Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO ist ein Rechtsbehelf im Sinne des § 141 FGO.
2. Die Anordnung des Senatsvorsitzenden des Gerichts, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dem Antragsgegner unter Bestimmung einer Frist zur Äußerung zuzustellen, ist eine gerichtliche Verfügung im Sinne des § 141 FGO.
2. Bei der Berechnung der Gerichtsgebühren für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO ist § 39 GKG anzuwenden.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 1, § 141; GKG §§ 39, 42
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 8. Oktober 1966 an das FG, die Vollziehung von insgesamt 33 Zollbescheiden auszusetzen, soweit darin Ausgleichsteuer im Gesamtbetrag von 12 561,17 DM festgesetzt sei. Der Senatsvorsitzende des FG ordnete am 27. Oktober 1966 u. a. folgendes an: "Antrag zustellen gegen EB, Frist zur Stellungnahme: 20.11.1966." Mit Schriftsatz vom 25. August 1967 nahm die Beschwerdeführerin den Antrag zurück. Aufgrund der Kostenrechnung vom 13. November 1967 wurde von der Beschwerdeführerin eine unter Anwendung des § 42 GKG auf 1/4 ermäßigte Prozeßgebühr in Höhe von 11,30 DM angefordert, deren Berechnung ein Streitwert von 1 254 DM zugrunde gelegt worden war. Die Beschwerdeführerin legte dagegen Erinnerung ein, die das FG durch Beschluß vom 12. Februar 1968 als unbegründet zurückwies. In den Gründen führte das FG aus, der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei kein Rechtsbehelf im Sinne von § 141 FGO. In dieser Vorschrift sei in erster Linie an Klagen gedacht. Das ergebe sich auch aus dem Hinweis in Satz 2 dieser Vorschrift auf den Erlaß eines Vorbescheides und auf die Erörterung der Streitsache in mündlicher Verhandlung. In Aussetzungssachen könne das Gericht nicht durch Vorbescheid entscheiden. Eine mündliche Verhandlung sei im Regelfall nicht vorgesehen. § 141 FGO passe auch deshalb nicht, weil die Gebühr danach nur auf die Hälfte zu ermäßigen sei. Nach §§ 140 Abs. 1 FGO, 42 GKG sei die Gebühr dagegen auf 1/4 zu ermäßigen. Eine gerichtliche Verfügung sei ergangen. Gegen den Beschluß wurde durch den BFH die Beschwerde zugelassen.
Mit der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, nach § 141 FGO sei von der Gebührenerhebung abzusehen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei ein Rechtsbehelf im Sinne dieser Vorschrift. Die rein schematisch oder routinemäßig vorgenommenen Tätigkeiten des Senatsvorsitzenden bzw. der Geschäftsstelle seien keine gerichtliche Verfügung im Sinne des § 141 FGO. Bei Klagen reiche die Tätigkeit des Gerichts zwischen dem Eingang der Klage und der Terminanberaumung für die Entstehung einer Gebühr und für eine gerichtliche Verfügung im Sinne von § 141 FGO nicht aus. Das folge aus dem der Gebührenerhebung zugrunde liegenden Leistungsgedanken und aus einem Vergleich des § 141 FGO mit § 35 GKG. Wenn die Gebühr sich nach § 35 Abs. 2 GKG bei einer Zurücknahme der Klage nach Terminsbestimmung, aber vor der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung auf 1/4 und nach § 141 Satz 1 FGO bei einer Zurücknahme des Rechtsbehelfs nach einer gerichtlichen Verfügung nur auf die Hälfte ermäßige, so sei daraus zu entnehmen, daß das FG mehr tun müsse als das Zivilgericht. Außerdem könne der Antragsteller niemals in den Genuß der Vergünstigung nach § 141 Satz 1 FGO gelangen, wenn schon die Zustellung des Rechtsbehelfs als gerichtliche Verfügung angesehen werde, da das Gericht die Klage oder den Antrag dem Gegner bereits unverzüglich nach Eingang zustelle. