Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltsadressat einer Prüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
Bei der Auslegung, wer Inhaltsadressat einer Prüfungsanordnung ist, können beigefügte Unterlagen und zeitlich vorhergehende Bescheide herangezogen werden.
Normenkette
AO 1977 §§ 196-197; BGB § 133
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) beteiligte sich im Jahre 1982 an der Bauherrengemeinschaft . . . Die Bauherrengemeinschaft (BHG) errichtete ein mehrgeschossiges Haus, das in Wohnungseigentum aufgeteilt wurde.
Der Kläger wurde Eigentümer der Wohnung Nr. . . . , die er im Oktober 1982 unter Einräumung eines Untervermietungsrechts an die S-GmbH (S) vermietete. Er verzichtete auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze und optierte zur Regelbesteuerung gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) behandelt den Kläger bei der Umsatzsteuerveranlagung für 1982 bezüglich der Mietumsätze als Unternehmer. Die vom Kläger für 1983 geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus dem Bauvorhaben in Höhe von . . . DM ließ das FA zum Abzug zu.
Bei einer verwaltungsinternen Prüfung der BHG auf Antrag der Treuhänderin, der Firma Z-GmbH, wurde festgestellt, daß die BHG als solche nach außen nicht unternehmerisch in Erscheinung trete. Die BHG sei nicht in den Leistungsaustausch einbezogen, sondern fungiere ausschließlich als reine Innengesellschaft. Die jeweiligen Verträge bestünden zwischen den einzelnen Bauherren und den Auftragnehmern. Die BHG sei somit nicht als Unternehmerin i. S. des § 2 UStG 1980 anzusehen.
Am 18. März 1985 erließ das FA eine Prüfungsanordnung, die adressiert war ,,an die Bauherrengemeinschaft . . . , bestehend aus den in der Anlage aufgeführten Bauherren z. Hdn. der Firma Z-GmbH, . . ." und die Umsatzsteuer 1982 bis 1984 und die Feststellung der Einkünfte 1982 bis 1984 als Prüfungsgegenstände benannte. In der Anlage war u. a. der Kläger als Bauherr genannt. Im Prüfungsbericht vom 4. September 1985 ist vermerkt, daß die BHG nicht als Unternehmerin i. S. des § 2 UStG 1980 anzusehen sei. Als ,,Amtshilfemaßnahme i. S. des BMF-Schreibens vom 1. 7. 1983, BStBl 1983 I S. 374" enthält der Bericht die Feststellung, die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze bei den Bauherren seien erfüllt.
Aufgrund dieser Feststellungen erließ das FA gegen den Kläger am 2. Januar 1986 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1983, in dem es die abziehbaren Vorsteuerbeträge auf . . . DM erhöhte und den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob.
Anfang 1986 stellte die S die Mietzahlungen an den Kläger ein. Am 21. März 1986 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der S beantragt.
Am 2. Dezember 1988 erließ das FA gegen den Kläger einen gemäß § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1983, in dem es den Vorsteuerabzug rückgängig machte und Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM festsetzte. Zur Begründung verwies das FA darauf, daß das Zwischenmietverhältnis zwischen der BHG und der S nicht anzuerkennen sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 1990 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück, weil das Zwischenmietverhältnis wegen Gestaltungsmißbrauchs nicht anerkannt werden könne. Die S habe ab dem Jahre 1983 keine wirtschaftlichen Eigeninteressen mehr verfolgt und sei wegen fehlender Bonität nicht in der Lage gewesen, das Risiko der Zwischenvermietung aus der Anmietung von ca. 1000 Wohneinheiten zu übernehmen.
Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) stand die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 dem Erlaß des angefochtenen Bescheids entgegen. Beim Kläger habe, so führt das FG aus, eine Außenprüfung stattgefunden, aufgrund der der geänderte Umsatzsteuerbescheid vom 2. Januar 1986 ergangen sei. Auch eine abgekürzte Außenprüfung nach § 203 AO 1977, wie sie im Streitfall durchgeführt worden sei, begründe diese Änderungssperre. Es sei für jede Steuerart gesondert zu prüfen, wer Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung sei. Insoweit bestünden bezüglich der Umsatzsteuer für 1982 bis 1984 Zweifel, ob Inhaltsadressat der einzelne Bauherr oder die BHG sei. Diese Zweifel seien durch Auslegung zu klären. Hierbei komme es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen müßte; entscheidend sei vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben habe verstehen können. Zur Auslegung habe der Senat die der Prüfungsanordnung beigefügten Unterlagen sowie zeitlich vorhergehenden Schriftverkehr mit dem Kläger herangezogen und festgestellt, daß der Kläger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Prüfungsanordnung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nur so habe verstehen können, daß er, und nicht etwa die Treuhänderin der BHG oder die BHG selbst, als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung gewesen sei. Die Treuhänderin sei lediglich als Bevollmächtigte der Empfängerin der Prüfungsanordnung, nicht aber als deren Inhaltsadressat angesprochen worden. Daß die BHG nicht Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung sei, könne aus dem nach außen kundgetanen Verhalten des FA vor Erlaß der Prüfungsanordnung sowie aus der Adressierung der Prüfungsanordnung selbst geschlossen werden. Das FA habe den Kläger hinsichtlich des Bauvorhabens schon in den Jahren zuvor als Unternehmer behandelt. Wenn das FA diese bei Bauherrengemeinschaften (generell) gewählte Verfahrensweise zum Anlaß nehme, das Vorliegen der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 zu verneinen, verhalte es sich treuwidrig. Der Umsatzsteuerbescheid 1983 vom 2. Januar 1986 sei aufgrund der Ergebnisse der gemäß der Prüfungsanordnung vom 18. März 1985 erfolgten Außenprüfung erlassen worden. Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung falle dem Kläger nicht zur Last.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht das FA grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es führt aus: Zu klären seien die Grenzen der Auslegbarkeit der Bezeichnung des Inhaltsadressaten in einer Prüfungsanordnung. Diese Frage berühre neben den Rechtsfolgen des § 173 Abs. 2 AO 1977 auch den Bereich des sog. Verwertungsverbots und der Ablaufhemmung i. S. des § 171 Abs. 4 AO 1977. Auf das subjektive Verständnis des Empfängers einer Prüfungsanordnung könne nicht abgestellt werden. Die sich ergebenden Fragen seien klärungsbedürftig und klärbar. Nach den im Streitjahr bestehenden Verwaltungsanweisungen seien für die umsatzsteuerliche Beurteilung von Zwischenmietverträgen beim Eigentümer auch die Verhältnisse des Zwischenmieters entscheidungserheblich gewesen. Die Problematik stelle sich in einer Vielzahl von Fällen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. z. B. Beschlüsse vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605; vom 18. April 1990 II B 78/89, BFH/NV 1991, 247).
2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es fehlt an klärungsbedürftigen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.
a) Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, daß der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts durch Auslegung zu ermitteln ist, wobei § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch eine für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregel darstellt (Urteil vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23). Entschieden ist auch, daß bei Zweifeln durch Auslegung zu ermitteln ist, wer Inhaltsadressat einer Prüfungsanordnung ist, und daß bei der Auslegung beigefügte Unterlagen und zeitlich vorhergehende Bescheide herangezogen werden können (BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120 unter B. III. 1. a; Beschluß vom 29. Juni 1988 IV B 70/88, BFH/NV 1989, 613 m. w. N.). Bei der Auslegung kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen mußte; entscheidend ist vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (Urteil in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120 unter B. III. 1. a m. w. N.). So hat der BFH im Urteil vom 8. März 1988 VIII R 220/85 (BFH/NV 1988, 758) bei der Prüfung, wer Inhaltsadressat einer ,,an die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Klara und Adalbert W" gerichteten Prüfungsanordnung war, nicht nur den Wortlaut herangezogen, sondern auch das vorangegangene Verhalten des FA und die zu der Prüfungsanordnung ergangene Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion berücksichtigt.
b) Von diesen Grundsätzen geht die Vorentscheidung aus. Ob die Ansicht des FG zutrifft, die Bestimmung des Inhaltsadressaten in der Prüfungsanordnung vom 18. Mai 1985 gebe zu Zweifeln Anlaß und sei durch Auslegung zu ermitteln, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Daran ändert sich nichts deshalb, weil es nach den Angaben des FA zahlreiche vergleichbare Fälle gibt. Dies bedeutet nämlich noch nicht, daß es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handelt.
c) Die Beschwerde hat demnach keinen Erfolg, soweit sie sich auf die Rechtsauffassung des FG stützt, es habe eine Außenprüfung beim Kläger stattgefunden. Diese Begründung des FG trägt das Urteil. Die Beschwerde kann deshalb auch keinen Erfolg haben, soweit sie sich auf die kumulativ geäußerte Rechtsauffassung des FG stützt, das FA verhalte sich treuwidrig, wenn es verneine, daß eine Außenprüfung bei dem Kläger stattgefunden habe. Denn wenn ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt ist, muß hinsichtlich einer jeden Begründung ein Zulassungsgrund vorliegen (BFH-Beschluß vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rz. 11), was bezüglich der Begründung zu oben a) nicht der Fall ist. Im übrigen hat das FA hinsichtlich des weiteren Grundes, auf den das Urteil gestützt ist, nicht dargelegt, inwieweit diese Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Fundstellen
Haufe-Index 418143 |
BFH/NV 1992, 437 |