Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionseinlegung durch eine Steuerberatungsgesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Eine Steuerberatungsgesellschaft ist vor dem Bundesfinanzhof nicht vertretungsbefugt.
2. Zum Erklärungswert einer auf dem Briefbogen einer GmbH abgegebenen, mit keinerlei Einschränkungen versehenen Erklärung des Geschäftsführers der GmbH.
3. Zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn der Prozeßbevollmächtigte die Absendung der Revisionsbegründungsschrift der Postabfertigung eines Handelsunternehmens überlassen hat.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO §§ 56, 120 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision zu. Das Urteil des FG wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers in der ersten Instanz, der Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH), am 9. Januar 1986 zugestellt.
Unter dem Briefkopf der GmbH, unterzeichnet von ,,AB Steuerberater", Unterschrift, ging am 6. Februar 1986 die Revisionsschrift beim FG ein; im Text des Schreibens ist die ,,Wir"-Form verwandt worden. Auf den Hinweis der Geschäftsstelle des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), daß die Revisionsschrift nicht der Vorschrift des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) entspreche, antwortete die GmbH mit am 12. März 1986 beim BFH eingegangenen Schreiben, daß ihr Steuerberater AB von Anfang an vor dem BFH als Bevollmächtigter bestellt worden sei. Dies sei zwar in der Revisionsschrift nicht ausdrücklich erwähnt worden, jedoch durch die Unterschrift von Herrn B dokumentiert. In der Revisionsbegründungsschrift vom 25. Februar 1986 sei der Steuerberater B ausdrücklich als Prozeßbevollmächtigter aufgeführt. Es werde deshalb gebeten, das Versehen zu entschuldigen. Das Schreiben ist wiederum in der vorerwähnten Weise von dem Steuerberater B unterzeichnet. Die Revisionsbegründungsschrift vom 25. Februar 1986 ging mit gleicher Post am 12. März 1986 beim BFH ein.
Eine auf den Steuerberater AB lautende Prozeßvollmacht der Kläger ist erst nach weiteren Mahnungen am 14. Juli 1986 beim BFH eingegangen.
Mit Schreiben vom 24. März 1986, der GmbH zugestellt am 27. März 1986, machte der Senatsvorsitzende unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf aufmerksam, daß die Revisionsbegründungsschrift erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 6. März 1986 beim BFH eingegangen sei. Der Prozeßbevollmächtigte, Steuerberater B, antwortete daraufhin mit Schreiben vom 2. April 1986, beim BFH eingegangen am 4. April 1986, daß die Revisionsbegründung am 27. Februar 1986 zur Post gegeben worden sei. Als Nachweis füge er eine Kopie aus dem Postausgangsbuch bei. Die Revisionsbegründungsschrift sei also fristgerecht abgesandt worden. Bei der im Schreiben des BFH zitierten Begründung mit Eingang vom 12. März 1986 handele es sich lediglich um die Antwort hinsichtlich des Schreibens des BFH vom 5. März 1986.
Erst auf einen erneuten Hinweis der Geschäftsstelle des VI. Senats des BFH - abgesandt am 10. April 1986 -, daß auch die Revisonsbegründung erst am 12. März 1986 beim BFH eingegangen sei, stellte der Prozeßbevollmächtigte mit Schreiben vom 16. April 1986, beim BFH eingegangen am 17. April 1986, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen begründete er damit, daß er die zuverlässige Postabfertigung der GmbH am 27. Februar 1986 beauftragt habe, die fristgebundene Revisionsbegründung postfertig zu machen. Die Weisung sei eindeutig und rechtzeitig gewesen. Er habe die Angelegenheit nicht besonders im Auge behalten müssen. Die GmbH habe die Büroräume bei der X-Handelsgesellschaft angemietet und lasse den Postausgang durch die X erledigen. Nachdem die Revisionsbegründung ordnungsgemäß am 27. Februar 1986 postfertig gemacht und der X-Postabfertigungsstelle zum Versand übergeben worden sei, müsse der Abgang bei der X aus unerklärlichen Gründen verzögert und das Schreiben erst am 7. März 1986 versandt worden sein.
