Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der gesamten Rechtsposition im Restitutionsverfahren
Leitsatz (NV)
Welche Rechtsposition in einem Restitutionsverfahren nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen übertragen worden sein könnte, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Dazu sind die nur für den Streitfall ausgelegten vertraglichen Vereinbarungen heranzuziehen. Dies nimmt einer Rechtssache die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; UStG 1991 § 4 Nr. 9 Buchst. a
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war seit 1892 Eigentümerin eines Grundstücks in Berlin. Seit Mai 1956 stand ihr (in Berlin-Ost belegenes) Grundstück unter vorläufiger Verwaltung der Berliner volkseigenen Wohnungsverwaltung Mitte. Mit Beschluss des Rates des Stadtbezirks Berlin … vom 22. Januar 1987 wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt. Rechtsträger wurde die Baudirektion Hauptstadt Berlin des Ministeriums für Bauwesen der DDR. Ab 1. Juli 1989 wurde es der Generaldirektion für … übertragen. Mit Bescheid vom 30. Juni 1987 wurde für die Klägerin durch Feststellungsbescheid eine Entschädigung von … Mark nach dem höchstzulässigen Quadratmeterpreis für Innenstadtlagen von 100 Mark festgestellt. Nach Abzug von Steuern und Gebühren standen der Klägerin noch rd. … DM auf einem Sperrkonto bei der Staatsbank der DDR zur Verfügung. Die zur Auszahlung noch notwendigen völkerrechtlichen Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und der DDR hatten aber nicht stattgefunden.
Mit dem 3. Oktober 1990 ging die Verfügungsberechtigung über das Grundstück auf die Treuhandanstalt Berlin (Treuhandanstalt) über. Die Treuhandanstalt teilte der Klägerin im Oktober 1991 mit, dass sie das Grundstück nach § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a und b des Vermögensgesetzes (VermG) i.d.F. vom 18. April 1991 an die Investorengruppe T für investive Zwecke veräußert habe.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Auf Anregung des VG kam es im Januar 1992 zu einem Vergleich. Darin trat die Klägerin der beigeladenen Investorengruppe T ihre "gesamte Rechtsposition, einschließlich sämtlicher hinsichtlich des vorgenannten Grundstücks nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen ihr zustehender Ansprüche und Rechte - gleich welcher Art, insbesondere auch nach § 3a Abs. 5 VermG" ab. Dabei stellte sie klar, dass sie weder für den Bestand dieser Ansprüche noch wegen Rechtsmängeln hafte. Sie verpflichtete sich weiter, nach besten Kräften mitzuwirken, dass das (von ihr 1990 wegen des Grundstücks eingeleitete) Restitutionsverfahren für die Investorengruppe T Erfolg habe. Auf Grund eines abstrakten Schuldversprechens verpflichtete sich die Investorengruppe T in dem Vergleich, an die Klägerin insgesamt … DM zu zahlen.
Mit Bescheid vom 17. August 1994 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (AROV) den Antrag der Klägerin auf Rückübertragung des Grundstücks mit der Begründung ab, dass der Anspruch nicht vom VermG erfasst sei. Die dagegen gerichtete Klage wies das VG Berlin im März 1996 wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig ab. Die Investorengruppe T nahm eine entsprechende Klage zurück.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) besteuerte in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1992 die in dem geschilderten Vergleich vorgenommene Übertragung der Rechtsposition der Klägerin hinsichtlich des Grundstücks an die Investorengruppe T. Sie setzte als Gegenleistung den Barwert zum … Januar 1992 von ―unstreitig― … DM an und errechnete eine darin enthaltene Umsatzsteuer von … DM.
Einspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung u.a. aus, bei der Übertragung sämtlicher Rechte an und aus dem Grundstück handele es sich um eine steuerpflichtige sonstige Leistung. Sie sei nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991 steuerfrei, weil die Übertragung der gesamten Rechtsposition etwas anderes sei als die alleinige Abtretung eines Anspruchs auf Auskehrung eines Veräußerungserlöses nach § 3a Abs. 5 VermG. Die Klägerin habe eine Vielzahl benannter und nicht benannter Rechte übertragen u.a. ihren angemeldeten Anspruch auf Rückübertragung. Der Anspruch auf Erlösauskehrung sei nicht die maßgebende überwiegende Leistung gewesen.
Der Umsatz sei auch nicht nach § 4 Nr. 9 a UStG steuerfrei, weil er nicht unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) falle. Da die Klägerin nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei, könne die spätere Abtretung des Anspruchs auf Rückübertragung auch nicht grunderwerbsteuerpflichtig gewesen sein. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 261 veröffentlicht.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und Abweichung der Vorentscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) von mehreren bezeichneten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat keine durchgreifenden Zulassungsgründe dargetan.
