Leitsatz (amtlich)
Für einen Antrag, einem Bezirksamt Hamburgs durch eine einstweilige Anordnung zu untersagen, die von einem Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Beweisbeschluß eingeforderten Aufstellungen über die Verhältnisse der Antragsteller zu erteilen und Erklärungen hierüber abzugeben, ist der Finanzrechtsweg nicht gegeben.
Normenkette
FGO §§ 33-34; Hamb. Ausführungsgesetz zur FGO vom 17. Dezember 1965 (Hamb. GVBl 1965, 225) § 5
Tatbestand
Die Antragstellerin zu 2, eine KG, betreibt ein Lokal in Hamburg. Inhaber der Konzession für die Ausübung des Gastwirtschaftsbetriebs mit Ausschank von Getränken aller Art war der Antragsteller zu 1, später der Antragsteller zu 4. Die Antragstellerin zu 2 wird vertreten durch die Antragstellerin zu 3, diese wird jetzt vertreten durch den Antragsteller zu 1.
Gegen die Entziehung der Konzession hatte der Antragsteller zu 1 nach erfolglosem Widerspruch Klage bei dem Verwaltungsgericht (VG) Hamburg erhoben. Dieses hatte den Widerspruchsbescheid und den zugrunde liegenden Bescheid durch Urteil vom 8. März 1966 aufgehoben, weil sich aus dem Verhalten des Antragstellers zu 1 bei der Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten nicht herleiten lasse, daß ihm die erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Gegen das Urteil hatte die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch das zuständige Bezirksamt, Berufung eingelegt. In dem beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg anhängigen Berufungsverfahren erging ein Beschluß vom 11. August 1967, der durch Beschluß vom 4. September 1967 abgeändert wurde; durch den Beschluß wurde das Bezirksamt, und zwar das Steueramt und die Amtskasse des Amtes, zur Klärung der Frage, ob der Antragsteller zu 1 wegen nachlässiger Erfüllung seiner Steuerpflichten unzuverlässig im Sinne des Gaststättengesetzes sei, um eine Aufstellung für die Jahre 1962 bis 1964 gebeten, in der die Steuerverpflichtungen des Antragstellers zu 1, der Stand seiner offenen Verpflichtungen und anderes angegeben werden sollten. Die Amtskasse wurde ferner gebeten, zu erklären, ob hinsichtlich der von ihr beim Antragsteller zu 1 1962 bis 1964 eingezogenen bzw. einzuziehenden Beträge, soweit sie Steuern und Beiträge für Innungs-Krankenkasse beträfen, "Verrechnungsabreden" getroffen und gegebenenfalls, ob sie eingehalten worden seien. Der Antragsteller zu 1 berufe sich allerdings auf die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 22 AO), jedoch bestehe nach der Ansicht des OVG ein zwingendes öffentliches Interesse an der Auskunfterteilung. Die Antragsteller haben die Zustimmung zu der Auskunfterteilung unter Bezugnahme auf § 22 AO verweigert und beim FG eine einstweilige Anordnung beantragt, dem Bezirksamt zu untersagen, die von dem OVG mit Beschluß vom 11. August 1967 unter II eingeforderten Aufstellungen zu erteilen und Erklärungen abzugeben; hilfsweise haben sie Verweisungsantrag nach § 34 Abs. 3 FGO gestellt. Das FG lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab; in den Gründen führte es aus, der Antrag sei unzulässig.
Mit der Beschwerde machen die Beschwerdeführer (Antragsteller) insbesondere geltend: Einschlägig sei § 33 FGO; danach sei der Finanzrechtsweg im Streitfall gegeben. Der I. Senat des FG habe gegenüber dem Finanzamt (FA) auch die beantragte einstweilige Anordnung erlassen, daß das FA bis zur Entscheidung des Senats in der Hauptsache die Erteilung der im Beweisbeschluß des OVG vom 11. August 1967 aufgeführten Auskünfte über die steuerlichen Verhältnisse der Antragsteller zu verweigern habe. Die Gerichte, auch diejenigen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, dürften nicht "an Stelle des Bundesgesetzgebers" Ausnahmen von der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses zulassen. Eine Offenbarung der Verhältnisse der Beschwerdeführer durch das Steueramt würde ihre Rechte verletzen. Sie beantragen, dem Antragsgegner (Beschwerdegegner) im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, dem OVG Auskunft über steuerliche Verhältnisse der Antragsteller (Beschwerdeführer) gemäß dem Beschluß des OVG zu erteilen. Hilfsweise beantragen sie, die Sache gegebenenfalls an das für zuständig gehaltene Gericht eines anderen Zweiges der Gerichtsbarkeit zu verweisen.
Der Beschwerdegegner (das Bezirksamt) hält in Übereinstimmung mit dem FG den Antrag für unzulässig. Der Streitfall sei im Zusammenhang mit dem beim OVG anhängigen Rechtsstreit zu sehen. Der Antrag der Beschwerdeführer begehre einen Eingriff in ein Verfahren, das bei einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit schon schwebe. Der Finanzrechtsweg nach § 33 FGO sei im Streitfall nicht gegeben. Die Entscheidungskompetenz habe nach § 99 Abs. 2 VwGO das Gericht der Hauptsache; das sei das OVG. Das Bezirksamt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Mit ihrem Antrag begehren die Beschwerdeführer im steuergerichtlichen Verfahren die Untersagung einer Auskunfterteilung durch das Bezirksamt an das OVG. Für ein solches Begehren ist jedoch nicht der Rechtsweg zu den Steuergerichten gegeben, wie die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend entschieden hat.
