Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Vollziehung einer Pfändungsverfügung
Leitsatz (NV)
Hat das FG die "Aufhebung der Vollziehung" einer Pfändungsverfügung angeordnet, so kann unter den Umständen des Streitfalls offen bleiben, ob dadurch lediglich die Einziehung der Forderung blockiert ist oder ob die Finanzbehörde das gepfändete Bankkonto freigeben muss. Dem vom Vollstreckungsschuldner gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, frei über das Konto verfügen zu dürfen, darf das FG jedenfalls dann nicht stattgeben, wenn zwischenzeitlich eine weitere Pfändung des Bankkontos durch einen anderen Gläubiger erfolgt ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 309, 314; FGO § 114 Abs. 1, § 128 Abs. 3
Tatbestand
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Finanzgericht (FG) den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) festzustellen, dass sie über ihr bei der A-Bank geführtes Girokonto frei verfügen dürfe, als unbegründet abgelehnt.
Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung vorausgegangen war eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) vom 4. Oktober 2000, mit welcher das FA das Guthaben der Antragstellerin auf dem genannten Konto in Höhe von ca. 88 000 DM wegen Steuerschulden in Höhe von ca. 110 000 DM in Beschlag genommen hatte. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2000 hatte ein anderer Senat des FG auf Antrag der Antragstellerin die Vollziehung der Pfändungsverfügung bis zum Ablauf von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aufgehoben. Daraufhin hatte das FA der Antragstellerin mitgeteilt, dass die Einziehung der gepfändeten Forderung bis auf weiteres ausgesetzt werde, der übrige Inhalt der Pfändungsverfügung aber unberührt bleibe.
Zur Begründung der Ablehnung des neuerlichen Antrags der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes führte das FG tragend aus, für den gestellten Feststellungsantrag sei, selbst wenn aus der gerichtlich angeordneten Aufhebung der Vollziehung der Pfändungsverfügung ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin gegen das FA auf Freigabe des Guthabens abzuleiten sei (was das FG im Ergebnis offen ließ), jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich, denn am 12. Oktober 2000 sei durch den Sozialversicherungsträger eine weitere Pfändung in das genannte Kontoguthaben erfolgt. Aufgrund dieser zweiten Pfändung könne die Antragstellerin ihr Ziel, frei über das genannte Konto zu verfügen, selbst dann nicht mehr erreichen, wenn das FG nunmehr feststelle, dass der Beschluss über die Aufhebung der Vollziehung vom 10. Oktober 2000 dahin gehend auszulegen sei, dass die Bank (Drittschuldner) Zahlungen aus dem Kontoguthaben an die Antragstellerin leisten dürfe.
Gegen die Ablehnung des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnung durch das FG hat die Antragstellerin außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Rechtswidrigkeit eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Sie ist der Auffassung, die angegriffene Entscheidung liege als solche und in ihrer Begründung außerhalb des rechtlich Zulässigen und Vertretbaren. Das FG lasse die zentrale Frage dieses Rechtsstreits nach den Rechtswirkungen des Beschlusses vom 10. Oktober 2000 offen und stelle ausschließlich Erwägungen über etwaige Auswirkungen der im ersten Verfahren angegriffenen Pfändungsverfügung an, für die nach abschließender und unanfechtbarer Entscheidung des FG in jenem Verfahren hier kein Raum sei.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
1. Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde in der angefochtenen Entscheidung nicht zugelassen und in den Gründen seines Beschlusses zudem zum Ausdruck gebracht, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung seiner Auffassung nach nicht vorliegen und dass die getroffene Entscheidung unanfechtbar ist. Mithin ist die Beschwerde bereits nicht statthaft. Eine Zulassung der Beschwerde in den Fällen des § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO durch den Bundesfinanzhof (BFH) findet nicht statt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 1996 VII B 4/96, BFH/NV 1996, 629; BFH-Beschluss vom 17. Mai 1994 I B 234/93, BFH/NV 1995, 47, unter Verweis auf die fortgeltende Rechtsprechung des BFH zur Vorgängervorschrift des Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
2. Die Beschwerde ist im Streitfall auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit statthaft.
a) Eine solche Beschwerde ist zwar in der FGO nicht vorgesehen, wird ausnahmsweise aber in Fällen, in denen ein Beschluss kraft Gesetzes unanfechtbar wird, dann für zulässig erachtet, wenn der Beschluss unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. Senatsbeschluss vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, m.w.N.).
b) Der Senat kann im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob eine solche "außerordentliche" Beschwerde auch für Fälle in Betracht kommt, in denen die Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO nicht statthaft ist. Denn die Voraussetzungen, unter denen eine solche Beschwerde ausnahmsweise zulässig sein könnte, sind im Streitfall nicht schlüssig dargelegt.
Wieso die angegriffene Entscheidung als solche "außerhalb des rechtlich Zulässigen und Vertretbaren" liegen sollte, wie von der Antragstellerin behauptet, ist nicht ersichtlich. Das FG hat ordnungsgemäß im Verfahren nach § 114 Abs. 1 FGO entschieden. Die Ablehnung des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnung ist eine der möglichen und damit rechtlich zulässigen Entscheidungen, die das FG in diesem Verfahren treffen kann.
Ebenso ist die Antragstellerin eine tragfähige Begründung dafür schuldig geblieben, dass die vom FG gegebene Begründung greifbar gesetzwidrig sein soll. Insbesondere verkennt die im Verfahren fachkundig vertretene Antragstellerin, dass das FG die begehrte Feststellung, die Antragstellerin dürfe über ihr beim Drittschuldner geführtes Konto frei verfügen, schon deswegen nicht treffen durfte, weil dieses Konto infolge der Pfändungsverfügung vom 12. Oktober 2000 durch einen anderen Gläubiger der Antragstellerin in Beschlag genommen worden war. Diese Beschlagnahme zu beurteilen oder gar aufzuheben stand außerhalb der Entscheidungskompetenz des FG in dem von der Antragstellerin geführten Verfahren. Selbst wenn das FG die Wirkungen des FG-Beschlusses vom 10. Oktober 2000 hinsichtlich der Aufhebung der Vollziehung der Pfändungsverfügung vom 4. Oktober 2000 im Sinne der Auffassung der Antragstellerin beurteilt hätte, so hätte dies wegen der nachfolgenden Kontenpfändung durch einen anderen Gläubiger nicht zur begehrten Freigabe des betroffenen Guthabens führen können.
Fundstellen
Haufe-Index 519095 |
BFH/NV 2001, 425 |