Entscheidungsstichwort (Thema)
Sondergewinne i.S. des § 13a Abs. 8 EStG a.F. sind i.d.R. nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln; Sachaufklärungspflicht; Verletzung des rechtlichen Gehörs bei fehlender Kenntnisnahme eines Schriftsatzes
Leitsatz (NV)
1. Die nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. hinzuzurechnenden Gewinne sind i.d.R. nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Ergeben sich dabei Verluste, sind diese anzurechnen und können den Grundbetrag mindern.
2. Das FG darf nach Einreichung einer Einnahmeüberschussrechnung nicht ohne weitere Sachaufklärung an der Schätzung eines nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. in den Durchschnittssatzgewinn einzubeziehenden Gewinns festhalten. Das gilt auch dann, wenn ein Wechsel der Gewinnermittlungsart wegen Ablaufs der Frist des § 13a Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. nicht mehr zulässig ist.
3. Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn das FG einen rechtzeitig eingegangenen Schriftsatz, mit dem eine korrigierte Anlage V übersandt wurde, nicht zur Kenntnis nimmt.
Normenkette
EStG 1998 § 4 Abs. 3, § 13a Abs. 2 S. 2, Abs. 8; FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 6, § 119 Nr. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 03.05.2004; Aktenzeichen 13 K 4775/01) |
Tatbestand
I. Der nicht verheiratete Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog im Streitjahr (1998) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Da er keine Steuererklärung abgab, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte der Kläger zur Begründung seiner Klage eine Steuererklärung ein.
Das FA folgte der Erklärung mit Einkommensteuerbescheid vom 14. März 2002 nicht in vollem Umfang. Es ermittelte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und ging dabei u.a. von einem Gewinn aus Betriebsvorgängen, die bei der Feststellung des Ausgangswertes nicht berücksichtigt wurden, in Höhe von 11 000 DM abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 3 000 DM aus (§ 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung --EStG a.F.--). Nach den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid wurden die Einkünfte aus Pferdehaltung nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. mit 10 000 DM angesetzt.
Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden mit 53 090 DM berücksichtigt. In den Erläuterungen heißt es dazu: "Die Einkünfte für das Objekt X wurden mit 45 500 DM geschätzt, da eine Anlage V nicht eingereicht wurde."
Auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) teilte der Klägervertreter mit, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache noch nicht für erledigt erklärt werde, da das FA von der eingereichten Erklärung abgewichen sei. In den FG-Akten folgt ein weiteres Schreiben --vom 15. April 2002--, in dem es u.a. heißt:
"… übersenden wir Ihnen in der Anlage |
Gewinnermittlung gemäß § 4 III EStG vom 1.7.1998 bis 30.6.1999 |
Anlage L 1998 |
korrigierte Anlage V X 1998 |
Wir beantragen nunmehr, die Einkommensteuer 1998 in Höhe von DM 35 012,00 und den Solidaritätszuschlag mit DM 1 925,60 gemäß beiliegender Berechnungsliste festzusetzen." |
In den dem Gericht übersandten Einkommensteuerakten befindet sich u.a. eine Anlage V betreffend X, in der für dieses Grundstück ein Überschuss von 33 168 DM ermittelt ist.
Hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft machte der Kläger geltend, es sei für das Wirtschaftsjahr 1998/99 der nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Verlust in Höhe von 43 394 DM zu berücksichtigen. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb erziele ausschließlich Einkünfte aus Pferdehaltung i.S. des § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. Ein Antrag auf Änderung der Gewinnermittlungsart i.S. des § 13a Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. sei insoweit nicht erforderlich, weil es sich bei den Einkünften aus Pferdehaltung ohnehin um gesondert gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermittelnde Gewinne handele (§ 13a Abs. 3 Nr. 5 EStG a.F.).
Das FG entschied mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung und wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass sich die Klage nur gegen die Gewinnermittlung gemäß § 13a EStG a.F. richte. Zwar habe der Kläger nach § 13a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG übergehen können. Der Antrag sei jedoch spätestens 12 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, auf das er sich beziehe, schriftlich zu stellen (§ 13a Abs. 2 Satz 2 EStG a.F.). Diese Frist sei vorliegend versäumt, ohne dass Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlägen. Die Antragsfrist sei am 30. Juni 1999 abgelaufen, der Antrag jedoch erst im Jahr 2002 gestellt worden. Da die Einkünfte aus Pferdehaltung in den Durchschnittssatzgewinn gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. einzubeziehen seien, komme es entgegen der Ansicht des Klägers auf den Antrag und damit auf die Rechtzeitigkeit des Antrags gemäß § 13a Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. an.
Der Kläger stützt seine gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
U.a. macht er geltend, FA und FG hätten den von ihm ermittelten Verlust aus der Pensionspferdehaltung nicht in die Ermittlung des Durchschnittssatzgewinnes einbezogen, weil sie der Auffassung seien, dass dafür ein Antrag gemäß § 13a Abs. 2 EStG notwendig sei. Stattdessen habe das FA den willkürlich geschätzten Gewinn aus der Pensionspferdehaltung in Höhe von 10 000 DM in den Durchschnittssatzgewinn einbezogen. Wie dieser Betrag errechnet worden sei, gehe weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem Urteil hervor. Darin liege zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das FG habe die unstrittig vorliegende Gewinnermittlung für die Sondergewinne ignoriert, weil es davon ausgegangen sei, sie mangels Antrags nicht berücksichtigen zu dürfen.
