Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Konkursantrag des Finanzamts
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage, ob der vom FA gestellte Konkursantrag als Verwaltungsakt zu werten ist und ob vorläufiger Rechtsschutz gegen diesen Antrag durch einstweilige Anordnung oder durch Aussetzung der Vollziehung in Betracht kommt.
2. Ein Anspruch auf eine einstweilige Anordnung (1.) ist nur gegeben, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Konkursantrag ermessensfehlerhaft gestellt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 251 Abs. 2 S. 1; KO §§ 103, 102; FGO § 114 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 5; ZPO § 920
Tatbestand
Das Finanzamt - FA - beantragte am 29. April 1987 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin, einer GmbH & Co. KG, nachdem zuvor vergeblich die Einzelvollstreckung wegen . . . DM Lohn- und Lohnkirchensteuer nebst Verspätungszuschlägen und . . . DM Umsatzsteuer nebst Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen in Höhe von rd. . . . DM versucht und die Antragstellerin zweimal zu Zahlungen zwecks Vermeidung des Konkursantrags aufgefordert worden war. Die Steuerrückstände sind bis auf einen Teilbetrag von . . . DM (Umsatzsteuer) unstreitig. Die Antragstellerin hält den Konkursantrag für ermessensfehlerhaft und meint, dieser müsse zurückgestellt werden, zumindest bis zur Klärung, ob umsatzsteuerpflichtige Leistungen rückgängig gemacht worden seien. Ihr an das Finanzgericht (FG) gerichteter Antrag, das FA zu verpflichten, vorläufig das Konkursverfahren nicht zu betreiben, hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus, der Antrag sei statthaft, weil einem auf ,,Rücknahme" des Konkursantrags gerichteten Rechtsschutzbegehren nur auf dem Wege einer einstweiligen Anordnung, nicht aber durch Aussetzung der Vollziehung entsprochen werden könne; der Konkursantrag der Finanzbehörde und die Rücknahme dieses Antrags seien keine Verwaltungsakte. Ein Anordnungsanspruch sei jedoch nicht gegeben, weil ein Ermessensfehler bei der Entscheidung des FA weder dargetan noch glaubhaft gemacht worden sei. Schon die unstreitigen, seit langem bestehenden Lohnsteuerverbindlichkeiten rechtfertigten einen Konkursantrag. Noch nicht einmal durch eine Teilzahlung in dieser Höhe habe die Antragstellerin den ernstlichen Willen gezeigt, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Es sei von Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin auszugehen, da diese nicht habe erkennen lassen, daß sie ihre Lohnsteuerschulden durch Auskehrung liquider Mittel oder Stellung von Sicherheiten erfüllen werde. Der Konkursantrag sei auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil ein Teil der Umsatzsteuerbescheide angefochten sei. Substantiierte Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide habe die Antragstellerin nicht erhoben und bei Gericht keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.
Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluß macht die Antragstellerin geltend, sie habe sich nicht zu der Antragserwiderung des FA äußern können, da diese wegen Fehlens einer - nicht bekannten - Anlage (mit dem wesentlichen Ergebnis staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen) unvollständig gewesen sei. Da sie - Antragstellerin - sich eine Stellungnahme nach - vergeblich beim FG angemahnter - Vervollständigung des Schriftsatzes des FA vorbehalten habe, sei ihr das rechtliche Gehör versagt worden. Die Lohnsteuerverbindlichkeiten beständen nur formal, denn sie bezögen sich allein auf das Gehalt des Geschäftsführers, bei dessen Einkommensteuerveranlagung die nicht abgeführten Steuerabzugsbeträge unberücksichtigt gelassen worden seien. Überdies sei der der Lohnsteueranmeldung zugrundeliegende Lohn nicht gezahlt worden (eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers). Endgültige Umsatzsteuerveranlagungen lägen nicht vor. Es sei nicht berücksichtigt worden, daß dem FA - vergeblich - Sicherheiten in Form von Forderungsabtretungen angeboten worden seien.
Das FA führt im wesentlichen aus, die Verpflichtung der Antragstellerin als Arbeitgeberin, die im jeweiligen LohnsteuerAnmeldungszeitraum einbehaltenen Steuerabzugsbeträge abzuführen, bestehe unabhängig davon, ob die Steuern beim Lohnsteuer-Jahresausgleich oder bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers angerechnet würden. Daß die Geschäftsführergehälter nicht ausgezahlt worden seien, sei als bloße Schutzbehauptung der Antragstellerin zu werten. Die als Sicherheiten angebotenen Abtretungen hätten wertlose Forderungen zum Gegenstand gehabt (Vorsteuererstattungsansprüche aus Scheingeschäften eines inzwischen aufgelösten Unternehmens).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit Recht abgewiesen.
