Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluß gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO
Leitsatz (NV)
Die Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluß, mit der die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht wird, führt dazu, daß der Einstellungsbeschluß aufgehoben wird und daß die Sache an das FG zurückverwiesen wird, damit die ses im Urteilsverfahren sachlich über die Klage entscheidet oder ausspricht, daß die Klage zurückgenommen ist.
Normenkette
FGO § 72 Abs. 2 S. 2, § 128 Abs. 1, § 143 Abs. 2; GKG § 8 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzungen verschiedener Jahre Klage erhoben. Im Termin vom 8. Mai 1985 erklärten die damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers in mehreren Streitsachen, daß sie die Klage zurücknehmen.
Das Finanzgericht (FG) hat mit Beschluß vom 18. Juli 1985 das Verfahren gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt.
Der Kläger hat den Einstellungsbeschluß mit der Beschwerde angefochten. Seine Prozeßbevollmächtigten haben zur Begründung der Beschwerde nichts vorgetragen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat mit Schreiben vom 20. Februar 1986 zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Einstellungsbeschlusses des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Es liegt eine Beschwerde gegen den Beschluß des FG vom 18. Juli 1985 vor. Der Kläger hat in seinen Schreiben vom 6. und 13. September 1985 deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er Beschwerde einlegen will. Bei dieser Sachlage ist für eine Umdeutung der Beschwerde in eine Anregung an das FG, das Verfahren fortzusetzen, kein Raum (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Juni 1982 VII B 12/82, nicht veröffentlicht).
2. Gegen einen Einstellungsbeschluß gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Beschwerde, mit welcher die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht wird, statthaft (BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 1972 II B 26/69, BFHE 104, 291, BStBl II 1972, 352; vom 9. Mai 1972 IV B 99/70, BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543; vom 30. Januar 1980 VI B 116/79, BFHE 129, 538, BStBl II 1980, 300). Die Statthaftigkeit folgt aus § 128 Abs. 1 FGO, wonach gegen Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, den Beteiligten die Beschwerde an den BFH zusteht, soweit in der FGO nichts anderes bestimmt ist. Eine die Statthaftigkeit ausschließende Bestimmung ist in der FGO nicht enthalten.
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann der Streit über die Klagerücknahme nicht im Beschwerdeverfahren gegen den Einstellungsbeschluß entschieden werden. Vielmehr muß die Beschwerde dazu führen, daß der Einstellungsbeschluß aufgehoben wird und daß die Sache an das FG zurückverwiesen wird, damit dieses im Urteilsverfahren sachlich über die Klage entscheidet oder ausspricht, daß die Klage zurückgenommen ist (Beschlüsse in BFHE 104, 291, BStBl II 1972, 352; BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543; BFHE 129, 538, BStBl II 1980, 300; vom 21. Februar 1985 V B 75/84, BFH/NV 1986, 99).
4. Durch die Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, daß die Klagerücknahme unwirksam sei. Damit war der Einstellungsbeschluß gegenstandslos geworden und aufzuheben. Das FG hat das von ihm eingestellte Verfahren zur Klärung der Rechtslage fortzusetzen.
5. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, daß die Kosten eines Rechtsstreits dem zur Last fallen, der im Ergebnis unterliegt, bleibt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch das FG vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO). Das FG wird dabei auch prüfen müssen, ob von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes abzusehen ist, weil solche Kosten bei der gebotenen Abhilfe der Beschwerde vermieden worden wären.
Fundstellen
Haufe-Index 423438 |
BFH/NV 1987, 524 |