Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht in den Büroräumen des Prozeßbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
Die laufende Monatsfrist für die Entscheidung, ob mündliche Verhandlung gegen einen Gerichtsbescheid beantragt werden soll, begründet für sich keinen Umstand, der ausnahmsweise eine Überlassung der Akten zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen des Prozeßbevollmächtigten rechtfertigt (Anschluß an BFH-Beschluß vom 9. März 1993 VII B 214/92, BFH/NV 1993, 742).
Normenkette
FGO § 78
Tatbestand
Auf die Revision des beklagten Hauptzollamts (HZA) hat der Senat mit Gerichts bescheid das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) wegen eines Begründungs mangels aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Nach Zugang des Gerichtsbescheids beantragte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) die vorübergehende Überlassung der Akten zur Einsicht im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten -- eines Steuerberaters -- zwecks Nachprüfung der Schlußfolgerungen des Gerichtsbescheids und zur Vorbereitung von Entscheidungen für den weiteren Gang des Verfahrens. Zur Begründung verweist sie auf die örtliche Entfernung zum Prozeßgericht, die zeitliche Enge für die Entscheidung, ob gegen den Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung beantragt werden solle, sowie allgemein auf die nicht angemessenen und nicht zumutbaren äußeren Bedingungen der Akteneinsicht an anderer Stelle als in den genannten Büroräumen. Die bisher geübte Praxis, die Akteneinsicht nur bei einem ortsnahen Gericht oder einer Behörde zu gewähren, habe sich in jeder Hinsicht (größerer zeitlicher und organisatorischer Aufwand der Aktenübersendung, zeitliche, räumliche und sonstige Umstände der Akteneinsicht) als unzulänglich und unzumutbar erwiesen. Sie halte die für die bisherige restriktive Handhabung der Aktenübersendung vom BFH gegebene Begründung für nicht überzeugend. Diese werde weder der Stellung des Prozeßbevollmächtigten als eigenständiges Rechtspflegeorgan noch dessen Stellung als Steuerberater gerecht. Sie bitte um nochmalige gründliche Überprüfung der Haltung des Senats.
Entscheidungsgründe
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf seinen dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bekannten Beschluß vom 9. März 1993 VII B 214/92 (BFH/NV 1993, 742), in dem der Senat unter vergleichender Betrachtung der Rechtslage nach den verschiedenen Prozeßordnungen und Würdigung der verfassungsrechtlichen Lage die Umstände dargelegt hat, unter denen im finanzgerichtlichen Verfahren ausnahmsweise eine Überlassung der Akten zur Einsichtnahme in den Geschäftsräumen eines Prozeßbevollmächtigten in Betracht kommt.
Das Vorbringen der Klägerin gibt keinen Anlaß, von dieser Entscheidung abzuweichen. Insbesondere ist darauf zu verweisen, daß der Prozeßbevollmächtigte das Recht auf Akteneinsicht für den Beteiligten i. S. des § 57 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wahrnimmt, er also an dessen Stelle tritt und damit auch den für den "Beteiligten" i. S. des § 78 Abs. 1 FGO geltenden Bedingungen unterworfen ist. Die Rechtsstellung des Prozeßbevollmächtigten ist daher in bezug auf das Akteneinsichtsrecht im Grundsatz nicht anders zu beurteilen als die des Beteiligten selbst. Seiner besonderen Stellung als eigenständiges Rechtspflegeorgan wird ausreichend bei der Ausübung der gerichtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 78 Abs. 1 FGO Rechnung getragen.
Die Klägerin hat keine besonderen Gründe vorgetragen, die eine Aktenübersendung in die Geschäftsräume ihres Prozeßbevollmächtigten geboten erscheinen lassen. Gründe der Zeitersparnis und der Bequemlichkeit, wie sie im Streitfall geltend gemacht worden sind, begründen noch keinen Sonderfall i. S. des vorgenannten Senatsbeschlusses. Auch die laufende Monatsfrist gemäß § 90 a Abs. 2 Nr. 3 FGO für die Entscheidung, ob mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid beantragt werden soll, führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn, wie vorgetragen, die Übersendung der Akten in die Geschäftsräume des Prozeßbevollmächtigten gegenüber einer Übersendung der Akten an ein ortsnahes Gericht bzw. an eine nahegelegene Behörde eine Zeitersparnis mit sich brächte, könnte diese wohl angesichts der zur Verfügung stehenden Monatsfrist allenfalls als geringfügig, jedenfalls nicht als so gewichtig angesehen werden, daß unter Berücksichtigung der übrigen, in der oben genannten Entscheidung dargelegten Gesichtspunkte bei der Ermessensentscheidung eine Überlassung der Akten zur Einsicht in den Büroräumen des Prozeßbevollmächtigten geboten wäre.
Im übrigen ist die fristgerechte Stellung des Antrags auf mündliche Verhandlung nicht von der vorherigen Einsichtnahme in die Akten abhängig. Es bleibt der Klägerin unbenommen, auch nach Stellung des Antrags auf mündliche Verhandlung Akteneinsicht durch ihren Prozeßbevollmächtigten bei einem in dessen Nähe gelegenen Gericht oder einer sonstigen Dienststelle zu beantragen.
Fundstellen