Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer
Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert in einem Verfahren wegen Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer bemisst sich grundsätzlich nach dem Jahresbetrag des Kindergeldes; bis zur Einreichung der Klage zu zahlende Kindergeldbeträge sind hinzuzurechnen.
2. Ein Streitwertbeschluss des FG kann vom BFH von Amts wegen geändert werden, solange das Verfahren wegen der Hauptsache bei ihm anhängig ist.
Normenkette
GKG § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 25 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Arbeitsamt -Familienkasse- (Beklagter) hob mit Bescheid vom 9. Januar 1997 die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 1997 auf, weil die behinderte Tochter des Klägers nicht außerstande sei, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und beantragte sinngemäß, den Bescheid vom 9. Januar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 1999, der nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt wurde, half der Beklagte dem Klagebegehren insoweit ab, als die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung für Januar 1997 bestehen blieb. Insoweit erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt; eine Trennung des Verfahrens (§ 73 Abs. 1 FGO) erfolgte nicht.
Das Finanzgericht (FG) setzte den Streitwert auf 9 310 DM fest. Diesen Betrag errechnete es aus der Summe der monatlichen Kindergeldbeträge ab Februar 1997 bis zur mündlichen Verhandlung im Mai 1999 zuzüglich eines Jahresbetrags des Kindergeldes.
Der Beklagte regt im Revisionsverfahren an, diese Festsetzung zu überprüfen. Er hält lediglich einen Jahresbetrag in Höhe von 2 640 DM (220 DM x 12 Monate) entsprechend § 17 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) für angemessen und verweist auf die Rechtsprechung des FG Baden-Württemberg (Beschlüsse vom 20. August 1998 13 Ko 1/98, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1541, und vom 20. Juli 1999 5 K 412/97, nicht veröffentlicht ―NV―).
Der Kläger hält eine Änderung der Streitwertfestsetzung weder für möglich noch für begründet.
Entscheidungsgründe
In Abänderung des Beschlusses der Vorinstanz setzt der Senat den Streitwert von Amts wegen auf 7 260 DM fest. Die Wertfestsetzung konnte noch abgeändert werden, da das Verfahren in der Hauptsache noch in der Rechtsmittelinstanz anhängig war (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., Vor § 135 Anm. 39; Brandt in Beermann, Finanzgerichtsordnung, § 139 Rz. 88).
Die Streitwertfestsetzung bestimmt sich im Streitfall nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen; hierbei ist der Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.
Der Kläger hat einen Bescheid angegriffen, durch den eine Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer aufgehoben wurde. Ein Erfolg der Klage bewirkt, dass die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung weiterhin Bestand hat. Das Interesse des Klägers entspricht folglich dem Interesse an einer auf fortlaufende Zahlung gerichteten, in die Zukunft wirkenden Kindergeldfestsetzung. Demzufolge ist hier auch die Vorschrift des § 13 Abs. 2 GKG nicht anwendbar. Denn der Antrag des Klägers erschöpft sich nicht in einer bezifferten Geldleistung oder einem hierauf gerichteten Verwaltungsakt (vgl. auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 29. Dezember 1988 4 C 14/88, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report ―NVwZ-RR― 1989, 279; Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 135 Anm. 24).
Für einen Rückgriff auf den Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in Höhe von 8 000 DM besteht kein Anlass. Der Sach- und Streitstand bietet in Kindergeldsachen regelmäßig ―wie auch hier― genügend Anhaltspunkte, um die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache nach gerichtlichem Ermessen zu bestimmen.
Der Senat schließt sich in Streitigkeiten der vorliegenden Art der überwiegenden Ansicht der FG an, dass zur Ausfüllung des in § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG eingeräumten Ermessens der Rechtsgedanke des § 17 Abs. 1 Satz 1 GKG heranzuziehen ist (vgl. Beschluss des FG des Saarlandes vom 13. Februar 1997 2 K 13/97, EFG 1997, 496; Urteile des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 27. August 1997 1 K 164/96, EFG 1998, 111, und des FG Baden-Württemberg
―Außensenate Stuttgart― vom 27. März 1998 9 K 315/96, EFG 1998, 1526, 1528, m.w.N.). Danach ist bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht grundsätzlich der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung der Klage oder des Antrags geforderte Betrag maßgeblich. Zweck dieser Vorschrift ist es, aus sozialpolitischen Gründen die gerichtliche Durchsetzung derartiger Ansprüche dadurch zu erleichtern, dass der Streitwert eine vergleichsweise niedrige Bemessungsgrundlage hat (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts ―OLG― München vom 25. November 1996 26 UF 1197/96, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ―FamRZ― 1997, 762; Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl., § 17 GKG Rz. 2). Rechtsähnliche Verhältnisse sind auch hier gegeben.
Eine Begrenzung des Streitwerts auf einen Jahresbetrag wird dem finanziellen Interesse des Klägers im Streitfall allerdings nicht gerecht. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch kein hinreichender Grund ersichtlich, den in der Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken außer Acht zu lassen. Nach dieser Vorschrift sind bei Einreichung der Klage fällige Beträge dem Streitwert hinzuzurechnen. Der Senat hält es für angezeigt, auch die bis zur Klageerhebung zu zahlenden Kindergeldbeträge werterhöhend zu berücksichtigen (zutreffend: Urteil des FG Baden-Württemberg ―Außensenate Stuttgart― in EFG 1998, 1526, 1528; im Ergebnis ebenso Beschluss des FG Düsseldorf vom 8. Januar 1999 10 K 136/97 Kg, EFG 1999, 625; vgl. auch Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. Dezember 1999 VII R 71/98, BFH/NV 2000, 598 ―zur Kraftfahrzeugsteuer―, und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juni 1991 12 C 91.1681, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1991, 1198).
Der Streitwert ist somit auf 7 260 DM festzusetzen. Er errechnet sich aus der Summe des im Streit befindlichen Kindergeldes bis zur Einreichung der Klage (21 Monate) zuzüglich eines Jahresbetrags, zusammen also 33 Monate x 220 DM. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit ―soweit er das Kindergeld für Januar 1997 betrifft― in der Hauptsache für erledigt erklärt. Eine Abtrennung des erledigten Teils des Verfahrens erfolgte nicht. Demnach sind an sich verschiedene Streitwerte festzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 1984 II R 184/81, BFHE 141, 333, BStBl II 1985, 261). Aus Vereinfachungsgründen sieht der Senat hiervon jedoch ab. Bei einem um 220 DM herabgesetzten Streitwert ab Erledigungserklärung fallen keine geringeren Gerichts- oder Anwaltskosten an, da der Streitwert in der Tabellenstufe ab 7 000 DM verbleibt.
Fundstellen
Haufe-Index 426303 |
BFH/NV 2000, 1413 |
BStBl II 2000, 544 |
BFHE 192, 19 |
BFHE 2001, 19 |
BB 2000, 1982 |
DB 2000, 1947 |
DStRE 2000, 1230 |
HFR 2000, 884 |
StE 2000, 591 |
LEXinform-Nr. 0554363 |
NWB 2000, 3553 |
BuW 2001, 151 |
NVwZ-RR 2001, 280 |
JurBüro 2000, 647 |
AGS 2000, 224 |
StSem 2001, 0 |
stak 2000 |