Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
1. Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters sind kein Ablehnungsgrund. Sie können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dafür gegeben sind, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten beruht.
2. Das Gericht entscheidet über das Ablehnungsgesuch grundsätzlich ohne den abgelehnten Richter. Eine Ausnahme hiervon kann für die Fälle gemacht werden, in denen das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich ist oder deshalb offensichtlich unzulässig ist, weil der Ablehnungsgrund nicht substantiiert bzw. glaubhaft gemacht worden ist.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1, § 42 Abs. 2; ZPO § 47
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 09.04.2008; Aktenzeichen 14 K 2612/05) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg. Die gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor bzw. wurden nicht entsprechend den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügt.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darin, dass das (Hauptsache-)Verfahren trotz der Anhängigkeit des unselbstständigen Zwischenverfahrens wegen der Zurückweisung des Bevollmächtigten fortgeführt worden ist. Die gegen den Zurückweisungsbeschluss erhobene Beschwerde des früheren Bevollmächtigten der Klägerin vom 22. Februar 2008 hat gemäß § 131 FGO keine aufschiebende Wirkung und steht dem Fortgang des Verfahrens nicht entgegen (Beschluss des angerufenen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Juni 2007 X B 98/06, BFH/NV 2007, 1912, m.w.N.).
2. Ein Verfahrensmangel liegt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darin, dass der Vorsitzende Richter und die Berichterstatterin, die von der Klägerin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden waren, an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt haben.
a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BFH darauf an, ob der Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen darf, der Richter werde nicht unvoreingenommen, sondern willkürlich entscheiden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555; vom 24. November 1994 X B 146-149/94, BFH/NV 1995, 692). Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund (z.B. Senatsentscheidung in BFH/NV 1995, 692). Sie können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten beruht (z.B. Senatsbeschluss vom 6. Februar 1996 X B 95/95, BFH/NV 1996, 752).
Es sind bei den von der Klägerin behaupteten Verfahrensverstößen --Fortführung des Verfahrens trotz Anhängigkeit eines Zwischenverfahrens sowie die fehlende Gewährung der Akteneinsicht-- keine Anhaltspunkte erkennbar, warum sie den Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit darstellen könnten. Eine solche Besorgnis könnte sich nur aus der Behauptung der Klägerin ergeben, die Richter hätten dem Prozessbevollmächtigten durch Ladung zum Termin "eine Falle gestellt", "um ihn im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Beisein der Mandantin in --so gewollt(!)-- demütigender Weise zurückzuweisen". Dieser Vorwurf ist jedoch eine unsubstantiierte Behauptung und vor allem vor dem Hintergrund, dass der Klägerin die Zweifel an der Befugnis ihres Bevollmächtigten, sie im finanzgerichtlichen Verfahren zu vertreten, durch Übersendung des Schreibens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 13. Juli 2005, bekannt waren, nicht nachvollziehbar und unschlüssig.
b) Gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 ZPO entscheidet das Gericht über das Ablehnungsgesuch grundsätzlich ohne den abgelehnten Richter. Eine Ausnahme hiervon hat der BFH zugelassen für die Fälle, in denen das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich ist oder deshalb offensichtlich unzulässig ist, weil der Ablehnungsgrund nicht substantiiert bzw. glaubhaft gemacht worden ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Juli 1976 III R 24/74, BFHE 119, 227, BStBl II 1976, 627; vom 23. Februar 1994 IV B 79/93, BFH/NV 1994, 877, m.w.N.). Dieser Ausnahmefall liegt hier vor. Mangels ausreichender Substantiierung des Befangenheitsantrages durfte das Finanzgericht (FG) auch mit dem abgelehnten Vorsitzenden Richter sowie der abgelehnten Berichterstatterin entscheiden.
c) Da der Befangenheitsantrag der Klägerin offensichtlich unzulässig ist, war auch eine ansonsten erforderliche dienstliche Stellungnahme der Richter entbehrlich. Ebenso war es nicht notwendig, über den Befangenheitsantrag in einem besonderen Beschluss zu entscheiden. Das FG konnte darüber in dem Urteil mitentscheiden (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, m.w.N.).
