Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Hat das FG im Hauptverfahren der Klage stattgegeben, so kann der Steuerpflichtige die Erstattung von Steuern nicht im Aussetzungsverfahren nach § 69 FGO, sondern nur im Erstattungsverfahren nach §§ 150 ff., 229 Nr. 7 AO begehren. Dies gilt auch, wenn das FA das Urteil des FG mit der Revision angefochten hat.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3; AO §§ 150-151, 218 Abs. 4
Tatbestand
In dem beim Senat unter dem Aktenzeichen VI R 113/66 anhängigen Hauptverfahren ist streitig, ob die Steuerpflichtige (Stpfl.) in der Bilanz zum 31. Dezember 1961 eine gewinnmindernde Rückstellung von 32.580 DM für etwaige Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls bilden durfte, den ihr Kommanditist auf einer betrieblichen Fahrt mit einem firmeneigenen Pkw schuldhaft verursacht hatte. Die Berufung der Stpfl. gegen den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1961 hatte Erfolg. Das FA hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Stpfl., die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids aufzuheben, soweit der Bescheid des FA dem Urteil des FG widerspricht. Nach ihrer Ansicht bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß das Urteil des FG richtig ist. Sie bestreitet nicht, daß ihre Gesellschafter bereits freiwillig die Einkommensteuer voll geleistet haben, die sich auf Grund des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids ergab. Sie meint jedoch, diese Zahlungen ständen der Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids nicht entgegen. § 69 FGO wolle den Steuerpflichtigen vor unberechtigten Forderungen der Finanzverwaltungsbehörden schützen. Vollziehung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet daher jede Verwirklichung eines angefochtenen Steuerbescheids, auch wenn sie nicht durch Beitreibungsmaßnahmen der Verwaltungsbehörde veranlaßt sei.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO in Verbindung mit Abs. 2 kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheids und der auf ihm beruhenden Steuerbescheide aussetzen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht nach § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat die Vollziehung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids 1961 und der Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter noch aussetzen oder aufheben kann, wenn die Gesellschafter die Steuern, um die der Streit letztlich geht, bereits freiwillig entrichtet haben (vgl. Beschluß des BFH I B 3/66 vom 9. August 1966, BFH 86, 723 BStBl III 1966, 646).
Die Vollziehung dieser Bescheide kann hier jedenfalls schon deswegen nicht ausgesetzt (aufgehoben) werden, weil das FG im Hauptverfahren dem Begehren der Stpfl. in vollem Umfang stattgegeben und den Feststellungsbescheid entsprechend geändert hat. Die Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung setzt voraus, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen. Hat das FG jedoch den Bescheid geändert, soweit er angefochten wurde, so besteht insoweit kein aussetzungsfähiger Steuerbescheid mehr.
Dem steht nicht entgegen, daß das FA das Urteil des FG mit der Revision angefochten hat; denn durch die Einlegung eines Rechtsmittels werden die Wirkungen eines Urteils weder aufgehoben noch aufgeschoben.
Das Begehren der Stpfl. richtet sich im Grunde nicht auf die Aufhebung der Vollziehung der Steuerbescheide, sondern auf die Erstattung der Einkommensteuer, soweit sie, wenn man das Urteil des FG zugrunde legt, zu Unrecht gezahlt ist. Für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen hat der Gesetzgeber jedoch ein besonderes Verfahren vorgesehen. Die Erstattung ist nach § 150 Abs. 1 AO beim FA zu beantragen, wenn das FA nach § 218 Abs. 4 AO die Einkommensteuerbescheide berichtigt hat. Lehnt das FA die Erstattung ab, so muß es nach § 150 Abs. 2 AO einen schriftlichen Bescheid erteilen, gegen den die Gesellschafter nach § 229 Nr. 7 AO Einspruch einlegen können; die Einspruchsentscheidungen sind mit der Klage anfechtbar.
Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das FA schon während des Revisionsverfahrens gemäß dem Urteil des FG die Einkommensteuerbescheide berichtigen und die gezahlte Einkommensteuer erstatten muß, braucht der Senat in diesem Verfahren nicht Stellung zu nehmen. Diese Fragen sind vielmehr in dem etwaigen Erstattungsverfahren zu klären.
Fundstellen
Haufe-Index 412690 |
BStBl III 1967, 542 |
BFHE 1967, 105 |
BFHE 89, 105 |