vom 8. Oktober 1957 I 43/57 U (BFHE 66, 244, BStBl III 1958, 95) ausgeführt, dass ein Durchgriff durch die Rechtsform der Kapitalgesellschaft "in Ansehung des Gesetzes" jedenfalls (erst) dann zulässig ist, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft (hier: die Klägerin) ―allein oder im Zusammenwirken mit anderen― tatsächlich entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft nimmt und damit durch sie unmittelbar selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt. Angesichts der vorliegenden Rechtsprechung hätte die Klägerin ausführlich begründen müssen, weshalb sie gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält (BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 9. November 1999 VIII B 85/99, BFH/NV 2000, 472). Hierzu hätte die Klägerin substantiiert vortragen müssen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich bereits beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, und vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985). Dies ist nicht geschehen. Neue, bislang vom BFH nicht berücksichtigte Gesichtspunkte, die eine erneute Entscheidung durch den BFH erforderlich machen, hat die Klägerin nicht dargetan. Die von der Klägerin genannten Literaturstellen befassen sich ―mit einer Ausnahme― nicht mit der höchstrichterlich bereits geklärten und von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein "Durchgriff" durch die Kapitalgesellschaft möglich ist, sondern damit, wann ein tatsächlich entscheidender Einfluss der steuerbegünstigten Körperschaft auf die laufende Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft "unterstellt", "(kaum widerlegbar) vermutet" werden kann oder "naheliegt".
Fundstellen
Haufe-Index 848068 |
BFH/NV 2003, 64 |