1. Die Vorentscheidung ist davon ausgegangen, daß das Rechtsschutzziel der Antragstellerin nur mittels einstweiliger Anordnung zu erreichen sei, weil in einem Hauptverfahren wegen des Konkursantrags des FA, der nicht als Verwaltungsakt zu werten sei, die Leistungsklage gegeben sei, und hat aus diesem Grunde den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung für statthaft gehalten. Dieser Ausgangspunkt entspricht einer in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend vertretenen Ansicht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 251 AO Tz. 8; Szymczak in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 251 Rz. 10/1 und 2, jeweils mit Hinweisen; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 114 Anm. 45; FG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 3. September 1986 5 V 9/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 103; im Ergebnis auch Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., 1986, § 251 Anm. 2, die indessen den Konkursantrag für einen Verwaltungsakt gegenüber dem Steuerschuldner halten; anders insoweit hinsichtlich des Konkursantrags einer Krankenkasse Bundessozialgericht, Urteil vom 9. November 1977 3 RK 5/76, BSGE 45, 109, 110 f., Neue Juristische Wochenschrift 1978, 2359, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1979, 24; in letzterem Sinne auch Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl. 1987, Vor § 249 Bem. D 2, § 251 Bem. 3). Auch der Senat hat, wenngleich ohne nähere Erörterung, Anträge auf Regelungsanordnungen dahin, daß ein vom FA gestellter Konkursantrag zurückzunehmen oder nicht weiter zu betreiben sei, für statthaft erachtet (Beschluß vom 23. Juli 1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41; vgl. auch Beschluß vom 20. November 1984 VII B 39/84, Steuerrechtsprechung in Karteiform, § 69 FGO R. 266 - Nr. 1 c a. E.). Demgegenüber wird auch die Auffassung vertreten, daß der vom FA gestellte Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens ein vollziehbarer Verwaltungsakt sei (vgl. Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 179/1 und 4068), vorläufiger Rechtsschutz mithin durch Aussetzung der Vollziehung in Betracht komme (Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 251 AO Anm. 132 c). Der Senat hat Verfügungen der Vollstreckungsbehörde - Finanzamt -, mit denen die Eintragung einer Sicherungshypothek bzw. die Zwangsversteigerung eines Grundstücks beantragt wird (§ 322 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -), als aussetzungsfähige Verwaltungsakte ,,zumindest dann" angesehen, wenn sie die Feststellung enthalten, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen (Beschluß vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236; Beschluß vom 25. Januar 1988 VII B 85/87, BFHE 152, 53). Ob sich aus dieser Rechtsprechung Folgerungen für die rechtliche Beurteilung des von der Finanzbehörde gestellten Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners (vgl. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, § 103 der Konkursordnung - KO -) ergeben oder ob, wie die Vorinstanz annimmt, entscheidungserhebliche Unterschiede zwischen Konkursanträgen des FA und seinen für die Einzelvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erforderlichen Anträgen bestehen, braucht für den Streitfall nicht entschieden zu werden. Kommt nämlich für den von der Antragstellerin erbetenen vorläufigen Rechtsschutz nur die Aussetzung der Vollziehung in Betracht, so scheidet eine einstweilige Anordnung, wie sie die Antragstellerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten - einen Rechtsanwalt - unzweideutig begehrt hat, von vornherein aus (§ 114 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); eine Umdeutung des Antrags verbietet sich (Senat, Beschluß vom 25. September 1985 VII B 77/85, BFH/NV 1986, 223). Ist jedoch mit der Vorinstanz von der Statthaftigkeit des Antrags auszugehen, so kann ihm jedenfalls, wie noch auszuführen ist, aus Sachgründen nicht entsprochen werden.
2. Nicht durchdringen kann die Beschwerde, soweit sie sich darauf beruft, aus den von ihr vorgetragenen Gründen sei der Antragstellerin das rechtliche Gehör versagt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anspruch auf Gehörsgewährung im Antragsverfahren - einem summarischen Eilverfahren - so weit geht, wie die Antragstellerin meint. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß die Vorentscheidung auf einem Gesichtspunkt beruht, hinsichtlich dessen der Antragstellerin nicht ausreichend Gehör gewährt worden sei. Die Antragstellerin hat selbst eingeräumt, daß das FG sich nicht ,,auf diesen Fahndungsbericht" gestützt hat. Im übrigen hat sich die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren mit den in diesem Bericht enthaltenen Erkenntnissen nicht weiter auseinandergesetzt, die Möglichkeit, sich in ausreichendem Maße zu äußern, nicht genutzt, so daß eine Gehörsversagung jedenfalls geheilt wäre (Bundesfinanzhof, Beschluß vom 29. September 1976 I B 113/75, BFHE 120, 134, BStBl II 1977, 83).
