Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Verfahrensfehler, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
Leitsatz (NV)
- Mit der Verfahrensbeschwerde nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO können nur Fehler gerügt werden, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt.
- Das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO kann erfüllt sein, wenn die Auslegung und Anwendung revisiblen Rechts durch das FG objektiv willkürlich ist. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung des FG unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Von Willkür kann hingegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage auseinander setzt und seine Auffassung nicht jeder Rechtsgrundlage entbehrt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 3, 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Mit Verwaltungsakt vom … ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) beim Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unter Berufung auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Jahre 1996 bis 1998 eine steuerliche Betriebsprüfung an.
Mit Schreiben vom … beantragte der Kläger die Rücknahme der Prüfungsanordnung, weil sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen erlassen worden sei. Weder habe der Prüfer die vorgelegten Unterlagen geprüft noch habe eine Erörterung an Ort und Stelle oder eine Schlussbesprechung stattgefunden.
Das FA lehnte den Antrag ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abwies. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor:
Da er nebenberuflich gewerblich tätig sei und hauptsächlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erziele, sei die Betriebsprüfung an Amtsstelle durchgeführt worden. Die entsprechenden Belege habe er dem FA eingereicht. Der Prüfer habe diese Belege jedoch in keiner Weise geprüft, sondern lediglich mit dem Vorprüfer und der Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle gesprochen und sich an den Feststellungen der Vorprüfung orientiert. Damit die Aussagen mit denen der Vorprüfung übereinstimmten, habe der Prüfer offensichtlich Einnahmebelege aus den Unterlagen entfernt, diese nicht kopiert und auch nicht in den Prüferakten aufbewahrt. Aus den vorgelegten Unterlagen habe der Prüfer ersehen können, dass er ―der Kläger― in der Zwischenzeit eine von der früheren Tätigkeit vollkommen abweichende andere gewerbliche Tätigkeit ausgeübt habe. Das FA habe daher unter Vortäuschung von Tatsachen eine Prüfung angeordnet, die Prüfung aber nicht durchgeführt. Dadurch, dass der Prüfer die eingereichten Unterlagen nicht beachtet habe, sei die Prüfungsanordnung rechtswidrig geworden. Es liege ein schwerwiegender Fehler des FA vor, der zur Aufhebung der Prüfungsanordnung gemäß § 130 AO 1977 führen müsse.
Der Kläger beantragt, der "Beschwerde stattzugeben und die Prüfungsanordnung vom … aufzuheben".
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Beschwerdebegründung des Klägers lässt keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO erkennen.
Mit der Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 130 AO 1977 bezeichnet er keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern einen Verstoß gegen materielles Recht. Mit der Verfahrensbeschwerde können nur Fehler gerügt werden, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (BFH-Beschluss vom 10. November 1987 V B 19/85, BFH/NV 1988, 448).
Mit dem Vortrag, das FA habe einen schwerwiegenden Fehler begangen, legt er auch nicht die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO dar. Denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Zulassung der Revision nur dann, wenn die Entscheidung des FG auf einem schwerwiegenden Fehler beruht, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Die Auslegung und Anwendung revisiblen Rechts durch das FG muss objektiv willkürlich sein. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung des FG unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, 799; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 68; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 203 ff.). In Bezug auf das FG-Urteil führt der Kläger aber nur aus, die Entscheidung sei aus den im Einzelnen genannten Gründen rechtswidrig. Damit wird jedoch kein Fehler von erheblichem Gewicht dargelegt, der die angefochtene Entscheidung willkürlich erscheinen lässt. Denn von Willkür kann dann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage auseinander setzt und seine Auffassung nicht jeder Rechtsgrundlage entbehrt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 68).
Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 838690 |
BFH/NV 2002, 1488 |