1. Anwendbar ist die FGO i.d.F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
2. Die Klägerin hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob bei der Übertragung der gesamten Rechtsposition eine umsatzsteuerpflichtige Leistung vorliege und legt dar, dass die Vorentscheidung mit mehreren bezeichneten Entscheidungen des BFH unvereinbar sei. Die Klägerin beachtet aber nicht hinreichend, dass eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Urteil des FG nur erfolgreich sein kann, wenn einer der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO abschließend aufgezählten Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt oder bezeichnet wird. In der Beschwerdeentscheidung hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob das angefochtene Urteil des FG sachlich richtig ist. Dabei sind nur Zulassungsgründe zu beachten, die innerhalb der Frist für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) den Anforderungen entsprechend dargelegt und bezeichnet worden sind (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom 2. November 2000 X B 86/00, BFH/NV 2001, 475). Deshalb sind die nachträglich von der Klägerin in dem Schriftsatz vom 5. März 2001 enthaltenen Ausführungen nicht zu berücksichtigen.
3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat die Klägerin nicht dargelegt.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muss darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit). Der Kläger muss außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun. Dazu muss er erläutern (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierten Rechtsfrage hat.
Diesen formellen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. In den Beschwerdebegründungen hat die Klägerin nur als klärungsbedürftig bezeichnet "ob bei der Übertragung der gesamten Rechtsposition eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung vorliegt".
Diese Rechtsfrage kann nicht abstrakt, sondern nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Dies steht einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache entgegen (BFH-Beschluss vom 29. September 2000 V B 16/00, BFH/NV 2001, 351). Welche Rechtsposition übertragen worden ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Dazu sind die vom FG nur für den konkreten Fall ausgelegten vertraglichen Vereinbarungen heranzuziehen, was einer Rechtssache regelmäßig ebenfalls die grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO entzieht (vgl. BFH-Beschluss vom 2. August 2000 II B 125/99, BFH/NV 2001, 65). Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Auslegung des FG revisionsrechtlich angreifbar sein sollte (vgl. dazu BFH-Urteile vom 16. Juni 1999 II R 20/98, BFH/NV 2000, 80; vom 6. Februar 1985 I R 80/81, BFHE 143, 426, BStBl II 1985, 420), so dass der Vortrag der Klägerin auch keine Klärbarkeit ergibt.
Allein mit Darlegungen, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen bedeutsam sei, dass eine Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht geklärt sei (BFH-Beschluss vom 26. September 2000 V B 7/00, BFH/NV 2001, 350) und dass die Zulassung im Streitfall ein Musterverfahren darstellen würde (BFH-Beschluss vom 4. September 2000 III B 41/00, BFH/NV 2001, 321), wird die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht eröffnet.
4. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen Abweichung der Vorentscheidung von den Urteilen des BFH vom 28. Februar 1980 V R 90/75 (BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535), vom 18. Mai 1956 V 276/55 U (BFHE 63, 14, BStBl III 1956, 198), vom 14. Februar 1974 V R 129/70 (BFHE 111, 379, BStBl II 1974, 261) und vom 30. Oktober 1986 V B 44/86 (BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145) geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
Die Beschwerde genügt insoweit nicht den Anforderungen, die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Darlegung der Abweichung erfüllt werden müssen. Die Klägerin bezeichnet keinen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen abstrakten Rechtssatz aus den für maßgeblich gehaltenen Entscheidungen des BFH, von dem das FG in der Vorentscheidung abgewichen sein könnte, so genau, dass eine Abweichung erkennbar wird, weil die gegenübergestellten Rechtsgrundsätze unvereinbar sind (vgl. zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Divergenzbeschwerde die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom 7. Juni 2000 III B 32/00, BFH/NV 2001, 45; vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang nur aus: Das FG habe durch die Annahme einer steuerbaren Leistung durch Übertragung einer Vielzahl benannter und unbenannter Rechte gegen den in dem Urteil des BFH in BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535 aufgestellten Grundsatz verstoßen, dass der Umsatzbesteuerung das tatsächlich (durch Erfüllungsgeschäft) Geleistete unterliege (S. 5 der Beschwerdeschrift). Das FG hätte ―wie es der BFH in den Entscheidungen in BFHE 63, 14, BStBl III 1956, 198 und in BFHE 111, 379, BStBl II 1974, 261 getan habe― den wirtschaftlichen Gehalt der erbrachten Leistungen nach den Vorstellungen der Parteien ermitteln müssen (S. 5 der Beschwerdeschrift). Das FG habe nicht ―wie der BFH in dem Beschluss in BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145― geprüft, welche einzelnen Leistungen erbracht worden seien, und habe nicht ―wie der BFH in den Urteilen in BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 147 und in BFHE 134, 470, BStBl II 1982, 200― untersucht, ob und welche Hauptleistungen umsatzsteuerpflichtig seien (S. 5 bis 7 der Beschwerdeschrift). Mit der Annahme einer steuerbaren und steuerpflichtigen Leistung durch die Übertragung einer Vielzahl von benannten und nicht benannten Rechten habe das FG falsch rechtlich subsumiert.
Daraus folgt, dass die Klägerin fehlerhafte Rechtsanwendung im Streitfall durch das FG rügt. Sie hat aber nicht dargelegt, dass die Vorentscheidung von entscheidungserheblichen abstrakten Rechtsgrundsätzen des BFH in Fällen, bei denen über gleiche, vergleichbare oder gleich gelagerte Sachverhalte zu entscheiden war (vgl. BFH-Beschluss vom 7. August 2000 VII B 90/00, BFH/NV 2001, 189), abgewichen ist.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen