Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsanordnung gegenüber Steuerpflichtigen, die Berufsgeheimnisse zu wahren haben
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob eine Prüfungsanordnung auch gegenüber Angehörigen eines Berufs er gehen kann, denen ein Auskunftsverwei gerungsrecht wegen Berufsgeheimnisses zusteht, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
AO 1977 §§ 102, 193 Abs. 1, § 194 Abs. 3
Tatbestand
In der Sache wenden sich die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen eine Prüfungsanordnung, weil diese nicht besonders begründet worden sei und bei Durchführung der Außenprüfung ihr Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutz ihrer Berufsgeheimnisse als Arzt und Rechtsanwalt verletzt werde.
Entscheidungsgründe
Es kann offenbleiben, ob die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechenden Weise dargelegt haben. Dazu hätten sie ausführen müssen, daß nach ihrer Auffassung die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Nicht zu einer der zahlreichen von den Klägern als grundsätzlich aufgeworfenen Fragen wurde aber ausgeführt, ob und in welchem Umfang diese umstritten sind (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 153); auch fehlt es an einer Darlegung des allgemeinen Interesses an der Klärung dieser Fragen über den entschiedenen Einzelfall hinaus. Angesichts bestehender Rechtsprechung zu all diesen Fragen kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch nicht als offenkundig unterstellt werden (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725).
Bereits die Frage, ob das Finanzgericht (FG) sein Urteil zum Problem des verfassungsmäßig garantierten Rechts des Bürgers "auf informationelle Selbstbestimmung" auf Urteile des Reichsfinanzhofs (RFH) "aus einer Zeit stützen dürfe, in der zu Fragen wie dieser aufgrund des politischen und gesellschaftlichen Umfeldes eine gänzlich andere Rechtsauffassung" maß gebend gewesen sei, läßt eine schlüssige Darlegung der Klärungsfähigkeit sowie Klärungsbedürftigkeit vermissen. Zu dem Gutachten des RFH, der im übrigen ein Auskunftsverweigerungsrecht der Rechtsanwälte anerkannt hatte (RFH-Entscheidung vom 28. Mai 1938 Gr. S. D 2/38, RFHE 44, 72, RStBl 1938, 569), hat der BFH ausführlich Stellung genommen (Beschluß vom 11. Dezember 1957 II 100/53 U, BFHE 66, 225, BStBl III 1958, 86). Auf diese Entscheidung hat sich das angefochtene finanzgerichtliche Urteil gestützt. Die Kläger sind hierauf nicht eingegangen. Den Zweifeln an der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache braucht der Senat indessen nicht weiter nachzugehen, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).
Die u. a. aufgeworfene Frage, ob der Gesetzgeber nicht eine gesetzliche Regelung schaffen müsse, die mit hinreichender Bestimmtheit festlege, wie Außenprüfungen bei zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Personen durchzuführen seien, ist nicht klärungsbedürftig. Der Gesetzgeber der Abgabenordnung (AO 1977) hat es nämlich ausdrücklich abgelehnt, die Befugnis zur Versendung von Kontrollmitteilungen nach § 194 Abs. 3 AO 1977 bei der Prüfung Steuerpflichtiger einzuschränken, denen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte zustehen (BTDrucks VI/1982 S. 162 und BTDrucks 7/4292 S. 35). Gleichwohl hat die Finanzverwaltung angeordnet, daß "die Fertigung von Kontrollmitteilungen zu unterbleiben hat", soweit dem Steuerpflichtigen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO 1977 zusteht und er hierauf nicht ausdrücklich verzichtet (AO-Anwendungserlaß vom 24. September 1987, BStBl I 1987, 664, 704). Diese Auffassung und Praxis der Finanzverwaltung wird im Schrifttum ganz allgemein als zutreffende Auslegung des Gesetzes anerkannt (s. nur Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 194 AO 1977 Tz. 8 f., m. w. N.). Diese durch Selbstbindung der Finanzverwaltung bewirkte Einschränkung von Außenprüfungen bei verweigerungsberechtigten Berufsangehörigen macht es nicht nur entbehrlich, eine Prüfungsanordnung im Einzelfall einzuschränken, sondern auch zumutbar, gegen einzelne fragliche Prüfungsmodalitäten besondere Rechtsmittel zu ergreifen. Auch diese von den Klägern aufgeworfenen Fragen sind daher nicht klärungsbedürftig.
Die Frage, ob es das Steuergeheimnis rechtfertige, Verhältnisse zu offenbaren, die der Mandant nur seinem Anwalt anvertraut habe, ist im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig, weil das FG die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung nicht mit dem Schutz der Kläger durch das Steuergeheimnis begründet hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 421949 |
BFH/NV 1997, 274 |