Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Sicherung der Rechtsprechungseinheit; formeller Bilanzenzusammenhang
Leitsatz (NV)
1. Die Abweichung eines FG-Urteils von einer höchstrichterlichen Entscheidung rechtfertigt die Zulassung der Revision. Eine solche Abweichung liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn das FG die einschlägige BFH-Rechtsprechung übersehen oder unrichtig angewandt hat.
2. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs in Schätzungsfällen nur eingeschränkt gilt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Anschluss an eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs eingreift.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, wurde für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1996 nach Maßgabe der von ihr eingereichten Steuererklärungen zur Körperschaftsteuer veranlagt. Da sie für 1997 weder eine Bilanz noch eine Steuererklärung abgegeben hatte, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für dieses Jahr die Steuer nach Maßgabe geschätzter Besteuerungsgrundlagen fest. Er ging dabei von einem Gewinn in Höhe von 60 000 DM aus. Der entsprechende Bescheid erging ohne Vorbehalt der Nachprüfung und wurde bestandskräftig.
Im Oktober 1999 reichte die Klägerin Bilanzen und Steuererklärungen für das Jahr 1997 sowie für das Streitjahr (1998) ein. Daraus ergab sich für 1997 ein Verlust in Höhe von 86 661,08 DM und für das Streitjahr ein Gewinn von 81 872 DM. Das FA lehnte daraufhin eine Änderung der Steuerbescheide für 1997 ab und legte der Veranlagung der Klägerin für das Streitjahr den erklärten Gewinn zu Grunde.
Kurz vor Absendung der betreffenden Bescheide hatte die Klägerin eine geänderte Steuererklärung für das Streitjahr eingereicht, in der sie zusätzlich zu den bis dahin erklärten Besteuerungsgrundlagen einen außerordentlichen Aufwand in Höhe von 146 661,06 DM auswies. Dabei handelt es sich um den Differenzbetrag zwischen dem vom FA für 1997 berücksichtigten Gewinn und dem von der Klägerin selbst für dieses Jahr erklärten Verlust. Zur Erläuterung führte die Klägerin aus, dass diese Position nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs bei der Besteuerung für das Streitjahr berücksichtigt werden müsse. Dem folgte das FA nicht. Die daraufhin erhobene, auf den Erlass entsprechender Änderungsbescheide gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin u.a. geltend, dass das FG-Urteil von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche. Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat einen Grund für die Zulassung der Revision nicht dargelegt.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn entweder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2). Wird auf einen dieser Zulassungsgründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss dessen Vorliegen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Anderenfalls ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
2. Im Streitfall macht die Klägerin vor allem geltend, dass das angefochtene Urteil von mehreren Entscheidungen des BFH abweiche. Das ist zwar insoweit im Ansatz zutreffend, als die Abweichung eines FG-Urteils von einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO führen kann. Eine solche Abweichung liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn das FG die einschlägige BFH-Rechtsprechung übersehen oder unrichtig angewandt hat. Sie ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das FG-Urteil von einem Rechtssatz getragen wird, der einem ebenfalls tragenden Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung zuwiderläuft. Dies muss deshalb zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, die sich auf den Gesichtspunkt der Abweichung stützt, dargelegt werden (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80; vom 6. Oktober 2003 VII B 67/03, BFH/NV 2004, 214, m.w.N.).
Dem wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin beschränkt sich darauf, drei ihrer Ansicht nach einschlägige BFH-Entscheidungen zu benennen und eine Abweichung des FG-Urteils von diesen Entscheidungen zu behaupten. Eine Gegenüberstellung abstrakter Rechtssätze aus dem FG-Urteil einerseits und den zitierten BFH-Entscheidungen andererseits enthält die Beschwerdebegründung nicht. Damit macht die Klägerin letztlich nur geltend, dass das FG den Rechtsstreit falsch entschieden habe. Das aber ist kein Grund für eine Zulassung der Revision (BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495; vom 14. August 2003 I B 27/03, BFH/NV 2004, 63; vom 15. Oktober 2003 III B 114/02, BFH/NV 2004, 223, jeweils m.w.N.).
3. Die "hilfsweise" geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Das FG hat seine Entscheidung vor allem damit begründet, dass der von der Klägerin in Anspruch genommene Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs in Schätzungsfällen nur eingeschränkt gelte, und sich dazu auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 10. Oktober 1933 I A 259/32, RStBl 1934, 141; BFH-Urteil vom 29. November 1967 I 221/64, BFHE 91, 76, BStBl II 1968, 261; BFH-Beschluss vom 4. März 1998 XI S 1/98, BFH/NV 1999, 21) sowie auf das ihr zustimmende Schrifttum (Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 4 EStG Anm. 438; Wacker in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 339; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 4 Rz. 696; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. C 141) gestützt. Darauf geht die Klägerin nicht ein. Insbesondere stellt sie nicht dar, weshalb die Geltung des Bilanzenzusammenhangs in Schätzungsfällen Rechtsfragen aufwirft, die trotz der vom FG herangezogenen Rechtsprechung klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sind. Damit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der rechtlichen Situation, die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung notwendig wäre (BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2003 IV B 61/02, BFH/NV 2004, 500).
Fundstellen
BFH/NV 2004, 1642 |
DB 2005, 13 |
DB 2005, 5 |