Leitsatz (amtlich)
1. §§ 16, 34 EStG sind auch auf im Aufbau befindliche Teilbetriebe anzuwenden, die ihre werbende Tätigkeit noch nicht aufgenommen haben.
2. Ein im Aufbau befindlicher Teilbetrieb liegt erst dann vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen bereits vorhanden sind und bei zielgerechter Weiterverfolgung des Aufbauplanes ein selbständig lebensfähiger Organismus zu erwarten ist.
Orientierungssatz
1. Die Vorschriften der §§ 16, 34 EStG gelten unabhängig von ihrer ursprünglichen Zweckrichtung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19.2.1981 IV R 116/77) in allen Fällen einer Betriebsveräußerung, d.h. auch dann, wenn etwa keine anderen Einkünfte erzielt werden und der Veräußerungsgewinn nur eine Besteuerung nach Maßgabe des proportionalen Tarifbereichs auslösen würde. Sie gelten auch, wenn der Veräußerungsgewinn den ohne Veräußerungsgewinn für das Veranlagungsjahr zu erwartenden laufenden Gewinn nicht übersteigt.
2. Eine Torfabbaumaschine (Torfstechmaschine) gehört bei einem Torfwerk zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.
Normenkette
EStG §§ 16, 34 Abs. 1, 2 Nr. 1
Tatbestand
Streit besteht über das Vorliegen einer nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Teilbetriebsveräußerung.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Torfstreuwerk. Im Jahre 1968 erwarb sie rd. 90 km vom Stammwerk entfernt Moorgrundstücke in der Größe von ca. 34,5 ha. Ferner pachtete sie in derselben Gegend weitere Moorflächen in der Gesamtgröße von rd. 145 ha. Die Klägerin beabsichtigte, dort einen weiteren Betrieb zur Gewinnung und Verarbeitung von Weißtorf zu errichten. Im Jahre 1970 beantragte und erhielt sie für die gekauften und angepachteten Flächen eine Abtorfungsgenehmigung, im Jahre 1972 wurde diese Genehmigung verlängert. Die Klägerin begann, das Moorgebiet zu entwässern, sie zog zu diesem Zweck Gräben und richtete einen Vorfluter ein. Sie verhandelte ferner mit Energieerzeugungsunternehmen wegen der nötigen elektrischen Anschlüsse. Nach eigenen Angaben ließ sie darüber hinaus Pläne für das beabsichtigte Torfwerk entwerfen. Sie schaffte im Jahre 1969 eine Torfstechmaschine für rd. 50 000 DM an, die sie im Jahre 1972 wieder veräußerte.
Ende des Jahres 1973 verstarb der bisherige geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin. Ende des folgenden Jahres 1974 verkaufte die Klägerin den Grund und Boden an ein anderes Torfgewinnungsunternehmen. Die Käuferin trat gegen ein weiteres Entgelt auch in die Rechte aus den Pachtverträgen ein. Der Kaufvertrag wurde unter der Voraussetzung geschlossen, daß ein geplantes Torfwerk auch tatsächlich genehmigt und gebaut wurde. Die Käuferin errichtete in einem der Folgejahre das geplante Torfwerk und baute den Torf erwartungsgemäß ab.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Veräußerung nicht als Teilbetriebsveräußerung an und versagte die Anwendung der §§ 16, 34 EStG.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß die veräußerten Flächen jedenfalls zur Zeit des Verkaufs noch keinen Teilbetrieb dargestellt hätten. Vorhanden gewesen sei bestenfalls der --nicht lebensfähige-- Torso eines möglichen Teilbetriebs.
Es sei allerdings einzuräumen, daß in dem Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 19.Februar 1936 VI A 806/34 (RStBl 1936, 766) ein tarifbegünstigter Gewinn aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs auch dann bejaht worden sei, wenn der Betrieb seine eigentliche Tätigkeit noch nicht begonnen habe. Der vom RFH entschiedene Fall habe indes lediglich einen Gesamtbetrieb betroffen. Da die Rechtsprechung an die Abgrenzung Betriebsteil von Teilbetrieb höhere Anforderungen stelle, könne diese Rechtsprechung auf Teilbetriebe nicht übertragen werden. Dementsprechend habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) einen Teilbetrieb stets erst dann bejaht, wenn die "Aufbau- und Einrichtungsphase" beendet gewesen sei (vgl. Urteile vom 12.September 1979 I R 146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51, sowie vom 5.Oktober 1976 VIII R 62/72, BFHE 120, 257, BStBl II 1977, 42).