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß bereits eine gerichtliche Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO ergangen sei, so sei die nach § 141 Satz 2 FGO zu ermäßigende Gebühr zunächst unter Berücksichtigung des § 42 GKG zu berechnen.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluß des FG und die Kostenrechnung aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Erhebung eines Viertels der vollen Gebühr ist im vorliegenden Fall im Ergebnis gerechtfertigt. Allerdings richtet sich die Gebührenerhebung nach den §§ 140 Abs. 1, 141 Satz 2 FGO, 39 GKG und nicht nach § 42 GKG. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist, wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt hat, ein Rechtsbehelf im Sinne des § 141 FGO. Als Rechtsbehelf wird jedes prozessuale Mittel angesehen, das der Verwirklichung eines Rechtes dient (Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., Grundzüge 1 A vor § 511). Dazu gehören auch Anträge, mit denen erreicht werden soll, daß ein Verwaltungsakt einstweilen nicht vollzogen wird (vgl. Klinger, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., vor § 124 A I; Redecker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 124 Anm. 1; Schunckde Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., Erl. vor § 124), also auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im finanzgerichtlichen Verfahren (Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V, 1.-5. Aufl., FGO vor §§ 115 bis 127 Anm. 1 und 2; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 1966, § 44 Tz. 9; Ziemer-Haarmann, Einspruch, Beschwerde und Klage in Steuersachen, 1967, Rdnrn. 36, 43). Es besteht auch unter Berücksichtigung des § 141 Satz 2 FGO kein Grund, den Begriff des Rechtsbehelfs in § 141 FGO so einzuschränken, daß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht darunter fällt. Dem FG ist zwar darin zuzustimmen, daß § 141 Satz 2 FGO durch die Erwähnung des Vorbescheides und der mündlichen Verhandlung besonders auf die Zurücknahme von Klagen, aber auch von Revisionen abgestellt ist, weil bei anderen Rechtsbehelfen ein Vorbescheid nicht in Betracht kommt und eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und in der Regel auch nicht durchgeführt wird. Das ist aber keine hinreichende Grundlage für die Folgerung, daß § 141 Satz 2 FGO bei der Zurücknahme anderer Rechtsbehelfe als Klagen und Revisionen nicht anzuwenden sei. Nach dem Wortlaut und Sinn dieser Vorschrift wird durch sie auch die Gebührenfreiheit und die Gebührenermäßigung bei der Zurücknahme anderer Rechtsbehelfe im finanzgerichtlichen Verfahren besonders geregelt (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4).
Die Anordnung des Senatsvorsitzenden, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zuzustellen und eine Frist zur Stellungnahme zu setzen, ist auch eine gerichtliche Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO (vgl. Beschlüsse des FG Rheinland-Pfalz II 367/66 vom 19. Dezember 1966, EFG 1967, 142, des FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, II 8760/67 Z vom 4. September 1967, EFG 1968, 31, und des Niedersächsischen FG VII 66-68/67 E vom 25. Januar 1968, EFG 1968, 220; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, Bd. III, 9. Aufl., FGO § 141 Erläuterungen 3; Eisenberg: Das Kostenrecht nach der Finanzgerichtsordnung, "Deutsches Steuerrecht", 1966 S. 417; vgl. auch Beschluß des OLG München 11 W 599/62 vom 22. November 1962, "Der deutsche Rechtspfleger", 1967 S. 135).