3. Die Voraussetzungen der begehrten Anordnung liegen, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht vor.
Es kann offenbleiben, ob es wegen der einschneidenden Folgen eines Konkurses für den Gemeinschuldner der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für die erstrebte einstweilige Regelung nicht bedarf (vgl. Beschluß VII B 39/84, Nr. 3) und ob einem auf ,,Rücknahme" des Konkursantrags gerichteten Begehren der Grundsatz entgegenstände, daß das Eilverfahren einem Hauptverfahren nicht vorgreifen darf (vgl. BFH/NV 1986, 41 f.; FG Rheinland-Pfalz, a. a. O.). Es braucht auch nicht aufgeklärt zu werden, ob inzwischen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, was die Folge hätte, daß der Konkursantrag ohnehin nicht mehr zurückgenommen werden könnte, ein Rechtsschutzinteresse für das Antragsbegehren mithin entfiele (Senat, Beschluß vom 1. März 1978 VII B 41/77, BFHE 124, 311, BStBl II 1978, 313). Jedenfalls ist der für den Erlaß der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 der Zivilprozeßordnung) nicht gegeben. Dafür hätte vorgetragen und glaubhaft gemacht werden müssen, daß dem vom FA gestellten Konkursantrag ein Ermessensfehler anhaftet (vgl. § 102 FGO), daß etwa trotz Bestehens eines Konkursgrundes (§ 102; § 209 Abs. 1 Satz 3; § 207 KO) der Antrag unter mißbräuchlicher Ausnutzung der aufgrund der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen gegebenen Rechtsstellung oder aus sachfremden Erwägungen gestellt worden sei (BFH/NV 1986, 41, 43). Dem Antrags- und Beschwerdevorbringen kann indessen nicht entnommen werden, daß derartige Umstände vorliegen. Das Bestehen des Konkursgrundes der Zahlungsunfähigkeit hat die Antragstellerin nicht unmittelbar in Zweifel gezogen. Sie hat auch nicht in Abrede gestellt, daß gegen sie bestandskräftige Lohnsteuerfestsetzungen in einer Höhe vorliegen, die nach der zutreffenden Auffassung des FG schon für sich den Konkursantrag rechtfertigten. Mit Recht mach das FA geltend, daß die Verpflichtung der Antragstellerin zur Abführung einbehaltener Lohnsteuerabzugsbeträge unabhängig von ihrer Anrechnung bei der Veranlagung des Arbeitnehmers (Geschäftsführer) besteht. Den ,,formalen" Charakter dieser Verbindlichkeiten hat die Antragstellerin zwar behauptet, die Behauptung jedoch nicht näher ausgeführt und auch nicht belegt, nachdem das FA auf die Beschwerde erwidert hatte. Eine Nichtauszahlung des Geschäftsführergehalts, wie sie erstmals im Beschwerdeverfahren behauptet wird, hält der Senat angesichts der aufgrund fachkundiger Beratung erfolgten Lohnsteueranmeldung durch die Antragstellerin trotz der gegenteiligen eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers nicht für hinreichend glaubhaft gemacht. Daß die Umsatzsteuerfestsetzungen zu einem Teil noch nicht bestandskräftig sind, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, auch aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, die der Senat für zutreffend hält. Auf die Frage, ob die Antragstellerin mit Einwendungen gegen die noch nicht bestandskräftigen Bescheide auf die gegebenen Rechtsbehelfsmöglichkeiten zu verweisen ist (§ 256 AO 1977; dazu Beschluß VII B 39/84, Nr. 3; Scymczak, a. a. O., Rz. 10), kommt es nicht an. Auch daraus, daß die Antragstellerin dem FA Sicherheiten angeboten hat, läßt sich nicht herleiten, daß der Konkursantrag ermessensfehlerhaft gestellt worden sei. Jedenfalls dann, wenn der Steuergläubiger plausible Gründe hat, auf ein solches Anerbieten nicht einzugehen, kann in der Wahl der Vollstreckung ein Ermessensfehler nicht gesehen werden. Im Streitfalle hat das FA einsichtige Gründe angeführt, die es verständlich erscheinen lassen, daß es sich auf das Angebot der Antragstellerin nicht eingelassen und statt dessen den Weg der Vollstreckung eingeschlagen hat, hier durch den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin, nachdem Einzelvollstreckungen und Anmahnungen vergeblich geblieben waren.
Fundstellen
Haufe-Index 415753 |
BFH/NV 1988, 762 |