Entscheidungsstichwort (Thema)
Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung: Verfahrensmängel, Verletzung rechtlichen Gehörs; Be- und Entlüftungs- bzw. Klimaanlagen im Regelfall keine Betriebsvorrichtungen
Leitsatz (NV)
- Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eine Entscheidung des BFH nicht bereits deshalb erforderlich, weil gegen die rechtliche und/oder tatsächliche Würdigung des FG Einwendungen erhoben werden, die sich nicht ohne weiteres als abwegig erweisen oder denen sogar möglicherweise erhebliches Gewicht zukommt. Einwände allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind auch nicht geeignet, das für den Zulassungsgrund grundsätzlich erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren. Eine Zulassung kommt vielmehr nur bei einem qualifizierten, schwerwiegenden Mangel des Urteils in Betracht, durch den das aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Recht der Beteiligten auf eine willkürfreie gerichtliche Entscheidung berührt sein kann.
- Mit der Rüge, die Vorentscheidung sei materiell-rechtlich fehlerhaft, wird ebenso wenig ein zur Zulassung führender Verfahrensmangel dargetan.
- Grundsätzlich ist das Gericht nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann (nur) in Frage kommen, wenn das Gericht wesentliche Ausführungen eines Beteiligten bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht berücksichtigt hat. Hierfür müssen besondere Umstände vorgetragen werden.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3; InvZulG 1996 § 2 S. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Zulässigkeit der Beschwerde richtet sich nach den §§ 115, 116 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―FGO n.F.―.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) legt die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative und Nr. 3 FGO n.F. nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. dar.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO n.F. ist die Revision zuzulassen, wenn zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erforderlich ist.
a) Die Klägerin macht selbst keine Divergenz des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) zu einer höchstrichterlichen Entscheidung geltend, weil das FG keinen abweichenden abstrakten tragenden Rechtssatz gebildet habe.
b) Soweit dieser Zulassungsgrund über den engeren Bereich der Divergenzrevision hinaus geltend gemacht wird, sind die Voraussetzungen und Grenzen in der Rechtsprechung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, unter II. 2. der Gründe) und im Schrifttum noch nicht abschließend geklärt. Indes sind die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes jedenfalls nicht schon deshalb erfüllt, weil gegen die rechtliche und/oder tatsächliche Würdigung des FG Einwendungen erhoben werden, die sich nicht ohne weiteres als abwegig erweisen oder denen möglicherweise sogar erhebliches Gewicht zukommt. Einwände allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind nicht geeignet, das für den Zulassungsgrund grundsätzlich erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren (vgl. BFH-Beschluss vom 28. August 2001 X B 60/01, BFH/NV 2002, 347). Überdies kommt eine Zulassung der Revision lediglich aufgrund der Behauptung, die Vorentscheidung sei unzutreffend, im Hinblick auf den abschließenden Katalog der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO n.F. nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Oktober 2001 XI B 43/01, BFH/NV 2002, 191, und vom 23. Oktober 2001 XI S 24-25/01, BFH/NV 2002, 372).
Mit der Neuregelung soll dem BFH nicht in dem Sinne eine Gewährleistung für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auferlegt werden, dass er auf entsprechende Rüge, Entscheidungen der Instanzgerichte umfassend auf ihre rechtliche Richtigkeit zu überprüfen und zu korrigieren hätte, weil er bei einer eigenen Subsumtion aufgrund der getroffenen Feststellungen zu einem abweichenden Ergebnis gelangen würde. Vielmehr soll mit den neu gefassten Zulassungsgründen neben den Fällen der Divergenz eine Zulassung der Revision ermöglicht werden, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie von einem Rechtsmittelgericht nicht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Nach der Begründung zu dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (BTDrucks 14/3750) ist dies vorzugsweise anzunehmen, wenn Verfahrensgrundrechte verletzt worden sind. Gleiches wird zu gelten haben, wenn das aus Art. 3 Abs. 1 und 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Recht eines Beteiligten auf eine willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das angefochtene Urteil des FG berührt wird, weil es an einem in der gekennzeichneten Art qualifizierten Fehler leidet (ausführlich BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, 799; ferner vom 15. November 2001 VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373, 375). In einem solchen Fall obliegt es primär der Fachgerichtsbarkeit, im Rahmen der jeweils maßgeblichen Verfahrensordnung die Grundrechte der Beteiligten zu wahren und durchzusetzen (so Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 68, m.w.N.; ebenso Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 204 f., m.w.N.).
c) Die Klägerin hat indes keinen derartigen qualifizierten Fehler im angefochtenen Urteil dargelegt.