Was als gerichtliche Verfügung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, wird in der FGO nicht näher bestimmt. Aus § 141 Satz 1 FGO ist aber zu entnehmen, daß darunter Maßnahmen fallen, die von seiten des Gerichts während des gerichtlichen Verfahrens getroffen werden. Daraus ist zu entnehmen, daß der Begriff der gerichtlichen Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO unter Berücksichtigung der Einteilung der gerichtlichen Entscheidungen in Urteile, Beschlüsse und Verfügungen, wie sie im Verfahrensrecht allgemein vorgenommen wird (vgl. Baumbach-Lauterbach, a .a. O., Übersicht vor § 300 Anm. 1 A; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Bd. II, Teil 1, 1957, § 300 A II; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 95 Anm. 1), zu verstehen ist. Der Begriff der Verfügung wird dabei zur Bezeichnung der Entscheidung des Vorsitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 54 III 2; Wieczorek, a. a. O., § 300 A II a 1) oder auch für Maßnahmen der Geschäftsstelle des Gerichts (Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., vor § 300 II, 1) verwendet. Soweit diese Entscheidungen von einem Richter getroffen werden, dient die Bezeichnung als Verfügung auch dazu, die Entscheidungen von den Beschlüssen zu unterscheiden, die vom Kollegium getroffen werden (vgl. Stein-Jonas, a. a. O.; Wieczorek, a. a. O., § 300 A II a 1). Inhaltlich sind die Verfügungen in der Regel auf die Prozeßleitung (vgl. Rosenberg, a. a. O.) und damit auf den sachgemäßen Verlauf des Verfahrens (vgl. Baumbach, a. a. O., Übersicht 2 vor § 128; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 128 Anm. 11) gerichtet. In Anlehnung an diesen Begriff der Verfügung, wie er im Verfahrensrecht allgemein verstanden wird, ist der Begriff der gerichtlichen Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO dahin auszulegen, daß darunter grundsätzlich solche Maßnahmen des Vorsitzenden oder eines anderen Gerichtsmitgliedes (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4) fallen, die der Leitung des Verfahrens dienen sollen. Ob auch Beschlüsse des Gerichts, die einen derartigen Inhalt haben (vgl. Wieczorek, a. a. O., § 300 A II a; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4), als gerichtliche Verfügungen im Sinne von § 141 Satz 1 FGO anzusehen sind, braucht nicht entschieden zu werden. Im vorliegenden Fall ist eine Maßnahme des Senatsvorsitzenden des FG Gegenstand der Entscheidung, die kein Beschluß ist. Diese Maßnahme erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen für eine Verfügung.
In der Rechtsprechung und Literatur ist der Begriff der gerichtlichen Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO gegenüber den vorstehenden Ausführungen enger bestimmt worden. Die Grenzen sind dabei nach verschiedenen Gesichtspunkten gezogen worden.
Zunächst wird die Auffassung vertreten, daß nur solche Verfügungen die Gebührenfreiheit nach § 141 Satz 1 FGO ausschließen, die eine Beziehung zur späteren Sachentscheidung haben und den Prozeß fördern oder zumindest fördern sollen (vgl. Beschlüsse des FG Rheinland-Pfalz II 367/66 vom 19. Dezember 1966, a. a. O., sowie des FG Baden-Württemberg II 8760/67 Z vom 4. September 1967, a. a. O.; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4; Kühn, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung - 9. Auflage -, FGO § 141 Anm. 1; ähnlich Beschluß des Niedersächsischen FG VII 66-68/67 E vom 25. Januar 1968, a. a. O.; Becker-Riewald-Koch, a. a. O., FGO § 141 Erläuterung 2; vgl. auch Beschluß des BGH I ZR 140/53 vom 24. September 1954, "Der deutsche Rechtspfleger", 1959 S. 2). Ob eine solche Einengung gerechtfertigt ist, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Die Anordnung des Senatsvorsitzenden des FG ist auch dann als gerichtliche Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO anzusehen, wenn man den genannten einengenden Auffassungen folgt. Durch diese Anordnung sollte dem anderen Beteiligten des Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung rechtliches Gehör gewährt werden. Eine solche Entscheidung steht in Beziehung zur späteren Sachentscheidung und fördert auch das Verfahren.
