Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Ablehnung eines Sachverständigen
Leitsatz (NV)
Bei Anordnung eines schriftlichen Gutachtens ist das Gesuch, mit dem der Gutachter abgelehnt wird, grundsätzlich nur bis zum Eingang des Gutachtens zulässig.
Normenkette
FGO § 82; ZPO § 42 Abs. 1-2, § 406 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Tatbestand
1. Bei der Veranlagung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die u.a. mit Kraftfahrzeugen handelte, zur Umsatzsteuer für 1990 wertete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) Erkenntnisse aus ihrer bei einem Steuerstrafverfahren beschlagnahmten Buchführung aus. Die Klägerin bezweifelte, daß sich die vom FA herangezogenen Besteuerungsgrundlagen aus ihrer Buchführung entnehmen ließen. Während des Klageverfahrens legte sie eine als "vorläufig" bezeichnete Umsatzsteuererklärung und einen vorläufigen Jahresabschluß für 1990 vor, der ―wie sie erläuterte― aus den Zahlen der Folgejahre (1991 und 1992) abgeleitet worden war. Sie beanstandete nach einer Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen, daß Fahrzeugeinkaufsrechnungen und Inventurunterlagen fehlten und daß zahlreiche Debitoren- und Kreditorenkonten nicht abgestimmt worden seien.
Das Finanzgericht (FG) beschloß, Beweis durch Sachverständigengutachten und durch Augenscheinseinnahme u.a. darüber zu erheben, ob die beschlagnahmten Buchführungsunterlagen die in der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung für 1990 angenommenen Besteuerungsgrundlagen begründen und welchen Aussagewert der von der Klägerin während des Klageverfahrens vorgelegte (vorläufige) Jahresabschluß 1990 und die Umsatzsteuererklärung 1990 hätten. Es bestellte den Regierungsoberamtsrat A ―Prüfer und Gutachter bei dem FG― zum Sachverständigen und Augenscheinsgehilfen. Der Sachverständige stellte in einem Protokoll vom 6. März 1998 fest, daß die Klägerin die von ihr für das Gutachten erbetenen Unterlagen (Jahresabschluß 1990 als Bindeglied zwischen Buchführung und Gewinn- und Verlustrechnung) in dem Besprechungstermin vom 5. März 1998 nicht vorgelegt und daß sie nicht erläutert habe, wie der Jahresabschluß 1990 erstellt worden sei. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zu diesem Protokoll Stellung genommen hatte, übersandte der Sachverständige dem FG seine am 27. Mai 1998 abgeschlossene gutachterliche Stellungnahme.
Daraufhin lehnte die Klägerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung machte sie u.a. geltend, der Sachverständige habe nur Unterlagen der Steuerfahndung verwertet und es abgelehnt, mit ihrem, der Klägerin, Prozeßbevollmächtigten die von diesem erstellte Bilanz nachzuvollziehen. Außerdem erwähne der Sachverständige Unterlagen, die er an anderer Stelle seines Berichtes als nicht vorhanden beschrieben habe. Er habe Einkaufsrechnungen der Firma H aus dem Jahr 1997 von dem Prozeßbevollmächtigten angefordert, obwohl er nur Feststellungen aufgrund der beschlagnahmten Unterlagen habe treffen sollen. Dabei habe er nicht bemerkt, daß ihm nur ein Teil der beschlagnahmten Unterlagen vorgelegt worden sei. Er habe seine Aufgabe durch einengende Auslegung seines Auftrags verkürzt. Daraus ergebe sich, daß der Sachverständige voreingenommen sei.
Nachdem der Sachverständige zu diesen Ausführungen der Klägerin Stellung genommen hatte, wies das FG durch Beschluß vom 31. August 1998 den Antrag der Klägerin zurück, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Es begründete diese Entscheidung damit, daß Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen nicht vorhanden seien. Vielmehr sei er aufgrund eigener Ermittlungstätigkeit zu Ergebnissen gekommen, die er überzeugend begründet habe. Im Laufe des weiteren Verfahrens ―so führte das FG weiter aus― werde beurteilt, ob das Gutachten ergänzt, noch erläutert oder korrigiert werden müsse.
Gegen den Beschluß des FG vom 31. August 1998 hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie rügt, daß der Sachverständige den gerichtlichen Auftrag nicht erfüllt habe. Er habe die ihm aufgegebene Untersuchung nicht eindeutig durchgeführt. Statt dessen habe er zugunsten des FA Feststellungen getroffen, die durch den Beweisbeschluß nicht gedeckt seien.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Ablehnung des Sachverständigen für begründet zu erklären.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Antrag der Klägerin auf Ablehnung des Sachverständigen rechtsfehlerfrei abgelehnt.
a) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen abgelehnt werden (§ 82 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―), die auch zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Anlaß vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen abgeben (Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. November 1995 VIII B 31/95, BFH/NV 1996, 344, m.w.N.). Bei Anordnung eines schriftlichen Gutachtens ist das Ablehnungsgesuch grundsätzlich nur bis zum Eingang des Gutachtens möglich. Nach diesem Zeitpunkt müssen sich Gründe für ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen aus dem Gutachten selbst ergeben (BFH-Beschluß vom 13. August 1987 VIII B 67/86, BFH/NV 1988, 167).
b) Das FG hat unter Beachtung dieser Grundsätze überzeugend ausgeführt, daß die Klägerin bei vernünftiger Betrachtung und verständiger Würdigung keine Gründe geltend gemacht hat, die die Befürchtung rechtfertigten, der Sachverständige stehe ihr nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber.
Der aufgrund förmlichen Beweisbeschlusses eingesetzte Prüfungsbeamte beim FG ist Sachverständiger (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1966 VI 326/65, BFHE 85, 535, BStBl III 1966, 496, 498 a.E.). Eine zur Ablehnung berechtigende Überschreitung der dem Sachverständigen erteilten Befugnisse liegt nicht vor. Der Sachverständige darf eigene Ermittlungen vornehmen, soweit es zu seinem Auftrag gehört, Wahrnehmungen zu machen, zu denen er kraft seiner Sachkunde in der Lage ist, und soweit er das Sammeln dieser tatsächlichen Angaben als Material für sein Gutachten für erforderlich hält. Die prozessualen Rechte der Verfahrensbeteiligten werden hinreichend dadurch gewahrt, daß sie eine entsprechende Beweisaufnahme beantragen können, sofern der Sachverständige sein Gutachten auch auf Feststellungen stützt, die das Gericht selbst treffen könnte.
Selbst wenn der Sachverständige den Umfang des Beweisthemas verkannt haben sollte, gibt eine derartige unrichtige Auffassung einem Beteiligten regelmäßig keinen Anlaß für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1985 IV B 35/85, BFH/NV 1987, 513, 514), es sei denn, der Irrtum ist so schwerwiegend, daß er als Anzeichen für eine vorhandene Voreingenommenheit angesehen werden muß (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, 558).
c) Demnach sind Ablehnungsgründe weder schlüssig vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Soweit der Sachverständige den Umfang der von ihm für die Erledigung des Gutachtens erforderlichen Akten bestimmte, war er dazu berechtigt. Er war auch befugt, den Sachverhalt zur Erfüllung seines Auftrags durch die Anforderung von Einkaufsrechnungen und durch einen Erörterungstermin selbst aufzuklären. Dies begründet ebenso keine Besorgnis der Voreingenommenheit wie die Brauchbarkeit und Vollständigkeit der Schlußfolgerungen (BFH in BFH/NV 1987, 513, 514), die er gezogen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 171021 |
BFH/NV 1999, 1241 |