Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Angabe des Inhaltsadressaten eines Zinsbescheids
Leitsatz (NV)
- Eine eindeutig falsche Schuldnerangabe in einem Zinsbescheid kann nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden.
- Bei fristgebundenen Klagen ist eine den Beteiligten wechselnde Klageänderung nach Ablauf der Klagefrist unzulässig.
Normenkette
AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2, §§ 235, 239 Abs. 1 S. 1; FGO §§ 65, 67
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 07.11.2001; Aktenzeichen 11 K 97/96) |
Tatbestand
I. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 30. Juli 1985 erwarb die A-AG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist, ein Grundstück zu einem Kaufpreis von insgesamt 3 174 000 DM. Für diesen Erwerb setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) gegen die A-AG Grunderwerbsteuer in Höhe von 63 480 DM fest. Nachdem dem FA bekannt geworden war, dass die A-AG im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag einen Bauvertrag über die Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses auf dem Grundstück abgeschlossen hatte, setzte es durch Änderungsbescheid vom 30. November 1992 Grunderwerbsteuer in Höhe von nunmehr 254 680 DM gegen die Klägerin fest. Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch teilte die Klägerin ―in der Sache unzutreffend― mit, dass ihre Rechtsnachfolgerin die B-AG sei. Das FA wies den Einspruch durch einen an die B-AG gerichteten und bestandskräftig gewordenen Einspruchsbescheid als unbegründet zurück.
Durch Bescheid vom 1. Dezember 1994 setzte das FA gegen die B-AG für die aufgrund des Änderungsbescheids vom 30. November 1992 erhobene Grunderwerbsteuernachforderung Hinterziehungszinsen in Höhe von 84 128 DM fest. Den von der B-AG hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch an die B-AG gerichteten und mit dem Zusatz "als Rechtsnachfolgerin der A-AG" versehenen Einspruchsbescheid vom 9. April 1996 als unbegründet zurück. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mangels Klagebefugnis der Klägerin als unzulässig ab.
Die Revision ließ das FG nicht zu. Dagegen richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen. Das FG habe gegen seine Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) und vollständigen Würdigung ihres Prozessvortrags verstoßen. Es hätte bei zutreffender Würdigung des gesamten Prozessvortrags von ihrer ―der Klägerin― Bevollmächtigung durch die B-AG ausgehen oder jedenfalls die Bezeichnung der B-AG als Steuerschuldnerin in dem angegriffenen Einspruchsbescheid als unschädliche Falschbezeichnung würdigen müssen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der als Verfahrensmangel gerügte Verstoß des FG-Urteils gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) und den klaren Inhalt der Akten ist nicht gegeben.
1. Ein Verfahrensfehler liegt nicht darin, dass das FG die Klägerin nicht als Inhaltsadressatin des angegriffenen Zinsbescheids angesehen hat. Das FG hat, indem es die Bezeichnung der B-AG als Inhaltsadressatin des angegriffenen Hinterziehungszinsenbescheids nicht als unschädliche Falschbezeichnung behandelt und eine Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) der Klägerin als der tatsächlichen Rechtsnachfolgerin der A-AG verneint hat, nicht gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen.
Auf einen Zinsbescheid nach § 235 der Abgabenordnung (AO 1977) sind gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 muss ein schriftlicher Steuerbescheid angeben, wer die Steuer schuldet. In dem angegriffenen Zinsbescheid ist ausschließlich und eindeutig die B-AG als Schuldnerin der Hinterziehungszinsen bezeichnet. Damit entfällt eine ―grundsätzlich mögliche― Auslegung im Hinblick auf die Person des Steuerschuldners, weil nur bei objektiv mehrdeutigen Bescheiden etwaige Zweifel über den Inhaltsadressaten durch Auslegung behoben werden können (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Juni 1999 II R 36/97, BFH/NV 2000, 170, m.w.N.). Ein Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid kann auch nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden (BFH-Beschluss vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; BFH-Urteil vom 7. Mai 1993 VI R 93/92, BFH/NV 1994, 2). Der Umstand, dass der angefochtene Einspruchsbescheid mit dem Zusatz "als Rechtsnachfolgerin der A-AG" versehen war, vermag daher an der eindeutigen Bezeichnung der B-AG als Schuldnerin der Hinterziehungszinsen nichts zu ändern.
