Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung der Herkunft von Mitteln; Darlegung von Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
- Der Steuerpflichtige ist bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw. wo die hierzu verwendeten Mittel herkommen, wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das FG von einer weiteren Sachaufklärung absehen und den Sachverhalt dahin würdigen, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen.
- Die Rüge, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen (§ 76 Abs. 1 FGO), ist unzulässig, wenn der Kläger nicht darlegt, welche Beweise das FG hätte erheben müssen und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich aufgrund der Beweisaufnahme ergeben hätten.
- Die unrichtige Verteilung der Beweislast ist kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 22.02.2005; Aktenzeichen 13 K 5426/02) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden im Streitjahr 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger betreibt einen Gewerbebetrieb. In der Schlussbilanz zum 31. Dezember 1996 wies er Einlagen in Höhe von 227 000 DM aus. Aufgrund einer Außenprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) zu dem Ergebnis, dass die Herkunft der Einlagen in Höhe von 55 000 DM ―angeblich eine Schenkung des Vaters― nicht nachgewiesen sei. Den Betrag von 55 000 DM hatte der Vater des Klägers am 6. März 1996 in bar auf das betriebliche Konto des Klägers einbezahlt. Das FA rechnete diesen Betrag den Betriebseinnahmen bzw. Umsätzen des Klägers hinzu und änderte den Einkommensteuer-, den Umsatzsteuer- sowie den Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 1996 entsprechend. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat in seinem die Klage abweisenden Urteil im Wesentlichen ausgeführt, es sei nach seiner Überzeugung nicht nachgewiesen, dass die Bareinzahlung tatsächlich aus dem Vermögen des Vaters des Klägers stamme. Diese Ungewissheit im Sachverhalt sei als endgültig anzusehen. Die Kläger hätten "ihre Verpflichtung zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung insbesondere unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Beweisvorsorge verletzt", da sie für die Schenkung des Vaters keine weiteren Nachweise vorgelegt hätten. Die Frage, woher die Mittel für die streitigen Einlagen stammten, könnten nur die Kläger beantworten. Das FA sei daher nach § 162 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zur Schätzung berechtigt gewesen. Die Annahme, die Kläger hätten im Streitjahr den Betrag von 55 000 DM aus nicht erklärten Betriebseinnahmen selbst aufgebracht, habe "die Vermutung größtmöglicher Wahrscheinlichkeit für sich".
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Kläger auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und rügen Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, das FG weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), namentlich von den Urteilen vom 28. Mai 1986 I R 265/83 (BFHE 147, 105, BStBl II 1986, 732), vom 1. Juli 1987 I R 284-286/83 (BFH/NV 1988, 12) und vom 7. Juni 2000 III R 82/97 (BFH/NV 2000, 1462) ab. Danach sei ein Steuerpflichtiger nicht verpflichtet, einen in sich geschlossenen Nachweis über die Herkunft seines Privatvermögens zu führen. Eine Gewinnhinzurechnung setze voraus, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Ferner könne von einem ungeklärten Vermögenszuwachs in der Regel nur dann ausgegangen werden, wenn mit Hilfe einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung nachgewiesen werden könne, dass die eingezahlten Beträge nicht aus den sog. ungebundenen Entnahmen oder aus anderen Einkunftsquellen stammen könnten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Die von den Klägern behauptete Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt nicht vor.
Das FG ist in seiner Entscheidung nicht von den BFH-Urteilen in BFHE 147, 105, BStBl II 1986, 732, in BFH/NV 1988, 12 und in BFH/NV 2000, 1462 abgewichen, da diese Entscheidungen für die Beurteilung des Streitfalls nicht einschlägig sind. Sie betreffen den Sachverhalt der ungeklärten Einzahlung auf ein privates Sparkonto. Im Streitfall geht es indessen um eine ungeklärte Bareinzahlung auf ein betriebliches Bankkonto.
Das FG hat sich zur Begründung seiner Entscheidung vielmehr auf das einschlägige BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86 (BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462) bezogen. Danach ist der Steuerpflichtige bei ungeklärten Bareinzahlungen auf ein betriebliches Bankkonto wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw. wo die Mittel herkommen, verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das FG von weiterer Sachaufklärung absehen und den Sachverhalt dahin würdigen, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2001 III B 76/01, BFH/NV 2002, 476, und vom 30. Juli 2002 X B 40/02, BFH/NV 2003, 56). Im Streitfall hat das FG nach diesen Grundsätzen angenommen, dass das Vorliegen nicht erklärter Betriebseinnahmen die Vermutung größtmöglicher Wahrscheinlichkeit für sich habe. Entgegen der Auffassung der Kläger ist dem BFH-Urteil in BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462 nicht zu entnehmen, dass die dort aufgestellten Grundsätze nur für Einzahlungen des Steuerpflichtigen selbst gelten.
2. Die Rüge der Kläger, das FG habe gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, ist bereits unzulässig. Die Kläger haben nicht dargelegt, welche Beweise das FG hätte erheben müssen und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich aufgrund der Beweisaufnahme ergeben hätten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 9. März 2004 X B 68/03, BFH/NV 2004, 1112, m.w.N.). Im Kern rügen die Kläger mit ihren Ausführungen eine fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG. Mit dieser Rüge kann jedoch ein Verfahrensmangel nicht begründet werden, da die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom 3. Dezember 2003 VI B 17/01, BFH/NV 2004, 338, und vom 18. Mai 2005 VIII B 11/04, BFH/NV 2005, 1810, jeweils m.w.N.). Die Rüge betrifft auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (z.B. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.), der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führt.
3. Auch soweit die Kläger sinngemäß geltend machen, das FG habe zu Unrecht zu Lasten der Kläger die Beweislast umgekehrt, rügen sie damit keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Die Entscheidung über die Beweislast ist ebenso wie die Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (BFH-Beschluss vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612). Im Übrigen war für die Vorentscheidung nicht der Gedanke der Beweislastverteilung bestimmend, sondern die Minderung des Beweismaßes aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht der Kläger.
Fundstellen
Haufe-Index 1528704 |
BFH/NV 2006, 1485 |