Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von nicht versichertem Hausrat und Kleidung als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Die Fragen, unter welchen Voraussetzungen bei der Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung ein existentiell wichtiger Bereich im Sinne der Senatsrechtsprechung (in: BFHE 175, 332; BStBl II 1995, 104) berührt bzw. der Kläger gehalten ist, Schäden an bestimmten Vermögensgegenständen vorrangig durch den Einsatz von Versicherungsmöglichkeiten zu mindern, sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, wenn das Finanzgericht seine Entscheidung auch damit begründet, daß der Kläger den durch Brandeinwirkung eingetretenen Schaden am Hausrat nicht im einzelnen dargelegt und nachgewiesen hat.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machte in seiner Einkommensteuererklärung 1994 Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausratgegenständen und Kleidung, die bei einem Wohnungsbrand im November 1993 vernichtet worden seien, in Höhe von 3 100 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Mangels Belegen bezifferte er die ihm entstandenen Wiederbeschaffungskosten im Streitjahr im Wege der Schätzung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) versagte den Abzug der geltend gemachten Wiederbeschaffungskosten als außergewöhnliche Belastung im Einkommensteuerbescheid vom 7. August 1995. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Entscheidungsgründen der Einspruchsentscheidung, wonach eine Anerkennung von Wiederherstellungskosten bei Schäden an Vermögensgegenständen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Mai 1994 III R 27/92 (BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104) nur dann in Betracht komme, wenn ein für den Steuerpflichtigen existentiell wichtiger Bereich berührt sei, keine Anhaltspunkte für ein eigenes Verschulden des Steuerpflichten erkennbar und Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben seien. Der Kläger selbst habe im Vorverfahren betont, die beschädigten oder zerstörten Gegenstände seien für ihn nicht existentiell wichtig gewesen. Damit entfalle deren steuerliche Berücksichtigung im Rahmen des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) schon dem Grund nach. Ferner könne nicht geprüft werden, ob es sich bei den getätigten Ersatzbeschaffungen ausschließlich um den Ersatz gleichwertiger Stücke oder um den Einkauf höherwertiger Gegenstände gehandelt habe, da der Kläger weder eine Auflistung der zerstörten oder beschädigten Gegenstände mit einer Beschreibung ihres Zustandes und ihres Wertes vor dem Brand eingereicht noch den Nachweis geführt habe, welche Gegenstände er zu deren Ersatz zu welchem Zeitpunkt wo beschafft habe. Ergänzend wies das FG darauf hin, daß sich der erkennende Senat im Streitfall der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen habe, daß im Bereich der an Vermögensgegenständen eingetretenen Schäden Steuerpflichtige vorrangig auf bestehende Versicherungsmöglichkeiten zu verweisen seien und die auch nur teilweise Abwälzung des Schadens auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt erscheine, wenn eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit -vorliegend der Abschluß einer Hausratversicherung- nicht wahrgenommen worden sei. Das FG ließ die Revision nicht zu.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Erfordernissen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO.
1. Die Beschwerde bezeichnet die behauptete Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von den Urteilen des BFH vom 17. Oktober 1973 VI R 143/71 (BFHE 111, 65, BStBl II 1974, 105), vom 15. Februar 1974 VI R 67/70 (BFHE 111, 491, BStBl II 1974, 335) und in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104 nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Der Kläger entnimmt dem Urteil des BFH in BFHE 111, 65, BStBl II 1974, 105 zu Unrecht den abstrakten Rechtssatz, die Zwangsläufigkeit der außergewöhnlichen Belastungen könne nicht mit dem Argument abgelehnt werden, daß der Steuerpflichtige durch Abschluß einer Versicherung die Aufwendungen hätte abwälzen können, der Verzicht auf den Abschluß einer Versicherung nicht sozial inadäquat sei und eine andere Auffassung auf eine Zwangsversicherung per Steuerrecht hinauslaufen würde. Der BFH hat in dem vermeintlichen Divergenzurteil zur Frage des Versicherungsschutzes nicht Stellung genommen. Er hat vielmehr in dem betreffenden Streitfall der Frage nach der Notwendigkeit einer Vollkaskoversicherung keine Bedeutung beigemessen, weil die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen bereits aus anderen Gründen abzulehnen war.