Das FG hat sich mit der Rechtslage auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt. Seine Rechtsauffassung entbehrt nicht jeglicher Rechtsgrundlage. In dem vom FG herangezogenen Beschluss vom 5. Dezember 1996 III B 26/94 (BFH/NV 1997, 518) hat der erkennende Senat die in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegten Voraussetzungen für eine Betriebsvorrichtung gekennzeichnet. Danach muss zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf ein ähnlich enger Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Hingegen reicht es nicht, wenn die Anlage für den Gewerbebetrieb lediglich nützlich oder notwendig oder sogar gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist. Die Anlage muss im Übrigen von nur untergeordneter Bedeutung für die Nutzung des Gebäudes durch Menschen sein.
Der erkennende Senat hat überdies in seinem Urteil vom 9. August 2001 III R 43/98 (BFHE 196, 429, BStBl II 2002, 100, unter II. 1. b, m.umf.N.) klargestellt, dass Be- und Entlüftungsanlagen sowie Klimaanlagen im Regelfall primär der Gebäudenutzung dienen und nur bei besonderen Umständen ausnahmsweise als Betriebsvorrichtung qualifiziert werden können. In derartigen Fällen sind die besonderen Verhältnisse im Einzelfall maßgebend.
Selbst wenn das FG im Streitfall zu einer anderen Würdigung des Sachverhaltes hätte kommen können, so fehlt jeglicher Anhaltspunkt für eine greifbare gesetzwidrige oder gar willkürliche Entscheidung.
2. Die behaupteten Verfahrensmängel sind gleichfalls nicht hinreichend dargelegt worden.
a) Soweit die Klägerin eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, weil das FG abweichend vom Beschluss des Senats in BFH/NV 1997, 518 die Klimaanlage nicht als unmittelbar dem Apothekenbetrieb dienend beurteilt habe, wird kein konkreter Verfahrensfehler dargetan, sondern allenfalls die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung behauptet (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 26. Juli 2001 X B 29/01, BFH/NV 2002, 38).
b) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Aus der Begründung seiner Entscheidung muss erkennbar werden, dass das Gericht dieser Verpflichtung, das wesentliche tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nachgekommen ist. Indes muss sich das Gericht nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Nur wenn das Gericht wesentliche Ausführungen eines Beteiligten bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht berücksichtigt hat, kommt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Betracht (vgl. ausführlich BFH-Beschluss vom 16. Oktober 1996 VIII B 19/95, BFH/NV 1997, 489, 490, m.w.N.).
Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Überdies fehlen Ausführungen dazu, dass es nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG überhaupt auf die von der Klägerin herausgestellte Unterscheidung zwischen dem Anteil der rezeptpflichtigen Umsätze und des übrigen Handels mit Waren ankam, d.h. dass das angefochtene Urteil auf der von der Klägerin vermissten Unterscheidung beruhen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861).
c) Mit der weiteren Behauptung, das FG des Landes Sachsen-Anhalt habe in einem gleichgelagerten Fall eine Klimaanlage anerkannt, weshalb sich dem FG im Streitfall weitere Ermittlungen in diesem Punkt von Amts wegen hätten aufdrängen müssen, wird kein Verfahrensmangel bezeichnet.
Es fehlt insoweit bereits an einer Darlegung, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen ermittlungsbedürftig gewesen sein sollen und mit Hilfe welcher Beweismittel sie auch ohne einen konkreten Beweisantrag der fachkundig vertretenen Klägerin hätten aufgeklärt werden sollen und schließlich welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten (vgl. zu den Voraussetzungen Ruban in Gräber, a.a.O., § 120 Rz. 70, m.w.N.).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ohne eine Konkretisierung des betreffenden Urteils des FG Sachsen-Anhalt auch ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO n.F. nicht hinreichend dargelegt wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2001 IX B 127/01, BFH/NV 2002, 343).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. abgesehen.
Fundstellen
BFH/NV 2002, 1474 |
BuW 2004, 99 |