1. Die FGO eröffnet im § 33 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 den Rechtsweg zu den Steuergerichten für Streitigkeiten der hier vorliegenden Art nicht. Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist im Streitfall offensichtlich nicht einschlägig. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO scheidet bereits deshalb aus, weil die in Betracht kommenden Abgaben nicht durch (Bundes- oder) Landes finanzbehörden verwaltet werden. Die Bezirksämter sind keine "Landesfinanzbehörden". Im Streitfall handelt es sich auch nicht um die Vollziehung von Verwaltungsakten durch (Bundes- oder) "Landesfinanzbehörden" (a. a. O. Nr. 2).
2. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ist der Finanzrechtsweg ferner gegeben in anderen als den in den Nrn. 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Im Streitfall handelt es sich um andere als die in § 33 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten. Für die hier in Betracht kommenden Streitigkeiten ist jedoch nicht durch (Bundesgesetz oder) Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet. Für Hamburg kommt als einschlägiges Landesgesetz das Gesetz zur Ausführung der FGO vom 17. Dezember 1965 (GVBl 1965, 225) in Betracht. Die Anwendung des § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes scheidet im Streitfall deshalb aus, weil die öffentlich-rechtlichen Abgaben, um die es sich hier handelt, nicht von "Landesfinanzbehörden" im Sinne des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) verwaltet werden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des bezeichneten Hamburgischen Ausführungsgesetzes zur FGO ist der Finanzrechtsweg allerdings ferner gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Steuern, die von anderen Verwaltungsbehörden der Freien und Hansestadt Hamburg als den "Landesfinanzbehörden" verwaltet werden. Die hamburgische Vergnügungsteuer würde zu diesen Steuern zählen. Im Streitfall handelt es sich jedoch nicht um eine Streitigkeit "über Steuern", etwa über die Festsetzung, Beitreibung, Erstattung von Steuern und dergleichen. Vielmehr begehren die Beschwerdeführer in dem gegenwärtigen Verfahren Unterlassung einer Auskunfterteilung durch das Bezirksamt an das OVG, wodurch die Durchführung des in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem OVG wegen Entziehung der Gastwirtschaftskonzession ergangenen Beweisbeschlusses einstweilen verhindert werden soll. Das aber ist keine Streitigkeit "über Steuern" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 des genannten Ausführungsgesetzes von Hamburg zur FGO. Erst recht liegt eine Streitigkeit über "Steuern" im Sinne der bezeichneten Vorschrift nicht vor, soweit die Beschwerdeführer eine einstweilige Anordnung beantragt haben, dem Bezirksamt zu untersagen, die von dem OVG mit Beweisbeschluß hinsichtlich der Beiträge für die Innungskrankenkasse angeforderten Aufstellungen zu erteilen und Erklärungen hierüber abzugeben. Hiernach ist im Streitfall der Finanzrechtsweg, d. h. der Rechtsweg zu den Steuergerichten, vom Gesetz nicht eröffnet. Die Steuergerichte haben deshalb im Streitfall auch nicht die rechtliche Möglichkeit, darüber zu entscheiden, ob und mit welchen Auswirkungen der § 99 VwGO zur Anwendung kommt oder ob § 86 FGO anwendbar ist, ferner, welche Bedeutung die Vorschrift des § 22 AO für den Streitfall hat. Unerheblich für die von den Steuergerichten zu treffende Entscheidung ist es auch, daß der I. Senat des FG die von den Beschwerdeführern beantragte einstweilige Anordnung gegenüber dem FA erlassen hat.
II. Das FG hat dem Antrag der Beschwerdeführer auf Verweisung der Sache nach § 34 Abs. 3 FGO nicht stattgegeben. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. § 34 Abs. 3 Satz 1 FGO sieht vor, daß, wenn ein Gericht der Finanzgerichtsbarkeit den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für nicht gegeben hält, es in dem Urteil, in dem es den Rechtsweg für unzulässig erklärt, zugleich auf Antrag des Klägers die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges verweist, zu dem es den Rechtsweg für gegeben hält. Eine Verweisung würde danach - abgesehen von den Ausnahmefällen des § 34 Abs. 4 FGO - durch Urteil zu geschehen haben. Eine Verweisung außerhalb eines Urteilsverfahrens, insbesondere auch im Verfahren über eine einstweilige Anordnung, ist, wie im Schrifttum zur VwGO und zur FGO mit Recht anerkannt ist, mithin unzulässig (vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Aufl., 1965, Anm. 8 zu § 41; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung und Nebengesetze, Anm. 13 zu § 34 FGO; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2. Aufl., Anm. 3 zu § 34 FGO). Da es sich im Streitfall nicht um ein Urteilsverfahren handelt, kommt eine Verweisung nach § 34 FGO an das erstinstanzliche Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 68279 |
BStBl II 1969, 491 |
BFHE 1969, 526 |