Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht vertretener Beteiligter i. S. v. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO
Leitsatz (NV)
Zur Rüge des Steuerpflichtigen, er sei im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen, weil das Gericht ihn von seinem Bevollmächtigten zu trennen versucht und keine ordnungsgemäße mündliche Verhandlung zugelassen habe.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde mit Bescheid vom 27. März 1991 für das Streitjahr 1989 zur Einkommensteuer veranlagt und legte hiergegen am 22. April 1991 Einspruch ein. Vor Ergehen der Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 28. Juni 1991 Untätigkeitsklage, die er auf Fehler im Verwaltungsverfahren und auf Grundrechtsverletzungen stützte. Zuletzt beantragte der Kläger unter Aufgabe zuvor gestellter Anträge, zusätzliche Werbungskosten in Höhe von ... DM zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, daß für eine vorgezogene Anrufung des Gerichts nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ebenso wie in Parallelfällen lägen auch hier alle Voraussetzungen vor, unter denen der Bundesfinanzhof (BFH) eine Aussetzung bzw. ein formloses Ruhenlassen des Einspruchsverfahrens für geboten halte.
Mit der Revision rügt der Kläger, er sei durch den faktischen Ausschluß seines Bevollmächtigten nicht i. S. von § 119 Nr. 4, § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vertreten gewesen. Der Senat, der das angefochtene Urteil erlassen habe, insbesondere dessen Mitglied Richter M, versuche seit Jahren, ihn, den Kläger, von seinem Bevollmächtigten zu trennen und dadurch rechtlos zu machen, was sich auch daraus ergebe, daß der zunächst ergangene Gerichtsbescheid auch an ihn persönlich zugestellt worden sei, damit er in Angst und Schrecken verfalle. Die mündliche Verhandlung sei keine solche im Rechtssinne, sondern eine Farce gewesen. Es seien jeweils nur zwei Minuten für Befangenheits- und Sachanträge zur Verfügung gestellt und die Verhandlung danach abrupt abgebrochen worden. Befangenheitsanträge seien weder zur Kenntnis genommen worden, noch sei durch die abgelehnten Richter eine Stellungnahme erfolgt, da die Anträge als rechtsmißbräuchlich angesehen worden seien. Es habe kein Sachantrag gestellt werden können.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht zulässig.
Die Revision ist weder vom FG noch -- auf Beschwerde -- vom BFH zugelassen worden. Der Senat hat mit Beschluß vom heutigen Tage die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs als Verfahrensrüge im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde gewertet und diese als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision ist auch nicht nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft. Denn der Kläger hat einen Mangel in der Vertretung i. S. von § 119 Nr. 4 FGO, der gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO die zulassungsfreie Revision eröffnen würde, nicht schlüssig gerügt.
§ 119 Nr. 4 FGO soll gewährleisten, daß die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit erhalten, entweder in eigener Person oder vertreten durch einen Bevollmächtigten, ihren Standpunkt dem Gericht darzulegen. Der Begriff der mangelnden Vertretung wird weit ausgelegt; er umfaßt auch die Fälle, in denen ein Beteiligter aus tatsächlichen Gründen gehindert war, seine Belange wahrzunehmen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Anm. 17).
Danach hätte der Kläger Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ableiten ließe, daß er in gesetzwidriger Weise im Verfahren vor dem FG faktisch nicht vertreten war. Das ist nicht geschehen. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers dem mit der Streitsache befaßten Senat des FG sowie dem Berichterstatter vorwirft, man versuche permanent, ihn (den Bevollmächtigten) faktisch aus dem Verfahren auszuschließen bzw. seine Mandanten von ihm zu trennen und dadurch rechtlos zu machen, ergibt sich daraus nicht, daß das FG durch fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die Vertretung im Streitfall den Bevollmächtigten tatsächlich nicht als Vertreter des Klägers behandelt habe. Von einem Erfolg dieser angeblichen Versuche wird nachvollziehbar nicht berichtet. Inwiefern durch die zusätzliche Bekanntgabe des Gerichtsbescheids, der inzwischen als nicht ergangen gilt (§ 90a Abs. 3, 2. Halbsatz FGO), auch an den Kläger selbst, die bestehende Vertretung beeinträchtigt und der Kläger gehindert gewesen sein könnte, seine Belange im Prozeß wahrzunehmen, ist nicht ersichtlich. Was die Äußerungsfrist in der mündlichen Verhandlung betrifft, hat der Kläger noch in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde in dieser Sache ausgeführt, es sei ihm eine Checkliste mit Ablehnungsgründen vorgelegt worden, obwohl gar nicht geäußert worden sei, Befangenheitsanträge stellen zu wollen. Der Kläger hat weder im vorliegenden Verfahren, noch in der Nichtzulassungsbeschwerde, noch in der Beschwerde gegen die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs dargelegt, wen er wann mit welcher Begründung habe ablehnen wollen und durch wen er daran gehindert worden sei. Die Einlassung, er sei an der Stellung eines Sachantrages gehindert worden, ist unverständlich, weil ein solcher im angefochtenen Urteil wiedergegeben ist. Der Kläger hat an keiner Stelle ausgeführt, welchen anderen Antrag er noch habe stellen wollen und durch wen er daran gehindert worden sei. Ebensowenig hat der Kläger Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schlüssig ergibt, daß ihm Ausführungen zur Sache verwehrt worden wären.
Fundstellen
Haufe-Index 420978 |
BFH/NV 1996, 163 |