Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorschriftsmäßige Besetzung der Richterbank; rückwirkender Berichtigungsbeschluss; Beweiskraft des Sitzungsprotokolls
Leitsatz (NV)
- Für die ordnungsgemäße Rüge eines Verfahrensfehlers ist Voraussetzung, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte (Tatsachen) die Fehlerhaftigkeit der Besetzung des Gerichts schlüssig dargelegt wird.
- Der Berichtigungsbeschluss, mit dem das FG das Rubrum seines Urteils dahin korrigiert, dass es nunmehr eine dem § 5 Abs. 3 FGO gemäße Besetzung der Richterbank ausweist, wirkt auf die Zeit des Wirksamwerdens des berichtigten Urteils (Verkündung, Zustellung) zurück.
- Dem Sitzungsprotokoll kommt hinsichtlich der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten ‐ worunter auch die Namen der an der Sitzung teilnehmenden Richter fallen (§ 160 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) ‐ als öffentliche Urkunde erhöhte Beweiskraft zu (§ 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO). Damit kann die vorschriftsmäßige Besetzung des FG-Senats i.S.d. § 5 Abs. 3 FGO mit drei (Berufs-)Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern bewiesen werden.
Normenkette
FGO § 5 Abs. 3, § 107 Abs. 1, § 94; ZPO § 160 Abs. 1, § 165
Tatbestand
I. Die Ausfertigung des Urteils des Finanzgerichts (FG) vom 18. November 1999 wurde der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) nebst Sitzungsprotokoll vom selben Tag mit Postzustellungsurkunde am 11. Dezember 1999 zugestellt. Dem Rubrum des FG-Urteils zufolge haben neben den beiden ehrenamtlichen Richtern nur die Richterin am Finanzgericht A und der Richter am Finanzgericht B an der Entscheidung mitgewirkt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat an der mündlichen Verhandlung vom 18. November 1999 neben den beiden ehrenamtlichen Richtern sowie der Richterin am Finanzgericht A und dem Richter am Finanzgericht B auch der Richter am Finanzgericht C teilgenommen. Das Verkündungsprotokoll vom 18. November 1999 weist die Unterschriften von drei Berufsrichtern (A, B, C) ebenso aus wie das FG-Urteil die Unterschriften dieser drei Berufsrichter (A, B, C) trägt.
Mit Beschluss vom 17. Januar 2000 hat das FG das Rubrum seines Urteils vom 18. November 1999 gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dahin berichtigt, dass an der Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung neben der Richterin am Finanzgericht A und dem Richter am Finanzgericht B (und den beiden ehrenamtlichen Richtern) auch der Richter am Finanzgericht C mitgewirkt hat.
Mit der Revision rügt die Klägerin die nicht ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Entgegen § 5 Abs. 3 FGO sei das FG nur mit zwei (Berufs-)Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt gewesen; der dritte Berufsrichter habe gefehlt. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass ausweislich der Urteilsausfertigung ein "C" die Entscheidung unterschrieben haben soll. Denn in der am selben Tag ergangenen Entscheidung zum Az. … seien ausdrücklich drei Berufsrichter erwähnt. In der angegriffenen Entscheidung werde "… und den Richter …", hingegen in der Parallelentscheidung "… und die Richter …" formuliert. Diese Unterscheidung sei erkennbar absichtlich getroffen worden. Die Entscheidung sei keiner Berichtigung zugänglich.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1, § 124 Abs. 1 FGO).
1. Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung hin der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist. Hierauf hat das FG in der der angefochtenen Vorentscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.
Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.
a) Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wurde nicht eingelegt.
b) Die Revision ist auch nicht nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO statthaft. Die Klägerin hat den geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ordnungsgemäß gerügt. Hierzu ist Voraussetzung, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte (Tatsachen) die Fehlerhaftigkeit der Besetzung des Gerichts schlüssig dargelegt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 X R 64/98, BFH/NV 1999, 511; Dürr, in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 116 Rz. 4, § 119 Rz. 23). Daran fehlt es im Streitfall. Im Übrigen war das FG auch vorschriftsmäßig besetzt.
Nach § 5 Abs. 3 FGO entscheiden die Senate der FG ―aufgrund mündlicher Verhandlung― in der Besetzung von drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern. Auch im Streitfall hat das FG in dieser ―vorschriftsmäßigen― Besetzung das angegriffene Urteil gefällt. Konkrete Tatsachen, die eine fehlerhafte Besetzung als möglich erscheinen lassen, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die anderweitige Formulierung im Rubrum der am selben Tag ergangenen Entscheidung desselben Senats zum Az. … bietet keine schlüssige Begründung, weil sie ohne weiteres auch als Argument für das Gegenteil herangezogen werden könnte.
Das FG hat mit Berichtigungs-Beschluss vom 17. Januar 2000 das Rubrum seines Urteils vom 18. November 1999 dahin korrigiert, dass es nunmehr eine dem § 5 Abs. 3 FGO gemäße Besetzung der Richterbank (mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern) ausweist. Der Berichtigungs-Beschluss wirkt auf die Zeit des Wirksamwerdens des berichtigten Urteils (Verkündung, Zustellung) zurück (vgl. BFH-Beschluss vom 23. August 1989 IV R 44/88, BFH/NV 1990, 306, 308, unter 2.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 107 Anm. 6). Die gegen den Berichtigungs-Beschluss eingelegte Beschwerde … hat der erkennende Senat mit Beschluss als unbegründet zurückgewiesen.
Das Sitzungsprotokoll vom 18. November 1999, dem hinsichtlich der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten ―worunter auch die Namen der an der Sitzung teilnehmenden Richter fallen (§ 160 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―)― als öffentliche Urkunde erhöhte Beweiskraft zukommt (§ 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. November 1993 V R 85/92, BFH/NV 1994, 722; Beschluss vom 22. Oktober 1997 XI R 26/97, BFH/NV 1998, 596), bestätigt die vorschriftsmäßige Besetzung des FG-Senats i.S. des § 5 Abs. 3 FGO mit drei (Berufs-)Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern. Verkündungsprotokoll und Urteil tragen ebenso die erforderlichen Unterschriften der drei (Berufs-)Richter.
2. Der Antrag auf Akteneinsicht ist als unzulässig abzulehnen. Denn das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Akteneinsicht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet ist, dem Rechtsschutz zu dienen, weil das eingelegte Rechtsmittel, wie hier die Revision (s. unter 1.), unzulässig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. August 1998 X B 4/98, BFH/NV 1999, 209; vom 5. Juni 2000 II K 1/00, BFH/NV 2000, 1363), zumal die Klägerin über ihren dazu bevollmächtigten Rechtsanwalt Akteneinsicht erhalten hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Der Senat entscheidet gemäß § 126 Abs. 1 i.V.m. § 121, § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
Fundstellen
Haufe-Index 547081 |
BFH/NV 2001, 638 |