Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an EuGH: Haftung des Leistungsempfängers gem. § 55 UStDV bei Anwendung der sog. Null-Regelung
Leitsatz (amtlich)
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Muss der Empfänger von Dienstleistungen, der gemäß Art. 21 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner und als solcher in Anspruch genommen worden ist, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ausgestellte Rechnung besitzen?
2. Falls diese Frage zu bejahen ist: Welche Angaben muss die Rechnung enthalten? Ist es schädlich, wenn statt der Gestellung von Personal die mit Hilfe dieses Personals erstellten Gewerke als Leistungsgegenstand bezeichnet werden?
3. Welche Rechtsfolgen hätten nicht behebbare Zweifel daran, dass der Rechnungsaussteller die berechnete Leistung erbracht hat?
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 9, 17-18, 21, 22 Abs. 3; UStG 1993 § 18 Abs. 8; UStDV 1993 §§ 51-52, 55
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I. Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Bauunternehmen (Hochbau, Brücken‐ und Tunnelbau u.ä.). Er setzte im Streitjahr (1995) englische Bauarbeiter ein. Diese waren ihm unter der Firma "J Bau Ltd. Building Contractors" zur Verfügung gestellt worden, die in Holland eine Kontaktadresse unterhielt. Tatsächlich gab es eine am 21. Mai 1992 in das englische Handelsregister eingetragene "J Building Contractors Ltd.", deren eingetragener Sitz sich nach den Ermittlungen des Bundesamts für Finanzen (BfF) bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter der Adresse "22 South Audley Street Mayfayr GB - London WIY5 ON" befunden haben soll; lt. BfF handelte es sich um eine "Sitzgesellschaft" ohne Eintragungen in den lokalen Telefonverzeichnissen.
Die von den Bauarbeitern verrichteten Arbeiten wurden dem Kläger unter der oben genannten Firma (J Bau Ltd. Building Contractors) in Rechnung gestellt; die Rechnungen wiesen eine englische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und ein deutsches Bankkonto aus; in den Rechnungen wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen, vielmehr enthielten sie den Vermerk "Nullregelung Par. 52 UStDV vereinbart". Die Rechnungen gaben zunächst die Adresse 22 South Audley Street Mayfair, London W1Y 5DN und später die Adresse 7-12 Tavistock Square London WC1H 9BQ an.
Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) davon aus, dass die in Rechnung gestellten Leistungen nicht von der dort genannten Ltd., sondern von einem dritten unbekannten Unternehmen ausgeführt worden seien, und nahm den Kläger für die Umsatzsteuer dieses Unternehmers (17 219,17 DM) gemäß § 55 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in Haftung (Haftungsbescheid vom 23. August 1996).
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt, es hatte keine "vernünftigen Zweifel daran, dass die Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistenden Unternehmer gegeben ist".
Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision. Es beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschafen (EG) die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
III. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
1. Der angefochtene Haftungsbescheid beruht auf § 18 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) und §§ 51 ff. UStDV 1993.
a) Die maßgeblichen Vorschriften der UStDV 1993 lauten:
Besteuerung im Abzugsverfahren
§ 51Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer
(1) Für folgende steuerpflichtige Umsätze hat der Leistungsempfänger die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten und an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen:
1. Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
…
(2) Der Leistungsempfänger ist nur dann zur Einbehaltung und Abführung der Steuer verpflichtet, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. …
(3) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der weder im Inland noch in einem Zollfreigebiet einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung erbracht wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, so darf der Leistungsempfänger die Einbehaltung und Abführung der Steuer nur unterlassen, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamtes nachweist, daß er kein Unternehmer im Sinne des Satzes 1 ist.
(4) Gegenleistung im Sinne des Absatzes 1 ist das Entgelt zuzüglich der Umsatzsteuer.
§ 52Ausnahmen
(1) …
(2) Der Leistungsempfänger ist nicht verpflichtet, die Steuer für die Leistung des Unternehmers einzubehalten und abzuführen, wenn
1. der Unternehmer keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer erteilt hat und
2. der Leistungsempfänger im Falle des gesonderten Ausweises der Steuer den Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Steuer voll in Anspruch nehmen könnte.
