Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbehelf des Gemeinschafters einer vermietenden Bruchteilsgemeinschaft als Rechtsbehelf der Gemeinschaft
Leitsatz (NV)
1. Bei Rechtsbehelfen einer ‐ als Vermieterin auftretenden - Bruchteilsgemeinschaft ist davon auszugehen, dass sie von “zur Vertretung berufenen Geschäftsführern” i.S. des § 48 FGO eingelegt worden sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 49/02, BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929).
2. Ein ausdrücklicher Nachweis der Zustimmung aller Geschäftsführer ist nur in Zweifelsfällen, mithin nicht generell erforderlich.
3. Auch wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Gemeinschaft gegen einen gegenüber der Gemeinschaft ergangenen Steuerbescheid Klage erhebt, ist im Allgemeinen von einer Klage “für” die Gemeinschaft auszugehen (Anschluss an BFH-Urteil vom 27. Mai 2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964; Beschluss vom 19. Juli 2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68).
4. Das ggf. von einzelnen Feststellungsbeteiligten betriebene Vorverfahren ist ihrer Gesellschaft oder Gemeinschaft zuzurechnen, d.h. diese kann sich darauf (als Prozessvoraussetzung) “berufen”.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 116 Abs. 6; EStG § 21; BGB § 133
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 28.09.2005; Aktenzeichen 6 K 1122/01) |
Tatbestand
I. Das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Finanzgerichts (FG) betrifft die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen zu einem bebauten und Vermietungszwecken dienenden Grundstück der Grundstücksgemeinschaft "A-B" für die Einkommensbesteuerung 1997 und 1998 (Streitjahre).
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte die Besteuerungsgrundlagen entsprechend den --von der aus vier Personen bestehenden "Hausbesitzgemeinschaft A-B" abgegebenen-- Feststellungserklärungen für die Streitjahre fest und gab den Feststellungsbescheid für 1997 dem in den Erklärungen als Empfangsbevollmächtigten benannten Herrn CA am 7. Januar 1999, sowie den Beteiligten Frau DA und Herrn EB am 17. Juli 2000, bekannt. Eine Bekanntgabe an Frau FB als weitere Beteiligte ist nach den vom FG in Bezug genommenen Akten nicht erfolgt. Der ebenfalls an die Beteiligten mit Ausnahme von Frau FB adressierte Feststellungsbescheid für 1998 wurde am 14. Januar 2000 (CA) und am 17. Juli 2000 (DA, EB) zur Post gegeben.
Gegen diese Bescheide legte der Prozessbevollmächtigte am 29. Juli 2000 Einspruch für die
"Grundstücksgemeinschaft A-B, …
Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1997 und 1998 vom 17. 07. 00
--Feststellungsbeteiligte FB und EB--"
ein, mit dem bislang als Herstellungskosten deklarierte Aufwendungen als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht wurden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2001 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück, weil die streitigen Aufwendungen als "anschaffungsnaher Herstellungsaufwand" zu behandeln seien. Als Einspruchsführer werden Frau FB und EB als Beteiligte der Grundstücksgemeinschaft A-B bezeichnet.
Diese erhoben als Eheleute am 22. Juni 2001 Klage.
Das FG forderte die Eheleute auf, die Vollmachten vorzulegen und die Klage zu begründen. Begründung und Vollmacht der Eheleute wurden im August 2001 vorgelegt. Mit Schreiben vom 18. Mai 2005 wies das FG darauf hin, dass die angefochtenen Bescheide wegen Bekanntgabe an den --in den Feststellungserklärungen benannten-- Empfangsbevollmächtigten bestandskräftig geworden seien. Dies könne aber dahingestellt bleiben, weil die Eheleute die Klage unzulässigerweise nur im eigenen Namen, nicht aber im Namen der Grundstücksgemeinschaft erhoben hätten. Denn nur die Gemeinschaft sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) klagebefugt, weil die Streitfrage des anschaffungsnahen Aufwands die Gemeinschaft als Ganzes betreffe.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Klage hätte nicht von den Eheleuten, sondern von der Gemeinschaft erhoben werden müssen. Eine Auslegung als Klage der Gemeinschaft komme nicht Betracht, zumal für eine solche Klage die Vollmacht aller Beteiligten der Gemeinschaft sowie das erforderliche Vorverfahren fehle; denn das Einspruchsverfahren sei von den Eheleuten betrieben worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde, mit der die Zulassung wegen Verletzung des § 48 Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache begehrt wird.
