Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen durch erst später vormundschaftsgerichtlich genehmigte Familien-GbR
Leitsatz (NV)
Es ist i. S. von §69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft, ob der Gewinn aus der Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen i. S. von §17 EStG durch eine im Zeitpunkt der Veräußerung (Streitjahr 1989) noch nicht vormundschaftsgerichtlich genehmigte, aber später (1991) genehmigte GbR zwischen Vater und seinen minderjährigen Söhnen allein dem Vater zugerechnet werden kann.
Normenkette
FGO §69 Abs. 3; EStG §17 Abs. 1 S. 1; AO 1977 §175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; FGO §69 Abs. 2; BGB § 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 3
Tatbestand
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Mit Vertrag vom 6./9. Oktober 1987 schloß der Antragsteller zu 1 mit seinen beiden Söhnen einen Vertrag über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck die nichtgewerbliche Verwaltung, Nutzung und Veräußerung des der Gesellschaft gehörenden Vermögens sein sollte. Die Söhne waren an dieser GbR mit je 40 v. H., der Antragsteller zu 1 mit 20 v. H. beteiligt. Die gemäß §1822 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erforderliche Genehmigung des Gesellschaftsvertrages betreffend die GbR lehnte das zuständige Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) durch Beschluß vom 10. Oktober 1988 mit der Begründung ab, daß der GbR-Vertrag nicht dem Wohl der beiden Söhne der Antragsteller entspreche. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Mit Beschluß vom 12. März 1990 genehmigte das zuständige Landgericht den GbR-Vertrag, nachdem dieser zuvor -- am 30. Januar 1990 -- in einigen Punkten geändert worden war.
Der Antragsteller zu 1 hielt 45 v. H. der Anteile an der schweizerischen X-AG, 46 v. H. der Anteile an der US-amerikanischen Y Inc. sowie 47 v. H. der Geschäftsanteile an der inländischen Z-GmbH. Durch privatschriftliche Kauf- und Abtretungsverträge vom 15. Dezember 1987 veräußerte er einen Anteil von 26 v. H. des Nennkapitals der Schweizer AG zum Preis von ... Schweizer Franken und einen Anteil von 27 v. H. des Nennkapitals der Y Inc. zum Preis von ... US-Dollar an die GbR. Beide Kauf- und Abtretungsverträge vom 15. Dezember 1987 wurden nur von dem Antragsteller zu 1 unterzeichnet. Ferner veräußerte der Antragsteller zu 1 durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 21. Dezember 1987 zum Preis von ... DM an die GbR einen Teilgeschäftsanteil an der inländischen Z-GmbH in Höhe von 28 v. H. deren Stammkapitals. Dieser notarielle Vertrag wurde von dem Antragsteller zu 1 und den Herren Dr. A und Dr. B, letztere handelnd als zukünftig zu bestellende Ergänzungspfleger für die minderjährigen Söhne der Antragsteller, unterzeichnet. In dem Vertrag wurde der Notar beauftragt, die erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu beantragen. Die Genehmigung durch die Ergänzungspfleger sollte mit Eingang der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung beim Notar als abgegeben gelten und rechtswirksam werden.
Im Streitjahr 1989 veräußerte der Antragsteller zu 1 die ihm verbliebenen Anteile an den genannten drei Kapitalgesellschaften an die C-GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er war. Im selben Jahr veräußerte die GbR die 1987 erworbenen Anteile an den drei Kapitalgesellschaften ebenfalls an die C-GmbH.
Ausweislich des Protokolls über eine nichtöffentliche Sitzung des Vormundschaftsgerichts vom 12. Dezember 1990 hielt das Gericht eine Genehmigung der in Rede stehenden Kauf- und Verkaufsverträge nicht gemäß §1822 Nr. 3 BGB für erforderlich, wies jedoch darauf hin, daß möglicherweise eine Genehmigung nach §1822 Nr. 8 und 10 BGB geboten sei. Mit Beschluß vom 7. Januar 1991 erteilte das Vormundschaftsgericht die gemäß §1822 Nr. 8 und 10 BGB ggf. erforderlichen Genehmigungen.