Es werden weiter die Auffassungen vertreten, daß "rein geschäftsmäßige Verfügungen" (Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4) oder "gerichtsinterne Maßnahmen" (Becker-Riewald-Koch, a. a. O., FGO § 141 Erläuterung 2) nicht als gerichtliche Verfügungen im Sinne von § 141 Satz 1 FGO anzusehen sind. Danach soll die Gebührenfreiheit offenbar nicht durch solche Verfügungen ausgeschlossen werden, die die Behandlung und Bearbeitung der Akten im Bereich des Gerichts betreffen. Auch bei einer solchen Einengung ist die Anordnung des Senatsvorsitzenden des FG eine gerichtliche Verfügung, da sie nicht nur auf die Behandlung und Bearbeitung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung im Bereich des Gerichts gerichtet war. Es braucht demnach im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, ob auch solche Maßnahmen gerichtliche Verfügungen im Sinne von § 141 Satz 1 FGO sind.
Mit dem Einwand, daß eine rein schematisch oder routinemäßig vorgenommene Tätigkeit des Vorsitzenden nicht als gerichtliche Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO angesehen werden könne, will die Beschwerdeführerin solche Verfügungen ausgeschlossen wissen, die sich häufig unmittelbar an den Eingang eines Rechtsbehelfs bei Gericht anschließen und die eine sachliche Prüfung des Rechtsbehelfs nicht unbedingt voraussetzen (ähnlich Beilfuß: Die Gebührenfreiheit im Steuerprozeß, "Der Betrieb", 1966 S. 1862). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß § 141 Satz 1 FGO die Gebührenfreiheit lediglich davon abhängig macht, ob die Tätigkeit des Gerichts als Verfügung anzusehen ist. Auf die Tätigkeit, die der Verfügung vorausgeht, kann demnach nicht abgestellt werden.
Daß es auf die vorangehende Tätigkeit ankomme, kann auch nicht damit begründet werden, daß der Gebührenerhebung der Leistungsgedanke zugrunde liege und daß § 35 Abs. 2 GKG zu einer weitergehenden Vergünstigung führe als § 141 Satz 2 FGO. Wie bereits ausgeführt worden ist, ist die Gebührenfreiheit und Gebührenermäßigung für den Fall der Zurücknahme eines Rechtsbehelfs im finanzgerichtlichen Verfahren in § 141 FGO besonders geregelt worden. Die Regelung in dieser Vorschrift beruht zwar wie die in § 35 GKG auf dem Gedanken, die Gebühren nach dem Maß der Tätigkeit abzustufen, die das Gericht bis zur Rücknahme entfaltet hat (Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 141 Anm. 4). Unter Berücksichtigung der Eigenart des finanzgerichtlichen Verfahrens ist das Maß der gerichtlichen Tätigkeit, von der die Gebührenfreiheit oder die Gebührenermäßigung abhängt, in § 141 FGO aber besonders bestimmt worden. Es besteht demnach kein Grund, die Anwendung des § 141 FGO dann nach den Vorschriften des GKG auszurichten, wenn diese im Einzelfall für den Beteiligten zu günstigeren Gebührenfolgen führen würden als § 141 FGO.
Aus ähnlichen Erwägungen kann auch den Auffassungen nicht gefolgt werden, daß in Verfahren ohne mündliche Verhandlung erst die Festsetzung des Beratungstermins als gerichtliche Verfügung anzusehen sei (vgl. Görg-Müller, Finanzgerichtsordnung, 1966, Rdnr. 768) oder daß eine gerichtliche Verfügung nur dann vorliege, wenn durch die richterliche Maßnahme eine Verpflichtung der Prozeßparteien begründet werde (Beschluß des FG Berlin III 198/65 vom 15. September 1966, EFG 1966, 576). Für derartige besondere Anforderungen an den Inhalt oder an die Auswirkungen der gerichtlichen Verfügung im Sinne von § 141 Satz 1 FGO ist eine Rechtsgrundlage ebensowenig vorhanden, wie für besondere Anforderungen an die Tätigkeit des Gerichts, die der Verfügung vorangegangen ist.
