Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des GmbH-Mitgeschäftsführers bei Nichtausübung der Geschäftsführung
Leitsatz (NV)
1. Ein GmbH-Geschäftsführer kann und darf sich auch hinsichtlich der von einem Mitgeschäftsführer vorgenommenen Geschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs, die für die GmbH nicht von existentieller Bedeutung sind, nur dann auf deren Ordnungsmäßigkeit verlassen, wenn
-- der Mitgeschäftsführer persönlich vertrauenswürdig ist,
-- der seinem Mitgeschäftsführer vertrauende Geschäftsführer generelle Kenntnis davon hat, daß die Geschäftsführung durch den Mitgeschäftsführer ordnungsgemäß ist,
-- gewährleistet ist, daß die vom Mitgeschäftsführer vorgenommenen Geschäfte die Grenzen des laufenden Geschäftsverkehrs nicht überschreiten und daß bei einer auch nur entfernt zu befürchtenden Gefährdung der Liquidität oder des Vermögens der Gesellschaft alle Geschäftsführer unverzüglich unterrichtet werden.
2. Eine nur nominell zum Geschäftsführer bestellte Person kann sich nicht damit entlasten, sie habe keine Möglichkeit gehabt, innerhalb der Gesellschaft ihre rechtliche Stellung als Geschäftsführer zu verwirklichen und die steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Dies gilt grundsätzlich auch für volljährige Kinder oder andere Angehörige einer die GmbH beherrschenden Person, selbst wenn ihnen das Amt des Geschäftsführers aufgedrängt worden ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34
Gründe
Die Beschwerde war zurückzuweisen. Sie ist unbegründet.
1. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) weicht entgegen der Auffassung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nicht von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. April 1984 V R 128/79 (BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776) ab.
Zwar hat der BFH in der Entscheidung ausgeführt, der Geschäftsführer einer GmbH könne und dürfe sich hinsichtlich der von einem Mitgeschäftsführer vorgenommenen Geschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs, die für die GmbH nicht von existentieller Bedeutung seien, auf deren Ordnungsmäßigkeit verlassen. Diese Aussage gilt nach dem Urteil aber nicht uneingeschränkt. Sie gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Der Mitgeschäftsführer muß persönlich vertrauenswürdig sein. Der seinem Mitgeschäftsführer vertrauende Geschäftsführer muß generelle Kenntnis davon haben, daß die Geschäftsführung durch den Mitgeschäftsführer ordnungsgemäß ist. Es muß gewährleistet sein, daß die vom Mitgeschäftsführer vorgenommenen Geschäfte die Grenzen des laufenden Geschäftsverkehrs nicht überschreiten und daß bei einer auch nur entfernt zu befürchtenden Gefährdung der Liquidität oder des Vermögens der Gesellschaft alle Geschäftsführer unverzüglich unterrichtet werden (s. a. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 86/85, BFH/NV 1987, 550).
Das FG hat das BFH-Urteil in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 bei seiner Entscheidung beachtet. Es hat in den Entscheidungsgründen "vollinhaltlich" auf die in der Einspruchsentscheidung "zutreffend" zitierte BFH-Rechtsprechung zu den Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers und damit auch auf das in der Einspruchsentscheidung zitierte BFH-Urteil in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 verwiesen. In Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil hat es die Haftung des Klägers gemäß §69 i. V. m. §34 der Abgabenordnung (AO 1977) für die hinterzogene Körperschaft- und Umsatzsteuer mit der Begründung bejaht, der Kläger habe sich als GmbH-Geschäftsführer überhaupt nicht um die Geschäftsführung durch den Mitgeschäftsführer -- seinen Vater -- gekümmert. Aus dieser mit dem Vortrag des Klägers übereinstimmenden tatsächlichen Feststellung ergibt sich, daß der Kläger weder eine generelle Kenntnis von der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch seinen Vater haben konnte noch die Gewähr bestand, von seinem Vater unverzüglich über die Gefährdung der Li quidität und des Vermögens der GmbH unterrichtet zu werden. Bei dieser Sachlage bestand für das FG kein Anlaß, näher aus zuführen, daß der Kläger nach der BFH- Rechtsprechung nicht auf die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH durch seinen Vater vertrauen durfte.
2. Der Rechtsstreit hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfrage, ob junge volljährige GmbH-Geschäftsführer grob fahrlässig handeln, wenn sie sich hinsichtlich der nicht in ihren Aufgabenbereich fallenden Abgabe von Steuererklärungen darauf verlassen, der mit dieser Aufgabe betraute und aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen besonders vertrauenswürdige Mitgeschäftsführer werde die Erklärungen ordnungsgemäß abgeben, ist bereits vom BFH geklärt.
Im Beschluß vom 5. März 1985 VII B 52/84 (BFH/NV 1987, 459) hat der BFH ausgeführt: Ein GmbH-Geschäftsführer könne sich nicht damit entschuldigen, daß ein anderer die Geschäfte geführt und dabei die Unregelmäßigkeiten begangen habe, die zur Steuerverkürzung geführt haben. Eine nur nominell zum Geschäftsführer bestellte Person könne sich auch nicht damit entlasten, sie habe keine Möglichkeit gehabt, innerhalb der Gesellschaft ihre rechtliche Stellung als Geschäftsführer zu verwirk lichen und die steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Sie müsse in diesem Fall als Geschäftsführer zurücktreten. Dies gelte grundsätzlich auch für volljährige Kinder oder andere Angehörige der die GmbH beherrschenden Person, selbst wenn ihnen das Amt des Geschäftsführers aufgedrängt worden sei (s. a. BFH-Beschluß vom 11. Juni 1996 I B 60/95, BFH/NV 1997, 7).
Eine Ausnahme hat der BFH in dem Beschluß in BFH/NV 1987, 459 lediglich für den Fall in Erwägung gezogen, daß der Geschäftsführer aufgrund des auf ihn ausgeübten starken Drucks tatsächlich nicht in der Lage war, vom Amt des Geschäftsführers zurückzutreten. Einen solchen Ausnahmefall hat das FG ausdrücklich verneint.
3. Von der Wiedergabe des Sachverhalts und der Anträge hat der Senat in entsprechender Anwendung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522) abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 66368 |
BFH/NV 1998, 11 |