Die Antragsteller gaben in ihrer Einkommensteuererklärung 1987 einen vom Antragsteller zu 1 durch die Verträge vom 15. und 21. Dezember 1987 erzielten Veräußerungsgewinn nach §17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht an. Für das Streitjahr 1989 erklärten sie einen auf den Antragsteller zu 1 entfallenden Gewinn i. S. von §17 EStG aus der Veräußerung der von ihm persönlich gehaltenen Beteiligungen sowie aus der Weiterveräußerung der Beteiligungen durch die GbR in Höhe des Anteils des Antragstellers zu 1 an der GbR von 20 v. H.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) vertrat demgegenüber im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung, daß dem Antragsteller zu 1 der gesamte, aus den Veräußerungsvorgängen in 1989 erzielte Gewinn i. S. von §17 EStG zuzurechnen sei, und zwar auch insoweit, als dieser Gewinn auf die GbR-Anteile der beiden Kinder entfalle. Dies hatte eine Erhöhung des gemäß §17 EStG erfaßten Veräußerungsgewinns um ... DM zur Folge.
Über den gegen den entsprechenden Einkommensteueränderungsbescheid 1989 vom 20. Oktober 1995 erhobenen Einspruch der Antragsteller hat das FA noch nicht entschieden. Die von den Antragstellern begehrte Aussetzung der Vollziehung lehnte es am 3. Januar 1996 ab. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.
Mit Schriftsatz vom 19. März 1996 beantragten die Antragsteller beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1989 auszusetzen.
Das FG hat die begehrte Aussetzung der Vollziehung ebenfalls abgelehnt und die Beschwerde zugelassen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weiter.
Die Antragsteller beantragen, den angefochtenen FG-Beschluß aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids 1989 vom 20. Oktober 1995 auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Sie führt zur Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids 1989 vom 20. Oktober 1995, soweit die dort festgesetzte Einkommensteuer den streitigen Gewinn i. S. von §17 EStG in Höhe von ... DM betrifft.
1. Gemäß §69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, daß aus gewichtigen Gründen eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachen oder eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht, und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §69 Rdnr. 77, m. w. N.).
2. Bei der im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung unterliegt es entgegen der Ansicht des FG ernsthaften Zweifeln, ob dem Antragsteller zu 1 entsprechend der Sachbehandlung durch das FA in dem angefochtenen Bescheid ein Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an den drei in Rede stehenden Kapitalgesellschaften i. S. von §17 EStG auch insoweit zugerechnet werden kann, als es die Veräußerung dieser Anteile durch die GbR betrifft. Dabei mag es im vorliegenden Verfahren offenbleiben, ob diese Zweifel in vollem Umfang, also auch insoweit bestehen, als der Antragsteller zu 1 an der GbR zwischen ihm und seinen beiden Söhnen beteiligt war. Sie können jedenfalls insoweit nicht in Abrede gestellt werden, als es die Beteiligungsquoten der beiden Kinder der Antragsteller an der GbR in Höhe von zusammen 80 v. H. angeht. Dies folgt aus den nachstehenden Erwägungen:
a) Fest steht, daß die zwischen dem Antragsteller zu 1 und seinen beiden minderjährigen Söhnen gegründete GbR im Hinblick auf die nach §1822 Nr. 3 BGB i. V. m. §1643 Abs. 1 BGB erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des entsprechenden Gesellschaftsvertrages vom 6./9. Oktober 1987 zunächst nicht wirksam entstanden war. Sie wurde vielmehr erst nach Erteilung der Genehmigung des (im Januar 1990 nachgebesserten) Gesellschaftsvertrages durch das zuständige Landgericht am 12. März 1990 existent. Es mag auf sich beruhen, ob diese Genehmigung zivilrechtlich in entsprechender Anwendung des §184 Abs. 1 BGB auf das Datum der ersten Fassung des Gesellschaftsvertrages (6./9. Oktober 1987) zurückwirkte. Ebenso mag offenbleiben, ob einer etwaigen zivilrechtlichen Rückwirkung nach allgemeinen, für die laufende Einkommensbesteuerung geltenden Grundsätzen die steuerliche Anerkennung zu versagen wäre. Selbst wenn man in Übereinstimmung mit dem FG und den Beteiligten annähme, daß angesichts der langen, im Hinblick auf die Vorlage einer zunächst nicht genehmigungsfähigen Fassung des Gesellschaftsvertrages nicht zuletzt auch durch die Vertragsparteien selbst zu vertretenden Dauer des Genehmigungsverfahres nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen (speziell zu §17 EStG i. V. m. §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 -- vgl. jedoch die nachfolgenden Ausführungen unter II. 2. d) eine Rückwirkung der Genehmigung des Gesellschaftsvertrages nicht in Betracht komme, so könnte entgegen der Ansicht des FA und des FG nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller zu 1 persönlich sein wirtschaftliches Eigentum an den besagten Anteilen, auch soweit diese Anteile 1987 an die noch nicht existente GbR verkauft und abgetreten worden waren und anteilig (vgl. §39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) auf seine minderjährigen Söhne entfielen, gegen ein von ihm in eigener Person zu beanspruchendes oder von ihm selbst tatsächlich vereinnahmtes Entgelt an die C- GmbH veräußert habe.
Die Verwirklichung des Veräußerungstatbestandes i. S. von §17 Abs. 1 Satz 1 EStG setzt neben der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums ("Erfüllungsgeschäft") grundsätzlich ein zwischen dem veräußernden Steuerpflichtigen und dem Erwerber geschlossenes entgeltliches Kausalgeschäft (meist: Kaufvertrag) voraus (vgl. statt vieler z. B. L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §17 Rdnr. 97, m. w. N.). Ein solches Kausalgeschäft ist, soweit es die 1987 an die GbR verkauften Anteile angeht, zwischen dem Antragsteller zu 1 persönlich und der C-GmbH nicht abgeschlossen worden. Vielmehr trat als Verkäufer eindeutig allein die bei Abschluß der Kaufverträge im Streitjahr 1989 freilich noch nicht existente GbR auf. Angesichts dieser eindeutigen vertraglichen Bestimmung der Verkäuferpartei können die wegen der zu dieser Zeit noch nicht entstandenen GbR und anderer ausstehender Genehmigungserfordernisse noch (schwebend) unwirksamen Kaufverträge nicht etwa in der Weise interpretiert oder umgedeutet werden, daß statt der GbR der Antragsteller zu 1 persönlich die Verkäuferrolle habe einnehmen sollen.
b) Selbst wenn man aber unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des §41 AO 1977 dafür hielte, daß das Fehlen eines zwischen dem Antragsteller zu 1 und der C-GmbH bestehenden (entgeltlichen) Kausalgeschäfts der Verwirklichung des Veräußerungstatbestandes i. S. von §17 EStG durch den Antragsteller zu 1 nicht entgegengestanden habe, begegnete die vom FA vorgenommene voll umfängliche Zurechnung des Veräußerungsgewinns beim Antragsteller zu 1 dennoch ernstlichen Zweifeln. Denn weder aus dem Vortrag der Beteiligten noch sonst aus den Akten läßt sich auch nur andeutungsweise entnehmen, daß der Antragsteller zu 1 sein wirtschaftliches Eigentum an den drei Gesellschaftsbeteiligungen auf die C-GmbH übertragen habe und daß er persönlich der wirtschaftliche Eigentümer der in den (schwebend unwirksamen) Kaufverträgen zwischen der GbR und der C-GmbH "begründeten" Kaufpreisforderungen geworden sei oder gar diese Kaufpreisforderungen persönlich vereinnahmt habe.
In diesem Zusammenhang wäre im übrigen auch zu untersuchen, ob der Antragsteller zu 1 beherrschender Gesellschafter der C- GmbH war. Bejahendenfalls könnte sich eine Heranziehung der zu §41 AO 1977 entwickelten Grundsätze schon allein wegen des Fehlens eines zivilrechtlich wirksamen Kausalverhältnisses zwischen dem Antragsteller zu 1 und der C-GmbH verbieten (vgl. z. B. Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl., §41 Anm. 2 c, m. w. N. i. V. m. Anm. 2 b).
c) Schließlich wäre eine Erfassung der streitigen Veräußerungsgewinne im Streitjahr 1989 selbst dann ernstlich zweifelhaft, wenn man die unter II. 2. a) und b) aufgezeigten Zweifel für unbegründet hielte oder jedenfalls nicht als ernstliche ansähe. Zutreffend haben die Antragsteller darauf hingewiesen, daß §17 EStG eine Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art enthält (vgl. dazu schon BFH-Urteil vom 17. Oktober 1957 IV 64/57 U, BFHE 65, 544, BStBl III 1957, 443). Der den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnende Veräußerungsgewinn oder Verlust i. S. von §17 EStG ist stichtagsbezogen aufgrund eines Betriebsvermögensvergleichs zu ermitteln, wobei die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung sinngemäß anzuwenden sind (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1995 VIII R 69/93, BFHE 178, 166, BStBl II 1995, 725, unter II. 2. der Gründe, m. w. N.; L. Schmidt, a. a. O., §17 Rdnr. 131). Insoweit gilt grundsätzlich nichts anderes als im vergleichbaren Veräußerungsfall des §16 EStG (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, unter 2. a der Gründe, m. w. N.).
Vor diesem Hintergrund kann der Einwand der Antragsteller nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden, daß es bei Annahme eines durch den Antragsteller zu 1 im Streitjahr 1989 vollen Umfangs verwirklichten Realisationstatbestandes i. S. von §17 EStG geboten sei, den dem Antragsteller zu 1 zuzurechnenden Veräußerungsgewinn im "Rückstellungswege" um die im Jahr 1989 zwar noch ungewisse, aber nicht unwahrscheinliche Verpflichtung zur Abführung des Veräußerungserlöses an die später entstehende GbR zu mindern.
d) Selbst wenn man indessen eine Vorwegberücksichtigung einer solchen "Rückstellung" mangels einer aus der Sicht des Veräußerungszeitpunkts bestehenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Entstehens der GbR unter der Begründung der besagten Abführungspflicht ablehnen würde, so stellte sich das weitere Problem, ob nicht die spätere Entstehung der GbR und deren spätere Erlangung des Abführungsanspruchs zu einer rückwirkenden Umgestaltung des im Streitjahr 1989 der Besteuerung i. S. von §17 EStG zugrunde gelegten Sachverhalts zu führen vermochte, die sodann eine Änderung des angefochtenen Steuerbescheids nach §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 gebieten würde.
Das FG hat eine solche rückwirkende Korrektur des beim Antragsteller zu 1 zur Gänze angesetzten Veräußerungsgewinns mit der Erwägung abgelehnt, daß die erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen steuerlich nicht zurückwirkten. Im Zeitpunkt der endgültigen Tatbestandserfüllung sei nicht nur offen gewesen, ob das Vormundschaftsgericht die beantragten Genehmigungen erteilen werde. Die Antragsteller hätten es vielmehr auch nach der Tatbestandserfüllung noch in der Hand gehabt, den Antrag auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zurückzunehmen. Die Eröffnung einer derartigen Gestaltungsmöglichkeit würde dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zuwiderlaufen.
Auch diese Rechtsauffassung ist nicht frei von ernstlichen Zweifeln. Selbst wenn die besagten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen für Zwecke der laufenden Einkommensbesteuerung keine Rückwirkung entfalten könnten, hieße dies nicht zwangsläufig, daß sie auch kein rückwirkendes Ereignis i. S. des §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 i. V. m. §17 EStG darstellen könnten.