Das FA beantragt sinngemäß, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als solche der Grundstücksgemeinschaft "A-B" auszulegen; diese ist beteiligtenfähig und rechtsmittelbefugt. Entsprechend war das Rubrum des Verfahrens zu ändern.
aa) Eine Bruchteilsgemeinschaft, die --wie im Streitfall-- als Vermieterin nach außen auftritt, ist im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beteiligtenfähig und rechtsbehelfsbefugt; die frühere Auffassung, nicht die Bruchteilsgemeinschaft, sondern nur die einzelnen Gesellschafter seien beteiligtenfähig (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 1985 IX R 6/79, BFH/NV 1986, 265; BFH-Beschluss vom 3. Mai 1989 IX R 168/84, BFH/NV 1990, 378), hat der BFH ausdrücklich mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 49/02 (BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929) aufgegeben.
bb) Die Klagebefugnis der Gemeinschaft ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO; danach können für sie gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen "zur Vertretung berufene Geschäftsführer" Klage erheben. Hiervon ist bei einer Gemeinschaft auszugehen, wenn diese --wie im Streitfall-- nach außen als Vermieterin auftritt (BFH-Urteil in BFHE 206, 168 BStBl II 2004, 929).
cc) Diese Rechtsprechungsänderung ist für die Beurteilung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Streitfall maßgeblich, weil sich deren Beurteilung nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier also der der Senatsentscheidung über die Zulassung der Revision geltenden Rechtslage bestimmt.
dd) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als solche der Gemeinschaft auszulegen.
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, Prozesserklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Eine nicht eindeutige Prozesserklärung ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) im Zweifel so auszulegen, dass das Ergebnis dem Willen eines verständigen Beteiligten entspricht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. Januar 1991 VII R 61/88, BFH/NV 1991, 795; vom 27. Mai 2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964). Diese Grundsätze sind allgemein gültig. Nur wenn die Prozesserklärung klar und eindeutig ist und offensichtlich dem bekundeten Willen des Beteiligten entspricht, besteht grundsätzlich --wovon auch das FG zu Recht ausgeht-- kein Raum für eine gegenteilige Auslegung (vgl. BFHUrteil vom 12. Oktober 2004 V R 15/02, BFH/NV 2005, 388; Beschluss vom 19. Juli 2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68).
Eine solche klare und eindeutige Aussage enthält der Beschwerdeschriftsatz indessen nicht. Zwar wird die Beschwerde eingangs als eine solche der Eheleute A-B bezeichnet. Betreff und Begründung der Beschwerde weisen jedoch ausdrücklich aus, dass das Rechtsschutzverfahren gegen die angefochtenen Feststellungsbescheide für die GbR betrieben werden soll.
b) Die Beschwerde ist auch wirksam von der GbR erhoben. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist bei Rechtsbehelfen einer --als Vermieterin auftretenden-- Bruchteilsgemeinschaft wie im Streitfall davon auszugehen, dass deren Rechtsbehelf von "zur Vertretung berufenen Geschäftsführern" i.S. des § 48 FGO eingelegt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929). Ein ausdrücklicher Nachweis der Zustimmung aller Geschäftsführer ist danach nur in Zweifelsfällen, entgegen der Auffassung des FG mithin nicht generell erforderlich (vgl. zum materiell-rechtlichen Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter BFH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX R 39/03, BFH/NV 2004, 1371); Anhaltspunkte für solche Zweifel können mithin nicht allein der Tatsache entnommen werden, dass die Beschwerdeschrift nicht ausdrücklich alle Gemeinschafter der Hausgemeinschaft ausweist.
Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass die anderen Gemeinschafter der Beschwerde nicht zugestimmt haben, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Die Beschwerde ist begründet; das angefochtene Urteil ist wegen Verfahrensmängeln aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).
a) Zu Unrecht hat das FG die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung verneint, sie sei nicht von der Grundstücksgemeinschaft erhoben worden und könne auch nicht als deren Klage ausgelegt werden, weil die Klageschrift nicht alle Gemeinschafter ausweise und das Einspruchsverfahren sowohl nach dem Wortlaut des Einspruchs und als auch nach dem Betreff der Einspruchsentscheidung lediglich von zwei der Feststellungsbeteiligten betrieben worden sei. Denn nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 48 FGO Rz 44, m.w.N.) ist im Zweifel anzunehmen, dass das Rechtsmittel eingelegt werden sollte, das zulässig ist. Infolgedessen ist --auch wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Gemeinschaft gegen einen gegenüber der Gemeinschaft ergangenen Steuerbescheid wie hier Klage erhebt-- im Allgemeinen von einer Klage "für" die Gemeinschaft auszugehen (BFH-Urteil in BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964; BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 68).
Die vom FG geltend gemachten Umstände tragen seine gegenteilige Auffassung nicht. Wie der BFH nämlich ausdrücklich mit seiner Entscheidung in BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964 für Recht erkannt hat, ist die Tatsache, dass das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nur von einzelnen Feststellungsbeteiligten betrieben worden ist, ohne Bedeutung für die Zurechnung des Rechtsschutzverfahrens. Vielmehr ist das ggf. von einzelnen Feststellungsbeteiligten betriebene Vorverfahren ihrer Gesellschaft oder Gemeinschaft zuzurechnen, d.h. diese kann sich darauf (als Prozessvoraussetzung) "berufen". Im Übrigen hat der BFH entschieden, dass die dargestellten Grundsätze zur Auslegung einer von Gemeinschaftern erhobenen Klage als solche der Gemeinschaft im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung auch für das Einspruchsverfahren gelten (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1371). Abgesehen davon waren die einspruchsführenden Feststellungsbeteiligten wegen der im Streitfall vom FA vorgenommenen Einzelbekanntgabe der angefochtenen Bescheide nach § 183 Abs. 2 der Abgabenordnung einspruchsbefugt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964).
Schließlich kann auch die Tatsache, dass die Klageschrift nicht alle Gemeinschafter namentlich aufführt, für sich allein nicht den Schluss rechtfertigen, die Klage sei nicht wirksam für die Gemeinschaft erhoben. Zwar muss die Klage --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- als Klage einer nicht zu den Publikumsgesellschaften gehörenden Gemeinschaft von allen Gemeinschaftern erhoben werden, um wirksam zu sein; diese Wirksamkeit kann indessen auch dann gegeben sein, wenn die die Klage einreichenden Gemeinschafter Vertretungsbefugnis für weitere Gemeinschafter haben (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1371). Ohne im Streitfall fehlende tatsächliche Feststellungen des FG über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer solchen Vertretungsbefugnis bleibt es bei der regelmäßigen Annahme, dass der Rechtsbehelf von "zur Vertretung berufenen Geschäftsführern" i.S. des § 48 FGO eingelegt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929).
b) Der Verfahrensmangel ist auch entscheidungserheblich. Ist nämlich die erhobene Klage als solche der Gemeinschaft auszulegen, kann die Klage mangels anderer Sachentscheidungshindernisse nicht als unzulässig abgewiesen werden.
3. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen hebt der Senat das angefochtene Urteil des FG auf und verweist die Sache nach § 116 Abs. 6 FGO zurück. Das FG wird im 2. Rechtsgang feststellen müssen, ob Zweifel an der Zustimmung aller zur Geschäftsführung befugten Gemeinschafter bestanden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1. Dezember 2004 II R 17/04, BFHE 208, 386, BStBl II 2005, 855; vom 30. November 1988 I R 168/84, BFHE 156, 1, BStBl II 1989, 514; BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 68) und --soweit solche Zweifel nicht bestehen--, ob die streitigen Aufwendungen verfahrens- oder materiell-rechtlich im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung zu berücksichtigen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1768267 |
BFH/NV 2007, 1511 |