Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe für beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
Das rechtliche Gehör kann zwar auch durch Verweigerung anwaltlichen Beistands verletzt werden. In einem gerichtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang schließt der Anspruch auf rechtliches Gehör jedoch nicht ein, dass das Gehör gerade durch die Vermittlung eines Rechtsanwalts gewährleistet wird (vgl. BVerfG vom 22. Januar 1959 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124, 432).
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1
Tatbestand
Die Kläger und Antragsteller (Antragsteller) beabsichtigen, eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 8. Juni 2000 zu erheben, mit dem ihre Klage auf Erlass von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer abgewiesen wurde. Zu diesem Zweck begehren die Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Sie tragen vor, das FG habe ―obwohl wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt― ohne sie verhandelt und ihnen (außerdem) nicht gestattet, sich eines Rechtsanwalts zu bedienen, weil es mit der mündlichen Verhandlung nicht gewartet habe, bis über ihren Antrag auf PKH entschieden worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag auf Gewährung von PKH kann keinen Erfolg haben.
Er unterliegt zwar nicht dem Vertretungszwang des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG― (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. März 1993 VII S 4/93, BFH/NV 1993, 568). Er ist auch nicht schon deshalb abzulehnen, weil die Antragsteller ihm nicht die nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 117 Abs. 2 und 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erforderliche Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgesehenen Vordruck sowie entsprechende Belege innerhalb der Rechtsmittelfrist beigefügt haben (BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 1993 IX B 70/92, und vom 6. April 1993 VII B 250/92, jeweils BFH/NV 1993, 682). Die Antragsteller haben sich in ihrem Schriftsatz vom 4. August 2000 nämlich auf den bereits beim FG mit Schriftsatz vom 17. Februar 2000 eingereichten Vordruck bezogen; der Senat geht davon aus, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger während des Zeitraums von acht Monaten nicht wesentlich verändert haben.
2. Die Rechtsverfolgung bietet aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Erfolges spricht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 142 Rz. 7, m.w.N.). Eine derartige Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der hier beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde besteht nicht.
a) Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden, wobei geltend zu machen ist, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO vorliegen, nämlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs bzw. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder ein Verfahrensmangel. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist dabei nur zulässig, wenn in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung dargelegt und die Entscheidung des BFH (oder des BVerfG), von der das FG-Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
b) Wird PKH für die beabsichtigte Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, so ist streitig, ob aus dem Entlastungszweck der Begründungspflicht für die Nichtzulassungsbeschwerde folgt, dass auch das von einem vor dem BFH nicht postulationsfähigen Antragsteller angebrachte PKH-Gesuch ein Mindestmaß an einschlägiger rechtlicher Begründung enthalten muss, insbesondere ob darzutun ist, welcher Zulassungsgrund mit der Beschwerde geltend gemacht wird (vgl. u.a. den Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1996 IV S 5/94, BFH/NV 1997, 303, m.w.N.). Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung dieser Frage, denn die Antragsteller haben mit ihren Worten dargestellt, welches Begehren mit der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt werden soll. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich, dass sie weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch eine Divergenz geltend machen, sondern den Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs rügen wollen. Diese Rüge bietet jedoch keine Aussicht auf Erfolg.
c) Die Antragsteller sehen das rechtliche Gehör zum einen wohl deshalb verletzt, weil das FG ohne sie verhandelt habe, obwohl sie zuvor den gesamten Senat wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hätten. Da das FG (weiter) vor einer Entscheidung über ihr PKH-Gesuch verhandelt habe, sei ihnen zugleich anwaltliche Vertretung versagt worden.
aa) Dieser (letzte) Vortrag wird durch den Verfahrensablauf nicht bestätigt. Das FG hat den Antrag auf PKH mit Beschluss vom 6. April 2000, also zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Zwar hatten die Kläger gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Dies hinderte das FG indessen nicht, im vorliegenden Fall das Klageverfahren fortzusetzen. Der BFH hat wiederholt entschieden, dass die Beschwerde gegen einen die PKH ablehnenden Beschluss unbegründet ist, wenn die Klage in der Hauptsache von der Vorinstanz abgewiesen wurde (s. etwa BFH-Beschluss vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838, und Senatsbeschluss vom 22. Juni 1995 IV B 159/94, BFH/NV 1996, 65). Nichts anderes kann gelten, wenn das Klageverfahren ungeachtet einer eingelegten Beschwerde gegen die Ablehnung des PKH-Gesuchs fortgeführt wurde.
Zwar kann das rechtliche Gehör auch durch Verweigerung anwaltlichen Beistands verletzt werden (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 26. August 1976 V C 46/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1977, 202). In einem gerichtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang schließt der Anspruch auf rechtliches Gehör jedoch nicht ein, dass das Gehör gerade durch die Vermittlung eines Rechtsanwalts gewährleistet wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 22. Januar 1959 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124, 132). Dies gilt namentlich für das vom Untersuchungsgrundsatz beherrschte finanzgerichtliche Verfahren (§ 76 Abs. 1 FGO), das dem Vorsitzenden eine Hinweispflicht auferlegt (§ 76 Abs. 2 FGO) und die Einschaltung eines Rechtsanwalts unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nur dann als sachgerecht erscheinen lässt, wenn der Streitfall in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung kompliziert ist (vgl. hierzu § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO; s. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Rz. 23). Dies ist bei der hier vorliegenden Klage auf Erlass von Aussetzungszinsen in aller Regel nicht der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass der Streitfall ausnahmsweise anders zu beurteilen sei, haben die Antragsteller nicht vorgetragen; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
bb) Soweit die Antragsteller ihr Recht auf Gehör dadurch verletzt sehen, dass das FG mit der mündlichen Verhandlung fortgefahren sei, nachdem ein anderer Senat des FG ihren Befangenheitsantrag zurückgewiesen habe, wäre die Rüge bereits unzulässig. Es fehlt an einem schlüssigen Vortrag, wozu man sich nicht habe äußern können, was weiter hätte vorgetragen werden sollen (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 16. Januar 1986 III B 71/84, BFHE 145, 497, BStBl II 1986, 409) und dass die beabsichtigten weiteren Ausführungen geeignet gewesen wären, ihr, der Antragsteller, Klagebegehren zu stützen (Beschluss des BVerwG vom 29. September 1976 VII CB 46.76, HFR 1977, 202).
Fundstellen
Haufe-Index 515016 |
BFH/NV 2001, 472 |