Entscheidungsstichwort (Thema)
"Geschäftsbeziehung" i.S. des § 1 AStG a.F.
Leitsatz (NV)
Gewährt der (beherrschende) Gesellschafter einer ausländischen (hier: britischen) Kapitalgesellschaft der Letzteren ein zinsloses und unbesichertes Darlehen, so kann dadurch die Rechtsfolge des § 1 AStG a.F. nur dann ausgelöst werden, wenn das Darlehen im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zwischen beiden Unternehmen gegeben wird. Das ist nach der bis 2002 geltenden Rechtslage nicht der Fall, wenn die begünstigte Gesellschaft mangels ausreichender Eigenkapitalausstattung ohne die Darlehensgewährung ihre unternehmerische Funktion nicht erfüllen könnte (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Normenkette
AStG § 1 Abs. 1, 4, § 21 Abs. 11 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind im Inland wohnende Eheleute, die für das Streitjahr (1996) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war im Streitjahr zu 75 % an einer Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit Sitz in Großbritannien, der A Ltd., beteiligt. Das Stammkapital der A Ltd. betrug 2 £. Die A Ltd. betrieb Landwirtschaft auf einem Farmgelände, das sie von einer Schweizer AG gepachtet hat.
Die A Ltd. hatte bei ihrer Gründung im August 1982 aus dem Privatvermögen ihrer Gesellschafter zinslose Darlehen in Höhe von 120 000 £ erhalten. Der Anteil des Klägers an den Darlehen betrug umgerechnet zirka 200 000 DM. Ein schriftlicher Darlehensvertrag wurde nicht geschlossen; Sicherheiten wurden nicht gestellt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) rechnete dem Kläger für das Streitjahr unter Berufung auf § 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (AStG a.F.) unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 4,5 % fiktive Zinseinnahmen in Höhe von 9 000 DM zu. Der hiernach ergangene Einkommensteuerbescheid, durch den die Einkommensteuer auf 510 147,10 € festgesetzt wurde, wurde bestandskräftig.
Im Jahr 2004 erließ das FA aufgrund eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus einer anderen Beteiligung des Klägers einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid, in dem es die Steuer auf 511 083,79 € heraufsetzte. Die Kläger beantragten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO (vor Ablauf der Einspruchsfrist) die Änderung dieses Bescheides und die Saldierung der vorgenommenen Erhöhung mit den zugerechneten fiktiven Zinseinnahmen nach § 177 AO. Sie vertraten die Auffassung, die Hinzurechnung nach § 1 AStG a.F. verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Das FA lehnte diesen Antrag unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Oktober 2002 (BStBl I 2002, 1025) ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der anschließenden Verpflichtungsklage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2008 17 K 894/05 E). Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1006 veröffentlicht.
Mit seiner --vom FG zugelassenen-- Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind dazu angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das FG hat zu Recht angenommen, dass die vom FA vorgenommene Korrektur der Einkünfte des Klägers rechtswidrig ist, da die streitigen Kredite nicht im Rahmen von "Geschäftsbeziehungen" im Sinne dieser Vorschrift gewährt worden sind.
1. Nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. sind, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhält, seine Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen abweichend von der tatsächlich angefallenen Höhe anzusetzen. Voraussetzung für die von der Vorschrift angeordnete Berichtigung der Einkünfte ist mithin, dass es um ein Verhältnis zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahestehende Person geht, das als "Geschäftsbeziehung" qualifiziert werden kann (Senatsurteil vom 29. November 2000 I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720, m.w.N.).
2. Der Senat hat zu der im Jahr 1985 geltenden Rechtslage entschieden, dass die Garantieerklärung einer Konzern-Obergesellschaft zugunsten eines anderen konzernangehörigen Unternehmens nicht im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen abgegeben wird, wenn die begünstigte Gesellschaft mangels ausreichender Eigenkapitalausstattung ohne sie ihre konzerninterne Funktion nicht erfüllen könnte (Senatsurteil in BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720). Er hat ferner entschieden, dass diese Beurteilung gleichermaßen für diejenige Fassung des Außensteuergesetzes gilt, die durch das Steueränderungsgesetz 1992 geschaffen worden ist und seit dem 1. Januar 1992 gilt (Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 28/07, BFH/NV 2009, 123). Die insoweit maßgebliche Gesetzesfassung ist erst durch das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (StVergAbG) vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) erneut geändert worden, und zwar mit erstmaliger Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2003 (§ 21 Abs. 11 Satz 1 AStG i.d.F. des StVergAbG). Sie gilt daher u.a. im Hinblick auf das Streitjahr.
3. Der Vortrag des FA gibt dem Senat keinen Anlass, von seiner bisherigen Beurteilung der Rechtslage abzurücken. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen dazu, dass die darlehensweise Zuführung von Finanzierungsmitteln nur dann außerhalb einer "Geschäftsbeziehung" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG a.F. erfolge, wenn sie sich aus der Sicht des maßgeblichen Gesellschaftsrechts als Zuführung von Eigenkapital darstelle. Diese Überlegung hat der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 2009, 123 mit näherer Begründung verworfen; die dafür maßgeblichen Gründe hält er weiterhin für tragfähig. Deshalb ist bei der Beurteilung des Streitfalls davon auszugehen, dass unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Situation eine "Geschäftsbeziehung" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG a.F. nicht vorliegt, wenn eine von Anfang an nicht ausreichend mit Eigenkapital ausgestattete Kapitalgesellschaft die zur Wahrnehmung ihrer Funktion notwendigen Finanzmittel von ihrem Gesellschafter unentgeltlich erhält.
4. Das FG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass im Streitfall ein solcher Sachverhalt vorliegt. Es hat revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass das Stammkapital der A Ltd. sich auf 2 £ belief, dass diese Kapitalausstattung unzureichend war und dass das Fehlen eines ausreichenden Eigenkapitals durch die Gewährung der streitigen Darlehen ausgeglichen wurde. Daher ist davon auszugehen, dass die Darlehensgewährung notwendig war, um der A Ltd. eine funktionsgerechte Kapitalausstattung zu verschaffen. Das wiederum rechtfertigt die Annahme des FG, dass die Kreditgewährung nicht im Rahmen einer Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 1 AStG a.F. erfolgt ist. Damit scheidet eine auf jene Vorschrift gestützte Korrektur der Einkünfte des Klägers aus. Auf die vom FG angestellten Überlegungen zur Frage der Vereinbarkeit des § 1 AStG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht muss angesichts dessen nicht eingegangen werden.
5. Die in dem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vorgenommene Berichtigung der Einkünfte nach § 1 AStG a.F. ist ein Rechtsfehler, der im Rahmen der Änderung jenes Bescheids nach § 175 AO im Wege der Saldierung zu berücksichtigen ist (§ 177 Abs. 1 AO). Über diese verfahrensrechtliche Frage besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, weshalb der Senat auf weitere Ausführungen hierzu verzichtet.
Fundstellen
Haufe-Index 2196771 |
BFH/NV 2009, 1648 |
BFH/PR 2009, 396 |