Für die Gebührenberechnung hinsichtlich der Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO wird die Auffassung vertreten, daß ihr die volle Gebühr nach dem in der Regel auf 10 v. H. bemessenen Streitwert zugrunde zu legen sei (vgl. Becker-Riewald-Koch, a. a. O., § 69 Anm. 4 Abs. 9). Dieser Auffassung vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. In den §§ 39 und 42 GKG kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß für Verfahren, die auf Entscheidungen vorläufiger oder einstweiliger Art gerichtet sind, nicht die vollen Gebühren zu erheben sind. Das ist im Hinblick auf § 140 Abs. 1 FGO auch bei der Gebührenerhebung für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO zu beachten.
Allerdings ist die nach § 141 Satz 2 FGO auf die Hälfte zu ermäßigende Gebühr für dieses Verfahren unter Anwendung des § 39 GKG und nicht nach § 42 GKG zu berechnen. Das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO entspricht mehr dem auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung als dem auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung (vgl. Beschluß des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster IV A 25/50 vom 1. März 1951, Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg Bd. 4 S. 118). Zur Begründung der gegenteiligen Meinung (vgl. Beschluß des Landesverwaltungsgerichts Düsseldorf 2 L 1297/57 vom 20. Dezember 1957, Deutsches Verwaltungsblatt 1958 S. 329; Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover I D 28/61 vom 11. Juli 1962, Tschischgale-Luetgebrune-Lappe, Kostenrechtsprechung, GKG § 42 Nr. 1) wird ausgeführt, daß die Aussetzung der Vollziehung deshalb der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung gleichzustellen sei, weil ihre Auswirkung in der vorläufigen Hemmung der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes bestehe und darin der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung vergleichbar sei. Für die Entscheidung, ob bei der Gebührenerhebung für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO, § 39 GKG oder § 42 GKG zu berücksichtigen ist, darf aber nicht auf die Auswirkung der Entscheidung abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr, daß das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung selbständig durchgeführt wird und daß die Entscheidung, soweit sie von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes abhängt, eine sachliche Prüfung dieser Rechtmäßigkeit erfordert, die allerdings summarisch vorgenommen werden kann (vgl. Beschluß des FG Münster VI 1362-1365/66 A vom 27. Juli 1966, EFG 1966, 573 [574]). Darin ähnelt das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO mehr dem auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung als dem auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Dafür, daß die Gerichtsgebühr unter Anwendung des § 39 GKG und nicht nach § 42 GKG zu berechnen ist, spricht auch die Änderung des § 114 Abs. 5 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte durch Gesetz vom 30. Juni 1965 (Bundesgesetzblatt I 1965 S. 577). In dieser Änderung kommt zum Ausdruck, daß auch der Gesetzgeber die Verfahren auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung und auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung gebührenrechtlich nicht gleichgestellt wissen will und daß er die Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung höher bewertet (vgl. Riedel-Corves-Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 2. Aufl., § 114 Rdnr. 17).
Der IV. Senat des BFH hat zwar in dem Beschluß IV B 23/66 vom 14. April 1967 (BFH 88, 195, BStBl III 1967, 321) ausgeführt, daß die Erhebung der Gerichtskosten für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung sich nach § 42 GKG richte. Damit hat der IV. Senat des BFH aber nicht über die Frage entschieden, welche Gerichtsgebühren zu erheben seien. Den Ausführungen liegt vielmehr die Frage zugrunde, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes in dem vom IV. Senat zu entscheidenden Fall 50 DM übersteige. Dabei war lediglich zu entscheiden, welche Kosten voraussichtlich anfallen würden. Eine verbindliche Entscheidung darüber war erst im späteren Kostenfestsetzungsverfahren zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 68301 |
BStBl II 1969, 623 |
BFHE 1969, 257 |