Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe an Nichterben
Leitsatz (NV)
Die Einziehung des Erbscheines nach Auffinden eines Testaments führt nicht zur Nichtigkeit der Steuerbescheide, die an die im aufgehobenen Erbschein als Erben bezeichneten Personen bekannt gegeben worden sind.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war lt. Erbschein vom 23. August 1983 neben seiner Mutter, A, und seinem Bruder, B, zu einem Drittel Erbe nach seinem verstorbenen Vater, C, der eine …warenfabrik betrieben hatte. Der Umsatzsteuerbescheid für 1983 für den verstorbenen C wurde jeweils jedem Miterben für die Erbengemeinschaft bekannt gegeben.
Nachdem der Antragsteller ein Testament des Verstorbenen vorgelegt hatte, wonach nur er und sein Bruder als Erben eingesetzt sind, zog das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. August 1996 unter Hinweis darauf den Erbschein ein. Der Antragsteller ist zwischenzeitlich auch Erbe seiner am 12. August 1995 verstorbenen Mutter.
Am 25. Juli 2000 beantragte der Antragsteller als Rechtsnachfolger seiner Mutter beim Finanzgericht (FG), ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für die beabsichtigte Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des an die Verstorbene als Miterbin nach C gerichteten Umsatzsteuerbescheides für 1983 zu gewähren; er ist der Auffassung, dieser Bescheid sei nicht wirksam bekannt gegeben, weil er einer Nichterbin, seiner Mutter, bekannt gegeben worden sei. Der Bescheid müsse, wenn er Rechtswirkungen erzeugen solle, dem richtigen Adressaten erneut bekannt gegeben werden. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) habe entsprechende Anträge nicht beschieden.
Das FG wies den Antrag als unbegründet zurück, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Er beantragt sinngemäß, seinem Antrag auf PKH für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des streitigen Umsatzsteuerbescheides stattzugeben.
Der FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Auf Antrag erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Außerdem sind dem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierfür ist die Verwendung des amtlichen Vordrucks zwingend vorgeschrieben (§ 117 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach der für das PKH-Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. Mai 1992 VII S 2/92, BFH/NV 1993, 262) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Ein besonders schwerwiegender Fehler dieser Art kann vorliegen, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Zur inhaltlichen Bestimmtheit gehört auch, dass der Verwaltungsakt klar erkennen lässt, gegen wen er sich richtet (z.B. BFH-Beschluss vom 17. November 1987 V B 111/87, BFH/NV 1988, 682; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 31/93, BFH/NV 1995, 576). Sind Steuerschuldner und Bekanntgabeadressat eindeutig bezeichnet, so ist der Steuerbescheid auch dann rechtswirksam, wenn die angegebene Person tatsächlich nicht der richtige Steuerschuldner sein sollte; der Bescheid ist in diesem Fall zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig (BFH-Beschluss in BFH/NV 1988, 682; BFH-Urteil vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90, BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480, m.w.N.).
Das FA hat den Umsatzsteuerbescheid für 1983 am 9. Juni 1988 zu Recht jeweils den im Erbschein vom 23. August 1983 genannten Erben, zu denen auch A gehörte, als Miterben für die Erbengemeinschaft nach C bekannt gegeben. Die Einziehung des Erbscheins nach Bekanntwerden eines Testamtens, in dem nur der Bruder und der Antragsteller als Erben eingesetzt waren, durch Beschluss des Amtsgerichts vom 5. August 1996 führt nicht zur Nichtigkeit der bisherigen Bescheide.
Fundstellen
BFH/NV 2001, 1522 |
ErbBstg 2002, 65 |