Die verspätete Beförderung durch die X und somit die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beruhe auf einem nicht von ihm, dem Prozeßbevollmächtigten, zu vertretenden Ereignis, zumal jede ordentliche Sorgfalt innerhalb der Postabfertigung der GmbH beachtet worden sei. Im übrigen brauche sich der Prozeßbevollmächtigte das Verschulden des Büropersonals der X nicht zurechnen zu lassen, da die Versäumung der Frist nicht auf einen Mangel in der Organisation des Büros der GmbH oder in der Überwachung des Personals zurückzuführen sei (Hinweis auf BFH-Urteil vom 7. Oktober 1964 I 117/63 U, BFHE 80, 498, BStBl III 1964, 653).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Revision (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Danach ist eine Steuerberatungsgesellschaft nicht vertretungsbefugt vor dem BFH (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschluß vom 2. August 1979 V R 58/76, BFHE 128, 342, BStBl II 1979, 699).
Im Streitfall ist die Revision von der GmbH und nicht von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegt worden. Das ergibt sich aus der Verwendung eines Briefkopfes der elcon und der Benutzung der ,,Wir"-Form. Als eigene Erklärung des Steuerberaters B kann die Einlegung der Revision nicht angesehen werden; auch kommt eine Umdeutung in eine eigene Erklärung des Steuerberaters B nicht in Betracht, weil dieser ausweislich des Aufdrucks am unteren Rand des Briefbogens Geschäftsführer der GmbH ist. Wie der VIII. Senat des BFH in seinem nicht veröffentlichten Beschluß vom 8. August 1986 VIII R 64/85 (BFH/NV 1987, 182) unter Hinweis auf § 164 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches entschieden hat, muß eine auf dem Briefbogen einer GmbH von deren Geschäftsführer abgegebene Erklärung mangels irgendwelcher Einschränkungen im Interesse der Rechtsklarheit als Erklärung der GmbH angesehen werden.
Da mithin die Revision von einer nicht postulationsfähigen (juristischen) Person eingelegt worden ist, ist sie als unzulässig zu verwerfen.
Im übrigen ist die Revision auch deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht, wie dies § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO vorsieht, die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich begründet hat. Eine Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist nach § 56 FGO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Hinweises durch den BFH, daß die Revisionsbegründungsschrift verspätet eingegangen sei, die Gründe für die Verspätung vorgetragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1973 IV R 204/69, BFHE 110, 232, BStBl II 1973, 823).
Abgesehen davon sind auch die - nach Ablauf der Zweiwochenfrist - vorgetragenen Gründe nicht geeignet, die Versäumung der vorgenannten Frist durch die Kläger zu entschuldigen. Denn der Prozeßbevollmächtigte durfte die Postabfertigung des fristgebundenen Schreibens nicht der X überlassen. Die für die Entschuldigung von Büroversehen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten insoweit schon deshalb nicht, weil es sich bei der X nicht um ein Rechtsanwalts- oder Steuerberatungsbüro, sondern um ein Handelsunternehmen handelt. Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten müssen sich die Kläger aber zurechnen lassen (BFH-Beschluß vom 2. Mai 1973 VIII R 72/71, BFHE 109, 297, BStBl II 1973, 663). Schließlich haben die Kläger bis heute nicht ausreichend glaubhaft gemacht, daß die Revisionsbegründung am 27. Februar 1986 postfertig und der X-Postabfertigungsstelle zum Versand übergeben worden ist; die Glaubhaftmachung wäre aber nach § 56 Abs. 2 FGO erforderlich gewesen.
Fundstellen
Haufe-Index 414956 |
BFH/NV 1987, 387 |