Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde gegen Streitwertbeschluß wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit
Leitsatz (NV)
Ein nach gesetzlichen Vorschriften unangreifbarer Beschluß unterliegt nur dann ausnahmsweise der Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz fremd ist.
Normenkette
GKG § 25 Abs. 3 S. 2, § 5 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Verfahren ... des Finanzgerichts (FG) hatte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragt,
"den Bescheid über die Ablehnung des Erlasses von Abgabenrückständen vom 18. Januar 1993 in Gestalt des Beschwerde bescheides vom 6. Oktober 1993 ( ... Oberfinanzdirektion X) aufzuheben und das beklagte Finanzamt zu verpflichten, dem Kläger die nach gesetzmäßiger Durchführung des Verlustrück-/Vortrags gemäß § 10 d EStG eventuell noch verbleibenden Abgabenrückstände gemäß § 227 Abs. 1 AO zu erlassen, ... ".
Durch Urteil des FG wurde die Hauptsache rechtskräftig entschieden. Durch Beschluß des Berichterstatters vom 18. Oktober 1995 wurde der Streitwert auf ... DM festgesetzt. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schriftsatz vom 9. November 1995.
Daraufhin hob das FG (Senat) den Beschluß des Berichterstatters auf und setzte den Streitwert mit Beschluß vom 14. November 1995 auf ... DM fest.
Dabei ging es -- wie bereits zuvor der Berichterstatter -- u. a. davon aus, daß zum Streitgegenstand auch der Erlaß von Einkommensteuer 1984 ( ... DM) und 1985 ( ... DM) gehörte. Demgegenüber hielt das FA das Vorbringen des Klägers, das Verfahren der Hauptsache habe sich auf diese beiden Einkommensteuerbeträge nicht bezogen, für unzutreffend. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ergebe sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Dieser Antrag umfasse den gesamten Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion (OFD) X vom 6. Oktober 1993, den er zudem seiner Klageschrift als Anlage beigefügt habe. Diesem Beschwerdebescheid zufolge habe er auch Erlaß der Einkommensteuer 1984 und 1985 begehrt, obwohl gegen die diesbezüglichen Veranlagungen noch ein Rechtsbehelf geschwebt habe.
Hinsichtlich des ebenfalls im Streit befindlichen Erlasses der Einkommensteuer 1985 habe sich der Streitwert durch Verrechnung mit Verlusten aus den Jahren 1990 bis 1992 um den ursprünglich festgesetzten Steuerbetrag in Höhe von ... DM vermindert. Ein weiterer Verlustausgleich gemäß § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne sich auf den Streitwert nicht auswirken, weil andere Einkommensteuerbeträge als die der Jahre 1984, 1985 und 1988 in der Beschwerdeentscheidung nicht genannt seien.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er geltend macht, der Streitwertbeschluß sei greifbar rechtswidrig.
Das FG habe seine Pflicht, das Vorbringen des Klägers vollständig zur Kenntnis zu nehmen, verletzt und damit gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie § 286 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verstoßen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abge holfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gegen eine Streitwertfestsetzung durch das FG ist die Beschwerde nicht gegeben; sie ist daher nicht statthaft (§ 155 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 574 ZPO). Das ergibt sich aus § 25 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG i. d. F. des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1325).
Auch die sog. außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit ist gegen den angefochtenen Beschluß nicht gegeben. Ein nach gesetzlichen Vorschriften unanfechtbarer Beschluß unterliegt ausnahmsweise dann der Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist. Die Möglichkeit, eine nach geltendem Recht unanfechtbare Entscheidung gleichwohl mit einem Rechtsmittel anzugreifen, ist jedoch auf die Ausnahmefälle des greifbaren Gesetzesverstoßes beschränkt, in denen es darum geht, eine Entscheidung zu beseitigen, die mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist (Beschluß des Bundesgerichtshofs -- BGH vom 12. Oktober 1989 VII ZB 4/89, BGHZ 109, 41, m. w. N.).
Ob die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör eine weitere Instanz eröffnet und entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschluß vom 26. Mai 1977 V B 7/77, BFHE 122, 256, BStBl II 1977, 628) und der herrschenden Meinung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, § 567 Rdnr. 6, m. w. N.) die außerordentliche Beschwerde rechtfertigen kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (offenlassend auch BGH-Beschluß in BGHZ 109, 41). Der angefochtene Streitwertbeschluß ist offenkundig frei von Verfahrensfehlern. Der Kläger hatte sich bereits in seiner Gegenvorstellung vom 9. November 1995 zum Streitwertbeschluß des Berichterstatters vom 18. Oktober 1995 geäußert. Dieser Beschluß beruhte im wesentlichen auf den selben Erwägungen wie der angefochtene Beschluß, in dem sich das FG ausführlich mit den Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt hat. Im übrigen ist nicht zu erkennen, daß das FG Vorbringen des Klägers oder Teile des Akteninhalts nicht zur Kenntnis genommen hätte, sondern nur, daß es diese Umstände anders als vom Kläger für richtig gehalten gewürdigt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 421596 |
BFH/NV 1997, 57 |