2. Die Rüge der Klägerin, das FG sei aufgrund fehlerhafter Würdigung des Schriftsatzes vom 19. August 1996 von einer Erhebung der Klage durch die Klägerin in Prozessstandschaft der B-AG ausgegangen, geht fehl. Das FG hat seinem Urteil den Inhalt des Schriftsatzes vom 19. August 1996 verfahrensfehlerfrei nur insofern zugrunde gelegt, als die Klägerin in diesem selbst eingeräumt hatte, nicht Adressatin des angegriffenen Hinterziehungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung zu sein. Im Übrigen hat das FG lediglich ―was mit der Rechtsprechung des BFH in Einklang steht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. April 1991 V R 86/85, BFHE 164, 219, BStBl II 1991, 729; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 40 Rz. 57, m.w.N.)― die Möglichkeit einer Prozessstandschaft im finanzgerichtlichen Verfahren verneint.
3. Ein Verfahrensmangel ist auch nicht deshalb gegeben, weil das FG ―wie die Klägerin meint― bei zutreffender Würdigung des gesamten Prozessvortrags von einer Bevollmächtigung der Klägerin durch die B-AG hätte ausgehen müssen.
Die nach § 65 Abs. 1 FGO erforderliche Bezeichnung des Klägers gehört zu den Mindestangaben, die bereits bis zum Ablauf der Klagefrist vorliegen müssen, damit die Klageschrift überhaupt als fristwahrende Erhebung einer Klage gewertet werden kann (BFH-Beschluss vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171). Eine Klageschrift ist, soweit die Person des Klägers nicht eindeutig ist und eine nach § 65 Abs. 2 FGO zu fordernde Ergänzung fehlt, als prozessuale Willenserklärung auszulegen. Auch bei scheinbar eindeutiger Bezeichnung des Klägers hängt die Bestimmung des Klägers in der Klageschrift von allen dem Empfänger der Klageschrift, also FG und FA, bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art ab (BFH-Beschluss vom 8. Januar 1991 VII R 61/88, BFH/NV 1991, 795).
Nach diesen Grundsätzen ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin als vermeintliche Adressatin der angegriffenen Bescheide die Klage in eigenem Namen erhoben hat. Eine dahin gehende Auslegung der Klageschrift, dass die Klage von der Klägerin als Vertreterin der B-AG eingelegt wurde, scheidet aus. In der Klageschrift ist die Klägerin eindeutig als solche ―und nicht als Bevollmächtigte der B-AG― bezeichnet. Die B-AG hat eine Klägerstellung auch nicht durch die Erklärung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19. August 1996 erlangt, dass sie die Klage auch im Namen der B-AG erhoben habe. Diese Erklärung hat die Klägerin erst nach Ablauf der Klagefrist abgegeben. Ein Beteiligtenwechsel nach Ablauf der Klagefrist ist jedoch unzulässig (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1990 VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429, m.w.N.; Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz. 10 f.); auch eine Klageergänzung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO ist insoweit ausgeschlossen (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1997 I B 69/96, BFH/NV 1997, 588). Auf die BFH-Entscheidung vom 14. November 1986 III R 12/81 (BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178) sowie vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85 (BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401) kann sich die Klägerin nicht berufen, da es im Streitfall nicht darum geht, dass fälschlich eine nicht mehr existente Person oder Gesellschaft als Rechtsmittelführer bezeichnet worden ist. Die Klägerin und die B-AG bestehen nebeneinander.
Fundstellen
Haufe-Index 1090301 |
BFH/NV 2004, 316 |