…
§ 54Anmeldung und Fälligkeit der Steuer
(1) Der Leistungsempfänger hat die abzuführende Steuer binnen zehn Tagen nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums (§ 18 Abs. 1 und 2 des Gesetzes), in dem das Entgelt ganz oder teilweise gezahlt worden ist, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem für ihn zuständigen Finanzamt anzumelden. Gleichzeitig hat der Leistungsempfänger die angemeldete Steuer an dieses Finanzamt abzuführen. …
§ 55Haftung
Der Leistungsempfänger haftet für die nach § 54 anzumeldende und abzuführende Steuer.
b) Das Abzugsverfahren nach §§ 51 ff. UStDV ist ab dem 1. Januar 2002 durch ein Verfahren mit einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ersetzt worden (vgl. § 13b UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes ―StÄndG 2001―). Im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber die Auffassung geäußert, das (bisherige) Abzugsverfahren sei "nicht in vollem Umfang gemeinschaftskonform" (vgl. BTDrucks 14/6877, vom 7. September 2001, zu Art. 14 ―Allgemein―).
2. Das FA ist der Ansicht, der Kläger sei im Streitfall verpflichtet gewesen, die Steuer für die von ihm empfangenen Leistungen einzubehalten; im Falle des gesonderten Ausweises der Steuer hätte er den Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Steuer nicht in Anspruch nehmen dürfen, da die ihm in Rechnung gestellten Leistungen von einem unbekannten Hintermann erbracht worden seien; zumindest sei zweifelhaft, wer die Leistungen erbracht habe. Die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Nr. 2 UStDV seien deshalb nicht erfüllt; der Kläger hafte gemäß § 55 UStDV für die anzumeldende und abzuführende Steuer.
3. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats bedarf es auch im Verfahren nach § 52 Abs. 2 UStDV (sog. Nullregelung) einer Rechnung. Diese muss grundsätzlich von dem leistenden Unternehmer ausgestellt sein und die Leistung so genau beschreiben (vgl. § 14 Abs. 4 UStG), dass eindeutig und leicht nachprüfbar beurteilt werden kann, über welche Leistung abgerechnet worden ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. Dezember 1997 V R 28/97, BFHE 185, 279, BStBl II 1998, 521, und vom 28. Mai 1998 V R 17/97, BFH/NV 1999, 220).
IV. Zur Anrufung des EuGH
1. Die maßgeblichen Bestimmungen
Gemeinschaftsrechtlich beurteilt sich der Sachverhalt nach den folgenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in der im Streitjahr geltenden Fassung:
Artikel 9 Dienstleistungen
(1) Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.
(2) Es gilt jedoch
a) als Ort einer Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, einschließlich der Dienstleistung von Grundstücksmaklern und -sachverständigen, und als Ort einer Dienstleistung zur Vorbereitung oder zur Koordinierung von Bauleistungen, wie z.B. die Leistungen von Architekten und Bauaufsichtsbüros, der Ort, an dem das Grundstück gelegen ist;
…
e) als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:
- …
- Gestellung von Personal,
- …
…
Artikel 17 Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug
(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
…
Artikel 18 Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug
(1) Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muß der Steuerpflichtige
a) über die nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a) abziehbare Steuer eine nach Artikel 22 Absatz 3 ausgestellte Rechnung besitzen;
…
Artikel 21 Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus
Die Mehrwertsteuer schuldet
1. im inneren Anwendungsbereich
a) der Steuerpflichtige, der eine steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen durchführt bzw. eine steuerpflichtige Dienstleistung erbringt, mit Ausnahme der Dienstleistungen nach Buchstabe b).
Wird die steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen bzw. die steuerpflichtige Dienstleistung von einem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt bzw. erbracht, so können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Regelungen treffen, nach denen die Steuer von einer anderen Person geschuldet wird. Als solche kann unter anderem ein Steuervertreter oder der Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung von Gegenständen bzw. der steuerpflichtigen Dienstleistung bestimmt werden.