Nach §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, "soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat ( ... )". Ob ein solches rückwirkendes Ereignis vorliegt, entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz, hier namentlich nach §17 EStG. §17 EStG erfaßt ebenso wie §16 EStG Veräußerungsgewinne und schafft damit innerhalb der laufend veranlagten Einkommensteuer einen besonderen Besteuerungstatbestand, welcher einmalige, punktuelle Sachverhalte erfaßt. Im Interesse einer sachgerechten Besteuerung derartiger singulärer Veräußerungssachverhalte hat insbesondere die jüngere, durch die Beschlüsse des Großen Senats vom 19. Juli 1993 GrS 1/92 (BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894) und GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) eingeleitete Rechtsprechung des BFH den Begriff des "rückwirkenden Ereignisses" i. S. der §§16 und 17 EStG weit ausgelegt und darunter sämtliche Vorgänge rechtlicher und tatsächlicher Art verstanden, die den früher erfaßten und besteuerten Veräußerungsgewinn dem Grund oder der Höhe nach beeinflussen. Dies gilt -- wie schon die Einbeziehung rein tatsächlicher Ereignisse, etwa der Ausfall einer Kaufpreisforderung, belegt -- ohne Rücksicht darauf, ob der Vorgang nach zivilrechtlichen oder nach den allgemein für die laufende Einkommenbesteuerung geltenden Grundsätzen Rückwirkung zeitigt oder nicht (vgl. -- zu einem rechtlichen Vorgang -- das zu §17 EStG ergangene Senatsurteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, betreffend die Ausübung eines freien vertraglichen Rücktrittsrechts, wobei ein solcher Rücktritt nach heute ganz überwiegender Auffassung im Zivilrecht nicht zu einem rückwirkenden Wegfall der beiderseitigen Vertragspflicht, sondern zu einer lediglich für die Zukunft wirkenden Umgestaltung des Rechtsverhältnisses führt). Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung sogar dann, wenn das spätere Ereignis nicht einmal im "Kern" in dem ursprünglichen Veräußerungsvorgang angelegt war (vgl. z. B. BFH-Beschluß in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C. II. 1. b der Gründe; BFH-Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, unter 2. b der Gründe).
Unter Beachtung dieser weiten Interpretation des rückwirkenden Ereignisses i. S. von §17 EStG (oder §16 EStG) begegnet es ernstlichen Zweifeln, daß die spätere Entstehung der im Jahr 1989 bereits in statu nascendi befindlichen GbR und die Auskehrung des Veräußerungserlöses an diese keine rückwirkenden Ereignisse i. S. des §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 i. V. m. §17 EStG sein sollen. Daran vermag entgegen der Ansicht des FG auch nichts der Umstand zu ändern, daß die Anträge auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung bis zu deren Erteilung hätten zurückgenommen werden können. Abgesehen davon, daß den Antragstellern selbst eine solche Befugnis zur Rücknahme der von ihren Kindern -- vertreten durch deren Ergänzungspfleger -- gestellten Anträge gar nicht zustand, hindert es die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses nicht, wenn dessen Eintritt durch den Steuerpflichtigen selbst beeinflußt werden kann. So ist namentlich unbestritten, daß ein rückwirkendes Ereignis i. S. des §16 oder 17 EStG auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige selbst das der Veräußerung zugrundeliegende Rechtsgeschäft erfolgreich anficht (vgl. §§119, 123 BGB), die Wandelung des Kaufvertrages oder die Minderung des Kaufpreises begehrt (§§459 ff. BGB) oder ein gesetzliches (vgl. §440 Abs. 1 i. V. m. §326 BGB) oder vertragliches Rücktrittsrecht ausübt (zum "freien" vertraglichen Rücktrittsrecht als rückwirkendes Ereignis im Rahmen des §17 EStG vgl. das Senatsurteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648).
3. Angesichts des aufgezeigten Gewichts der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hat der beschließende Senat davon abgesehen, die gebotene Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
Fundstellen
Haufe-Index 302845 |
BFH/NV 1999, 33 |