Leitsatz (amtlich)
Wird ein Teilbetrag des im Steuerbescheid festgesetzten Abgabenbetrags vor Klageerhebung erlassen, so bemißt sich der Streitwert nur noch nach dem verbleibenden Abgabenbetrag, auch wenn der Klageantrag nach seinem Wortlaut auf Aufhebung des Steuerbescheids gerichtet ist.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 3, § 148 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin hatte gegen den Steuerbescheid des HZA vom 26. November 1963 über ... DM Eingangsabgaben am 23. Dezember 1963 Einspruch erhoben mit dem Antrag, den Steuerbescheid aufzuheben. Auf Antrag der Klägerin erließ das HZA einen Teilbetrag. Am 18. Dezember 1965 legte die Klägerin gegen den Bescheid des HZA, mit dem es den Erlaß des Restbetrags ablehnte, Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 1966 erhob die Klägerin Klage und beantragte, den Steuerbescheid vom 26. November 1963 und den den Erlaß des Restbetrags ablehnenden Bescheid des HZA vom 29. Dezember 1964 aufzuheben.
Das FG nahm das Vorliegen von zwei Streitsachen an und wies die Klagen jeweils als unzulässig ab. Die den Steuerbescheid betreffende Streitsache sah es als Klage gemäß § 46 FGO an. Auf Antrag der Klägerin setzte es den Streitwert fest, und zwar in Höhe des mit dem Steuerbescheid angeforderten Betrags.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, daß es nicht ersichtlich gewesen sei, warum das FG die eine Klageschrift vom 31. Dezember 1966 zum Anlaß genommen habe, zwei Streitsachen zu bilden. Aus der Klageschrift sei zu ersehen, daß vor Einreichung der Klage der Teilbetrag mit Bescheid vom 29. Dezember 1964 erlassen worden sei und kein Streitgegenstand habe werden können. Das HZA habe auch so die Klageschrift in seinem Schriftsatz vom 15. März 1967 verstanden. Es widerspreche jeder Erfahrung, daß sich Beteiligte über einen erloschenen Anspruch streiten. Wenn das FG diese Frage für aufklärungsbedürftig gehalten habe, so hätte es dies mit den Beteiligten erörtern müssen, zwischen denen nur über den Restbetrag Streit bestanden habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zulässig.
Das FG hat den Antrag der Klägerin auf Streitwertfestsetzung nicht als Erinnerung gegen den Kostenansatz angesehen. Deshalb ist sein Beschluß auch nicht gem. § 148 Abs. 3 FGO unanfechtbar.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Im Falle der Klage gemäß § 46 FGO kommt es darauf an, welche Sachanträge gestellt sind. Stellt der Abgabenpflichtige den Antrag auf Aufhebung des Steuerbescheids, so will er damit eine Sachentscheidung, nicht aber nur die Verpflichtung des HZA erreichen, über den Einspruch zu entscheiden. Lediglich bei der Beschränkung auf eine solche Verpflichtung wären nur 10 % des streitigen Steuerbetrags, im anderen Falle aber die volle Höhe des streitigen Steuerbetrags als Streitwert anzusetzen (vgl. Entscheidung des BFH I B 11/66 vom 25. Januar 1967, BFH 88, 19, BStBl III 1967, 253; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1.-6. Auflage, § 140 FGO Anm. 60). Da die Klägerin die Aufhebung des Steuerbescheids vom 26. November 1963 begehrt hatte, kommt ein Streitwert von nur 10 % des Steuerbetrags nicht in Betracht.
Nach § 140 Abs. 3 FGO wird der Streitwert unter Berücksichtigung der Sachanträge nach freiem Ermessen bestimmt. Das Ermessen wird regelmäßig dadurch fehlerfrei ausgeübt, daß das finanzielle Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Entscheidung festgestellt wird (vgl. BFH-Entscheidung IV B 87/70 vom 14. Dezember 1970, BFH 101, 41, BStBl II 1971, 206). Hierbei sind neben den Sachanträgen auch die Erklärungen des Abgabenpflichtigen zu berücksichtigen, wie sie bei vernünftiger Auslegung prozessual möglich erscheinen (vgl. BFH-Entscheidung IV 227/63 vom 6. August 1964, StRK, Reichsabgabenordnung, § 320, Rechtsspruch 71).
Im Streitfall hat die Klägerin nicht beantragt, die ursprüngliche Steueranforderung als rechtswidrig aufzuheben. Sie hat lediglich beantragt, den Steuerbescheid vom 26. November 1963 aufzuheben. In der Klageschrift hierzu teilte sie mit, daß das HZA einen Teilbetrag bereits erlassen habe und daß es noch um den Restbetrag an Eingangsabgaben gehe. Dies kann nur bedeuten, daß sie nur noch die Aufhebung des Steuerbescheids im Hinblick auf diesen verbleibenden Betrag begehrte. Denn insoweit ist die Abgabenschuld noch nicht erloschen. Hinsichtlich des erlassenen Betrages wäre die Klägerin auch nicht mehr beschwert; denn der Umstand, daß durch den Erlaß aus Billigkeitsgründen der Steuerbescheid an sich nicht berührt wird, stellt keine Beschwer dar.
Fundstellen
Haufe-Index 69654 |
BStBl II 1972, 574 |
BFHE 1972, 334 |