Die Steuer wird jedoch vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- Der steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen nach Maßgabe des Artikels 28c Teil E Absatz 3;
- der Empfänger dieser Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nicht steuerpflichtige juristische Person, die im Inland für Zwecke der Mehrwertsteuer erfaßt ist;
- die von dem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Artikel 22 Absatz 3.
Die Mitgliedstaaten können jedoch eine Ausnahme von dieser Verpflichtung vorsehen, wenn der nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige einen Steuervertreter in diesem Land bestimmt hat.
Die Mitgliedstaaten können bestimmen, daß eine andere Person als der Steuerpflichtige die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat;
b) der Empfänger einer in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e) genannten Dienstleistung oder der Empfänger einer in Artikel 28b Teile C, D, E und F genannten Dienstleistung, der im Inland für Zwecke der Mehrwertsteuer erfaßt ist, wenn die Dienstleistung von einem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird; die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, daß der Dienstleistungserbringer die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat;
…
Artikel 22 Verpflichtungen im inneren Anwendungsbereich
…
(3)a) Jeder Steuerpflichtige hat für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen. Jeder Steuerpflichtige hat ebenfalls eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen für die in Artikel 28b Teil B Absatz 1 genannten Lieferungen von Gegenständen und für unter den Bedingungen des Artikels 28c Teil A ausgeführte Lieferungen von Gegenständen. Der Steuerpflichtige muß eine Ausfertigung von allen ausgestellten Dokumenten aufbewahren.
Ebenso hat jeder Steuerpflichtige für die Vorauszahlungen, die er von einem anderen Steuerpflichtigen oder von einer nichtsteuerpflichtigen juristischen Person erhält, bevor die Lieferung oder Dienstleistung bewirkt ist, eine Rechnung auszustellen.
b) Die Rechnung muß getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen.
…
c) Die Mitgliedstaaten legen die Kriterien fest, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann.
2. Verhältnis der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu den Vorschriften der §§ 51 ff. UStDV
Zwar ist das Abzugsverfahren nach §§ 51 ff. UStDV möglicherweise nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform. Gleichwohl hält der Senat die Haftungsvorschrift des § 55 UStDV für anwendbar, soweit der Leistungsempfänger gemäß Art. 21 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner ist, und die Vorschrift des § 52 Abs. 2 UStDV (Nullregelung) für anwendbar, soweit der Leistungsempfänger (und Steuerschuldner) außerdem noch entsprechend den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG den Vorsteuerabzug geltend machen kann.
3. Die Beurteilung des Streitfalls und die sich daraus ergebenden Zweifelsfragen nach Gemeinschaftsrecht
a) Der Senat geht mit dem FA davon aus, dass die streitbefangenen Dienstleistungen von einem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wurden.
Es kann dahinstehen, ob diese Dienstleistungen unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. a (Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück) oder unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. e (Gestellung von Personal) der Richtlinie 77/388/EWG fallen. In jedem Fall liegt der Ort dieser Dienstleistungen in Deutschland. Im Fall des Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG war Deutschland gemäß Art. 21 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG berechtigt, im Fall des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG gemäß Art. 21 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG verpflichtet, den Kläger (Empfänger der Dienstleistungen) als Steuerschuldner zu behandeln.
b) Gleichzeitig ist der Kläger gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die für die Dienstleistungen geschuldete Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen. Da er die von ihm bezogenen Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet hat, kann er die für diese Dienstleistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer von der von ihm geschuldeten Steuer (für seine Bauleistungen) abziehen.
c) Der Senat hat aber Zweifel, ob der Empfänger der Dienstleistungen, wenn er gemäß Art. 21 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner ist und als solcher in Anspruch genommen wurde, gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ausgestellte Rechnung besitzen muss, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können.
Nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen scheint eine derartige Rechnung zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug auch dann erforderlich zu sein, wenn der Empfänger der Dienstleistungen als solcher Steuerschuldner ist und als solcher in Anspruch genommen wird. Für die steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen verlangt Art. 21 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ausdrücklich, dass die von dem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG entspricht. Andererseits geht Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ersichtlich davon aus, dass der Empfänger der gelieferten Gegenstände und Dienstleistungen dem Rechnungsaussteller sowohl den Preis ohne Steuer als auch den Steuerbetrag schuldet, was aber gerade nicht der Fall ist, wenn er selbst der Steuerschuldner ist und als solcher in Anspruch genommen wurde. Ist der Empfänger der Dienstleistungen der Steuerschuldner und wird er als solcher in Anspruch genommen, hat die Rechnung für das Besteuerungsverfahren nicht dieselbe Bedeutung, wie wenn der Dienstleistende die Steuer schuldet. Zweifelhaft ist deshalb zunächst, ob es für den Vorsteuerabzug bei Einbehaltung und Abführung der Steuer an den Fiskus durch den Leistungsempfänger überhaupt einer Rechnung i.S. des Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG bedarf.
Hieraus ergibt sich die erste Vorlagefrage:
Muss der Empfänger von Dienstleistungen, der gemäß Art. 21 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner und als solcher in Anspruch genommen worden ist, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ausgestellte Rechnung besitzen?
d) Ist diese Frage zu bejahen, erhebt sich die Frage, welche Angaben eine derartige Rechnung enthalten muss. Muss die Rechnung den Steuerbetrag enthalten, auch wenn der Rechnungsadressat den Steuerbetrag nicht (zusammen mit dem Preis) dem Rechnungsaussteller, sondern unmittelbar dem Fiskus schuldet? Muss die Rechnung den Namen (die Firma) des Rechnungssaustellers und seine Adresse korrekt wiedergeben, so wie sie im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung bestanden, oder reicht es aus, dass die Anschrift und die genaue Firma mittels der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ermittelt werden können?
Es erscheint denkbar, dass in Fällen der vorliegenden Art häufig zur Umgehung arbeitsrechtlicher und anderer nichtumsatzsteuerrechtlicher Vorschriften der Leistungsgegenstand in der Rechnung falsch umschrieben wird; statt der tatsächlich erfolgten Gestellung von Personal werden die Gewerke (z.B. "Mauerwerk…12,93 cbm/DM 215,00/DM 2.778,98") angegeben, die der Leistungsempfänger durch das ihm zur Verfügung gestellte Personal hat ausführen lassen. Der Senat hat dies bislang regelmäßig nicht beanstandet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Januar 1993 V R 30/88, BFHE 170, 283, BStBl II 1993, 384). Die Sache erscheint aber gemeinschaftsrechtlich zweifelhaft. Der Senat fragt deshalb:
Welche Angaben muss die Rechnung enthalten? Ist es schädlich, wenn statt der Gestellung von Personal die mit Hilfe dieses Personals erstellten Gewerke als Leistungsgegenstand bezeichnet werden?
e) Das FA bezweifelt, ob die Rechnungsausstellerin oder ein unbekannter Hintermann die in den Rechnungen bezeichneten Leistungen ausgeführt hat. Es erscheint möglich, dass diese Zweifel auch nach weiterer Sachverhaltsaufklärung nicht behebbar sind. Die Unaufklärbarkeit ging nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats im Abzugsverfahren zu Lasten der Finanzverwaltung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 185, 279, BStBl II 1998, 521, und in BFH/NV 1999, 220). Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung für die Fälle aufrechterhalten werden kann, in denen der Leistungsempfänger gemäß Art. 21 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner ist und als solcher in Anspruch genommen wird. Hieraus ergibt sich die dritte und letzte Frage:
Welche Rechtsfolgen hätten nicht behebbare Zweifel daran, dass der Rechnungsaussteller die berechnete Leistung erbracht hat?
Fundstellen
Haufe-Index 707143 |
BFH/NV 2002, 734 |
BFHE 197, 322 |
BFHE 2002, 322 |
BB 2002, 717 |
DB 2002, 825 |
DStR 2002, 851 |
DStRE 2002, 708 |
HFR 2002, 538 |
UR 2002, 226 |