Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes; Voraussetzungen einer Vorlage an das BVerfG
Leitsatz (NV)
1. Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Verfassungsmäßigkeit dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten sein könnte.
2. Ist der zuständige Senat des BFH nicht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Gesetzesnorm überzeugt, kann er das Revisionsverfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Das gilt auch dann, wenn ein anderer Senat des BFH in einem - ein anderes Verfahren betreffenden - Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Rechtsauffassung geäußert hat, die zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen würde. Auch eine Anrufung des Großen Senats des BFH ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Normenkette
FGO §§ 11, 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80 Abs. 1 S. 1; UmwStG 1995 § 4 Abs. 6 S. 2, § 27 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war einziger Kommanditist der inzwischen vollbeendeten C-KG. Er wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der C-KG betreffend das Streitjahr 1996.
Die C-KG ist aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 15. August 1997, der am gleichen Tag zum Handelsregister angemeldet und dort am 23. September 1997 eingetragen wurde, mit steuerlicher Rückwirkung zum 31. Dezember 1996 durch formwechselnde Umwandlung aus einer GmbH hervorgegangen. Den aus dem Formwechsel entstandenen Übernahmeverlust --dessen Höhe von … DM zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht-- rechnete die C-KG in voller Höhe den laufenden Einkünften des Klägers zu. Das FA berücksichtigte demgegenüber den Übernahmeverlust für das Streitjahr zu lediglich 1/15 und erließ auf dieser Grundlage den angefochtenen Feststellungsbescheid. Es berief sich dabei auf § 4 Abs. 6 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928), der gemäß § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7) für alle Umwandlungsfälle anzuwenden sei, deren Eintragung im Handelsregister nach dem 5. August 1997 beantragt worden ist.
Der Kläger hält die Regelung des § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot für verfassungswidrig. Seine Klage blieb ohne Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 10. Dezember 2008 1 K 162/07 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 708 veröffentlicht.
Der Kläger beantragt die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargetan.
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (Senatsbeschluss vom 6. November 2007 I B 88/07, BFH/NV 2008, 577; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 f., jeweils m.w.N.). Dem werden die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 29. April 2008 I R 103/01 (BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723) eingehend begründet, warum seiner Auffassung nach § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Er ist dabei im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon ausgegangen, dass mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses über eine Neuregelung für einen Vertrauensschutz des Bürgers in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage regelmäßig kein Raum mehr ist.
Der Kläger meint demgegenüber, im Falle der Änderungen des § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform sei eine Ausnahme von diesem Grundsatz geboten, weil die Regelung --in verfassungswidriger Weise und für die Öffentlichkeit nicht erkennbar-- erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 4. August 1997 in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden sei. Davon ist indes auch der Senat in seinem Urteil in BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723 ausgegangen (Gliederungspunkt C.4.), ohne darin einen Grund für eine Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz zu sehen. Es handelt sich mithin nicht um einen neuen, vom Senat noch nicht bedachten Gesichtspunkt.
Soweit der Kläger vorträgt, die Öffentlichkeit sei erst drei Wochen nach dem Gesetzesbeschluss durch einen Zeitungsartikel vom 26. August 1997 von der Änderung des § 4 Abs. 6 UmwStG 1995 in Kenntnis gesetzt worden, kann offenbleiben, ob dies tatsächlich zutrifft. Denn zum einen kann das Vertrauen des Steuerpflichtigen ohnehin immer nur typisierend geschützt werden, nicht aber bezogen auf den jeweiligen Einzelfall und für den dabei gegebenen subjektiven Informationsstand. Zum anderen und vor allem kann der Kläger daraus für sich kein günstigeres Ergebnis herleiten, weil zu diesem Zeitpunkt (Ende August 1997) der für die Besteuerung im Streitfall maßgebliche Tatbestand --der Formwechsel-- mangels Eintragung des streitgegenständlichen Umwandlungsbeschlusses im Handelsregister noch nicht abgeschlossen war. Die Beteiligten hätten den Umwandlungsbeschluss durch schlichte Rücknahme des Eintragungsantrags gegenüber dem Handelsregister wirkungslos werden lassen können; ihre Disposition war mithin noch nicht unumkehrbar abgeschlossen.
Mit der in der Beschwerdebegründung angeführten Auffassung u.a. des XI. Senats des BFH (Vorlagebeschlüsse vom 2. August 2006 XI R 34/02, BFHE 214, 386, BStBl II 2006, 887, und XI R 30/03, BFHE 214, 406, BStBl II 2006, 895), wonach die Verkündung des Änderungsgesetzes im BGBl derjenige Zeitpunkt sei, bis zu dem das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die alte Rechtslage nach den Grundsätzen einer echten Rückwirkung schutzwürdig sei, hat sich der Senat bereits im Urteil in BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723 befasst. Er hat dort begründet, warum er dieser Auffassung nicht zu folgen vermag. Wesentlich Neues trägt der Kläger dazu nicht vor. Soweit er auf die Rechtslage in anderen Ländern und auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum Gemeinschaftsrecht verweist, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Auslegung des Grundgesetzes (GG) davon maßgeblich beeinflusst werden könnte.
2. Die Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) wegen divergierender Gerichtsentscheidungen hat der Kläger nicht schlüssig dargetan. Bei den zuvor erwähnten Vorlagebeschlüssen des XI. Senats vom 2. August 2006 an das BVerfG handelt es sich nicht um "Entscheidungen", von denen das FG- Urteil abweichen könnte. Denn nicht der BFH, sondern nur das BVerfG kann entscheiden, dass ein Gesetz verfassungswidrig ist (Art. 100 Abs. 1 GG).
Der Senat könnte im Übrigen in dem angestrebten Revisionsverfahren keine endgültige Klärung der Frage herbeiführen. Denn er dürfte den Rechtsstreit nur dann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen, wenn er von der Verfassungswidrigkeit des § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 überzeugt wäre. Das ist aber aus den im Senatsurteil in BFHE 221, 121, BStBl II 2008, 723 genannten Gründen nicht der Fall. Ebenso wenig könnte er den Rechtsstreit wegen einer Divergenz zu den erwähnten Vorlagebeschlüssen des XI. Senats in BFHE 214, 386, BStBl II 2006, 887 und in BFHE 214, 406, BStBl II 2006, 895 gemäß § 11 FGO dem Großen Senat des BFH vorlegen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4).
Fundstellen
Haufe-Index 2258028 |
BFH/NV 2010, 48 |