Auch soweit der Kläger vorträgt, das erstinstanzliche Urteil widerspreche offenkundig dem Urteil des BFH in BFHE 111, 491, BStBl II 1974, 335, genügen seine Ausführungen nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Das genannte BFH-Urteil, das Aufwendungen für den Umbau oder die Neuanschaffung von Gasgeräten, die infolge der Umstellung der Gasversorgung auf Erdgas angefallen waren, betraf, verweist lediglich am Rande in den Urteilsgründen auf ein weiteres BFH-Urteil vom 16. Oktober 1952 IV 376/51 S (BFHE 56, 773, BStBl III 1952, 298), das den Verlust von Hausrat und Kleidung durch Brand oder Überschwemmung als Beispiel erwähnte und bei dem die Außerachtlassung des Gegenwertgedankens bei der Anwendung des § 33 EStG für möglich gehalten wurde, um dem Steuerpflichtigen aus einer ihm aufgezwungenen Schadenslage herauszuhelfen.
Eine Gegenüberstellung tragender, angeblich voneinander abweichender Rechtssätze nimmt der Kläger auch bezüglich des BFH-Urteils in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104 nicht vor. Der Kläger behauptet insoweit gerade nicht eine Abweichung des Ersturteils von der vermeintlichen Divergenzentscheidung, sondern kritisiert vielmehr, daß das Erstgericht den in dem genannten BFH-Urteil geäußerten Rechtsgedanken des erkennenden Senats zu den Schäden an Vermögensgegenständen übernommen habe. Mit der Behauptung einer nach Ansicht des Klägers unzutreffenden Rechtsanwendung wird indessen keine Divergenz bezeichnet (BFH-Beschluß vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890).
2. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) rügt, setzt er sich bereits nicht mit den zu der Streitfrage ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen der FG (FG Stuttgart, Urteil vom 17. Dezember 1957 IV 1101/57, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1958, 337 rkr.; FG Kassel, Urteil vom 16. Februar 1961 I 16/61, EFG 1961, 402 rkr.; FG Berlin, Urteil vom 28. Oktober 1971 V 152/71, EFG 1972, 240 rkr.; FG Nürnberg, Urteil vom 19. Februar 1974 II 28/72, EFG 1974, 469; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Dezember 1978 VI 407/76, EFG 1979, 334 rkr.) auseinander; auch nicht mit den -teilweise gegensätzlichen- Äußerungen in der Kommentarliteratur (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 1998, § 33 Rdnr. 21; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33 EStG Anm. 300 "Versicherungsschutz"; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. C 63 "Versicherung"; Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 33 EStG Rdnr. 150 "Versicherungsschutz"). Die Ausführungen des Klägers genügen insofern nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Beschluß des BFH vom 15. September 1994 V B 181/93, BFH/NV 1995, 978).
Die Beschwerde ist auch nicht ausnahmsweise wegen offensichtlicher grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der Senat hält zwar vor dem Hintergrund seines Urteils in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104 Klarstellungen hinsichtlich des Begriffs des existentiell wichtigen Bereichs im Sinne dieser Entscheidung sowie bezüglich der dort angesprochenen Möglichkeit, Schäden an bestimmten Vermögensgegenständen, wie einem selbstgenutzten Einfamilienhaus, vorrangig durch den Einsatz von Versicherungsmöglichkeiten zu mindern, für wünschenswert. Indes wären beide Fragen in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn das FG hat seine Entscheidung -durch Bezugnahme auf die angefochtene Einspruchsentscheidung- auch damit begründet, daß der Kläger den durch den Brand eingetretenen Schaden nicht im einzelnen dargelegt und nachgewiesen habe, ohne daß der Kläger dem mit Gründen, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, entgegengetreten wäre (vgl. dazu auch Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 11, m.w.N.).
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 171100 |
BFH/NV 1999, 1085 |