d) Es kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des FG, das Ablehnungsgesuch der als Bevollmächtigte auftretenden Ltd. stelle eine unwirksame Prozesserklärung dar, den Grundsätzen des § 62 FGO widerspricht. Da das FG die Ablehnung des Befangenheitsantrages auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende Gesichtspunkte gestützt hat und nur eine Begründung --möglicherweise-- durch einen Verfahrensfehler beeinflusst ist, beruht das Urteil nicht auf diesem --eventuellen-- Mangel (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 97, m.w.N.).
3. Auch das Vorbringen der Klägerin, das FG habe mit der Abweisung ihrer Klage als unzulässig gegen verschiedene Verfahrensvorschriften verstoßen, kann die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Das FG hat die Unzulässigkeit der Klage ebenso wie die Ablehnung des Befangenheitsantrages auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende Gesichtspunkte gestützt: zum einen auf die fehlende Vorlage einer Prozessvollmacht der Ltd. und zum anderen darauf, dass der Gegenstand des Klagebegehrens nicht gemäß § 65 Abs. 1 FGO bezeichnet wurde. Um der Nichtzulassungsbeschwerde zum Erfolg zu verhelfen, ist es notwendig, die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form in Bezug auf beide Begründungen darzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 28, m.w.N.). Dies hat die Klägerin unterlassen.
a) Die Klägerin trägt vor, § 65 Abs. 2 FGO verpflichte das Gericht in den Fällen, in denen es der Auffassung ist, der Gegenstand des Klagebegehrens sei nicht ausreichend bezeichnet worden, dazu, den Kläger unter Fristsetzung zur Beseitigung des Mangels aufzufordern. Dies habe das FG unterlassen. Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensmangel jedoch nicht schlüssig gerügt.
Für die schlüssige Rüge der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht ist nicht nur anzugeben, worauf das Gericht hätte hinweisen sollen, sondern auch, was die Beteiligten im Falle des Hinweises konkret vorgetragen hätten und inwiefern das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2003 III B 135/03, BFH/NV 2004, 339, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, das FG hätte gemäß § 65 Abs. 2 FGO auf die nicht ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens hinweisen müssen. Indes fehlt jeglicher Vortrag dazu, was sie auf einen entsprechenden Hinweis zur Präzisierung ihres Klagebegehrens noch ausgeführt hätte.
b) Da die Klägerin damit eine der beiden Begründungen des FG zur Unzulässigkeit der Klage nicht entsprechend den Darlegungsanforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gerügt hat, kann ihrem weiteren Vorbringen, das FG sei zu Unrecht von dem Fehlen einer Prozessvollmacht der Ltd. ausgegangen bzw. hätte zumindest unter Fristsetzung die Vollmacht anfordern müssen, keine Bedeutung mehr zukommen. Daher kann es der angerufene Senat dahingestellt sein lassen, ob das FG dadurch, dass es die Klage abgewiesen hat, ohne dem Bevollmächtigten die Möglichkeit zu geben, die Vollmacht nachzureichen, gegen § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO verstoßen hat. Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob die Ltd. überhaupt postulationsfähig ist.
4. Die Klägerin hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch das FG ebenfalls nicht aufgezeigt. Die Rüge der fehlenden Zuziehung von Akten, die nicht gewährte Akteneinsicht sowie die nicht vollständige Übersendung der Anlagen des Schreibens des FA vom 13. Juli 2005 können vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ihr Klagebegehren bislang nicht substantiiert hatte, keinen Erfolg haben. Es besteht kein Anlass zur Gewährung von Akteneinsicht, solange die Klage --wie hier-- als unzulässig abzuweisen ist (Gräber/Koch, a.a.O., § 78 Rz 5, m.w.N.).
Fundstellen