Es liege auch insofern ein Verfahrensmangel vor, als das FG die am 15. April 2002 zusammen mit der korrigierten Anlage L eingereichte Anlage V betreffend X nicht berücksichtigt habe. Denn danach ergäben sich Vermietungseinkünfte in Höhe von insgesamt 40 758 DM anstelle der vom FA angesetzten 53 090 DM. Da ohne mündliche Verhandlung entschieden worden sei, sei nicht absehbar gewesen, dass das Gericht die nachgereichte Anlage V übersehen werde. Der Mangel der Beweiserhebung habe daher im FG-Verfahren selbst nicht gerügt werden können.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). Denn das FG hat die Höhe der im Rahmen des § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. zu berücksichtigenden Einnahmen aus Pensionspferdehaltung nicht in ausreichendem Umfang ermittelt. Außerdem hat es das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, indem es dessen Schreiben vom 15. April 2002 hinsichtlich der korrigierten Anlage V nicht zur Kenntnis genommen hat.
1. Die Sachaufklärungspflicht erfordert, dass das FG Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls aufdrängen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Tz. 41, m.w.N.). Es muss den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel aufklären (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 1999 X R 151/97, BFH/NV 2000, 1097; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 76 Rz. 10, m.w.N.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 76 FGO Tz. 20).
Daran fehlt es im Streitfall. Das FG hätte die Schätzung des Gewinns aus der Pensionspferdehaltung nicht ungeprüft bestätigen dürfen, nachdem der Kläger dafür eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eingereicht hatte, die mit einem Verlust abschloss.
Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass ein Wechsel der Gewinnermittlungsart für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers durch die im Jahr 2002 für das Wirtschaftsjahr 1998/99 eingereichte Einnahmenüberschussrechnung nicht mehr möglich war, weil die Frist des § 13a Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. abgelaufen war. Allerdings hatte das FA der Darstellung im angefochtenen Urteil zufolge Einkünfte in Höhe von 10 000 DM gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. hinzugeschätzt; aus der im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Ermittlung des FA ergibt sich davon abweichend, dass ein Gewinn von 11 000 DM abzüglich eines Freibetrags von 3 000 DM angesetzt wurde. Demgegenüber hatte der Kläger in der während des Klageverfahrens vorgelegten Einnahmenüberschussrechnung einen Verlust aus Land- und Forstwirtschaft von 43 393,35 DM ermittelt und darüber hinaus erklärt, dass der landwirtschaftliche Betrieb ausschließlich in der Pferdehaltung bestände. Es hätte daher Anlass bestanden, die Höhe des Gewinns aus der Pensionspferdehaltung zu überprüfen.
Es trifft zwar auch zu, dass der Gewinn aus der Pensionspferdehaltung --wie das FG in Anknüpfung an das FA entschieden hat-- in den nach § 13a EStG a.F. ermittelten Durchschnittssatzgewinn einzubeziehen war (Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 26 Rz. 189). Das (allein) rechtfertigt es jedoch nicht, die eingereichte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG unberücksichtigt zu lassen. Die nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. hinzuzurechnenden Gewinne sind vielmehr in der Regel nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 27. November 1997 IV R 33/97, BFHE 184, 561, BStBl II 1998, 145, und vom 28. November 1991 IV R 45/90, BFHE 166, 538, BStBl II 1992, 458; s. auch Leingärtner/Kanzler, a.a.O., Kap. 26 Rz. 234 ff.), wie der Kläger zutreffend geltend gemacht hat. Das FG durfte daher im Hinblick auf die eingereichte Einnahmenüberschussrechnung nicht ohne weitere Sachaufklärung an der Schätzung des Gewinns aus der Pensionspferdehaltung festhalten, zumal im Rahmen der Sondergewinne nach § 13a Abs. 8 EStG a.F. auch Verluste anzurechnen sind und den Grundbetrag mindern können (Leingärtner/ Kanzler, a.a.O., Kap. 26 Rz. 259 f.).
2. Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn das FG einen rechtzeitig eingegangenen Schriftsatz nicht zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BFH-Beschluss vom 22. Januar 2002 I B 93/01, BFH/NV 2002, 671; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 16; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 119 FGO Rz. 199).
Im Streitfall hat das FG hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den Schriftsatz vom 15. April 2002 und die gleichzeitig übersandte korrigierte Anlage V nicht zur Kenntnis genommen, wie sich aus dem vom FG umformulierten Klageantrag ergibt. Das Schreiben ist ausweislich der vorgelegten Akten beim FG eingegangen. Gemäß handschriftlicher Verfügung vom 17. April 2002 wurde es mit Anlagen an das FA übersandt. In der dem BFH vorgelegten Einkommensteuer-Akte befindet sich außerdem --entgegen der Darstellung des FA-- auch die korrigierte Anlage V. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie dem FG mit übersandt worden ist.
Es liegt damit ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruht. Hätte das FG das Schreiben vom 15. April 2002 mit der korrigierten Anlage V zur Kenntnis genommen, hätte es über die Klage nicht entscheiden dürfen, ohne zu klären, ob die Angaben in der korrigierten Anlage V der Besteuerung zugrunde zu legen waren (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 671).
3. Der Kläger hat auch nicht darauf verzichtet, die Verfahrensmängel zu rügen. Da das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat und die Verfahrensfehler zuvor nicht erkennbar waren, war dem Kläger eine solche Rüge nicht möglich gewesen (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1992 XI R 13/91, BFH/NV 1993, 483).
4. Der Senat hält es für zweckmäßig, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1507135 |
BFH/NV 2006, 1275 |