Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die schlüssige Darlegung von Revisionszulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO n.F.
Leitsatz (NV)
- Die schlüssige Rüge, das FG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen weiter aufklären müssen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), setzt u.a. substantiierte Angaben des Beschwerdeführers darüber voraus,
- welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und
- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
- Macht der Beschwerdeführer geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des BFH, so muss er in der Beschwerdebegründung substantiiert aufzeigen, inwieweit über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten.
- Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles entscheidungserhebliche Rechtsfrage herausstellen und substantiiert darauf eingehen, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 29.07.2003; Aktenzeichen 13 K 2864/99) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―FGO n.F.― entspricht.
1. Die schlüssige Rüge, das Finanzgericht (FG) habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen weiter aufklären müssen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), setzt u.a. substantiierte Angaben des Beschwerdeführers darüber voraus,
welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung (hier insbesondere durch Vernehmung von Zeugen) voraussichtlich ergeben hätten und
inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können
(ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―; vgl. z.B. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 70).
Diesen Anforderungen genügen die pauschalen Äußerungen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), die "Behauptungen (des FG seien) falsch und durch Zeugenaussagen widerlegbar …" und "der hohe Kostenanteil an Fremdarbeiten … beweise, dass der … durch andere Personen (Subunternehmer) bedient worden (sei)", augenscheinlich nicht.
2. Soweit der Kläger darüber hinaus beanstandet hat, das FG habe die von ihm angetretenen (Zeugen-)Beweise zu Unrecht gemäß § 79b Abs. 2 und 3 FGO als verspätet zurückgewiesen, genügt auch diese Rüge nicht den gesetzlichen Voraussetzungen einer formgerechten Verfahrensrüge. Auch insoweit fehlen substantiierte Angaben des Klägers darüber, dass die Entscheidung des FG unter Zugrundelegung des von diesem eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts ohne den (angeblichen) Verfahrensmangel anders hätte ausfallen können (vgl. dazu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 96 und § 116 Rz. 49, m.w.N.).
Soweit das FG die vom Kläger als Reaktion auf die auf § 79b Abs. 2 FGO gestützte Anordnung vom 23. April 2003 beantragte Vernehmung zweier Zeugen gemäß § 79b Abs. 3 FGO als verspätet zurückgewiesen hat, ist diese Zurückverweisung für die klageabweisende Entscheidung des FG nicht kausal geworden. Denn das FG hat in diesem Zusammenhang in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (S. 13, unter dd) ausgeführt, die vom Kläger benannten Zeugen könnten nach dem eigenen Vorbringen des Klägers lediglich bestätigen, dass er bei denjenigen Produktionen nicht als … tätig geworden sei, bei denen sie ―die Zeugen― als Mitarbeiter eingesetzt worden seien. Somit könne die vom Kläger behauptete Tatsache durch diese Zeugenaussagen nicht bewiesen werden bzw. führe "selbst eine Wahrunterstellung nicht dazu, dass damit bewiesen wäre, dass der Kläger den … während seiner Vermietung in keinem Fall als … bedient (habe)".
3. Soweit der Kläger des Weiteren vorträgt, das FG habe für seine klageabweisende Entscheidung zu Unrecht darauf abgehoben, dass keine gesonderte Buchführung für den vermeintlichen Teilbetrieb vorgelegen habe, weil gemäß R 139 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) eine eigene Buchführung für das Vorliegen eines Teilbetriebes nicht notwendig sei, erfüllt auch diese Rüge nicht die Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes.
a) Der Kläger hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO n.F. (Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) berufen.
aa) Macht der Beschwerdeführer einen solchen Zulassungsgrund geltend, muss er in der Beschwerdebegründung substantiiert aufzeigen, inwieweit über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 40).
bb) Daran mangelt es im Streitfall, weil der Kläger mit dieser Rüge weder eine Abweichung von einer anderen Gerichtsentscheidung noch in hinlänglichem Maße geltend gemacht hat, die angefochtene Entscheidung sei (objektiv) willkürlich und deshalb geeignet, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Zu Letzterem hätte er substantiiert darlegen müssen, weshalb die Vorentscheidung nach seiner Auffassung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2002 X B 99/02, BFH/NV 2003, 496; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 45).
b) Die in Rede stehende Rüge des Klägers erfüllt aber auch nicht die Erfordernisse zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
aa) Hierzu hätte der Kläger auch unter der Geltung des neuen Revisionszulassungsrechts nach dem 2.FGOÄndG eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen und substantiiert darauf eingehen müssen, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32, m.w.N.).
bb) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Herausarbeitung einer hinreichend konkretisierten abstrakten Rechtsfrage, deren Beantwortung für die Entscheidung des Streitfalles rechtserheblich sein könnte. Der bloße ―pauschale― Hinweis darauf, dass das FG von R 139 Abs. 3 EStR abgewichen sei, genügt hierfür nicht, zumal das FG die Tatsache der fehlenden gesonderten Buchführung in im Übrigen nicht zu beanstandender Weise lediglich als einen unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten und Indizien im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände des zu beurteilenden Einzelfalles herangezogen hat. Wenn es in R 139 Abs. 3 Satz 2 EStR heißt, dass für das Vorliegen eines Teilbetriebes eine "völlig selbständige Organisation mit eigener Buchführung nicht erforderlich (sei)", so bedeutet das nicht, dass eine fehlende separate Buchführung nicht als Indiz unter mehreren gegen die Annahme eines Teilbetriebes verwertet werden darf.
c) Aus den unter 3. b dargelegten Gründen kommt eine Zulassung der Revision auch nicht wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO n.F.) in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der "Grundsatzrevision" vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 38).
4. Im Kern erschöpfen sich die Ausführungen des Klägers ―nach Art einer Revisionsbegründung― in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt habe. Die Rüge solcher Fehler rechtfertigt indessen grundsätzlich die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO n.F. nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Abs. 24, 46, 53 und 55, m.w.N.).
5. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. abgesehen.
Fundstellen