Mit der Revision wird die Verletzung der §§ 76, 96 und § 105 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie der §§ 15, 34 EStG gerügt.
Das FG sei dem klägerischen Tatsachenvortrag nicht hinreichend nachgegangen, wonach die Torfstechmaschine nur deshalb nicht an die Erwerberin des im Ausbau befindlichen Torfbetriebs mitveräußert worden sei, weil diese eine andere Maschine gekauft habe bzw. habe kaufen wollen. Auch sei der noch sehr junge und nicht aussagekompetente X unvermittelt vom Gericht einvernommen worden, ohne daß dieser sich auf seine Aussage habe vorbereiten können. Schließlich sei dessen Aussage nicht vorgelesen und genehmigt worden, wie das Sitzungsprotokoll erweise.
Materiell-rechtlich habe das FG zu Unrecht das Vorliegen eines im Aufbau begriffenen Teilbetriebs verneint. Es sei wohl richtig, daß noch nicht von der Selbständigkeit eines im Aufbau befindlichen Betriebsteils gesprochen werden könne, wenn ein Unternehmer zum Zweck des Aufbaues eines geplanten Teilbetriebs zunächst nur ein Grundstück oder ein sonstiges eigenes Wirtschaftsgut erwerbe und dieses später wieder veräußere, weil er seinen Plan bereits nach dieser Einzelmaßnahme wieder aufgegeben habe. Die Existenz eines selbständigen Teilbetriebs müsse jedoch angenommen werden, wenn --wie im vorliegenden Fall-- über den Grundstückserwerb hinaus schon weitere wesentliche Maßnahmen zur Einrichtung des vorgesehenen Teilbetriebs getroffen worden seien. Wesentlich seien hier insbesondere der Erwerb der Moorgrundstücke und die Anpachtung vieler weiterer gleichartiger Flächen, ferner die nach einem langen Verwaltungsverfahren erteilte und später erneuerte Torfabbaugenehmigung, die umfangreichen Entwässerungsmaßnahmen, die Anschaffung einer neuen (später als ungeeignet wieder veräußerten) Torfstechmaschine, die Planung eines Produktionsgebäudes und die Bemühungen um die notwendige Energiezufuhr.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache im Hinblick auf die Verfahrensmängel zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es bestreitet die von der Klägerin behaupteten Verfahrensmängel und beruft sich im wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils. Zu einem Teilbetrieb gehöre mehr, nämlich eigenes Personal, eigene Betriebsausstattung, eine eigene Organisation und eine gesonderte Gewinnermittlung.
Die Beteiligten haben sich mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die nach Auffassung der Klägerin fehlende Ordnungsmäßigkeit der Einvernahme ihres Gesellschafters X hätte bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt werden müssen. Daß dies geschehen ist, trägt die Klägerin nicht vor. Es ergibt sich auch nicht aus der Sitzungsniederschrift des FG. Bezüglich der übrigen Verfahrensrügen wird von einer Begründung abgesehen (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--).
2. §§ 16, 34 EStG sind auf im Aufbau befindliche Teilbetriebe anzuwenden, die ihre werbende Tätigkeit noch nicht aufgenommen haben.
Zwar liegt diesen Begünstigungsvorschriften der Gedanke zugrunde, die bei Betriebsveräußerungen in der Regel eintretende zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen (BFH-Urteil vom 19.Februar 1981 IV R 116/77, BFHE 133, 176, 178, BStBl II 1981, 566). Es könnte deshalb daran gedacht werden, die Vorschriften auf solche Fälle nicht anzuwenden, in denen es zu einer Zusammenballung der stillen Reserven und als Folge zu einer erheblichen Verstärkung der Progressionswirkung normalerweise nicht kommt. Die Veräußerung eines erst im Aufbau befindlichen Teilbetriebs könnte ein solcher Fall sein. Denn in einer --wie meist-- nur kurzen Aufbauphase werden sich in der Regel nur geringfügige stille Reserven ansammeln.
Die Anwendung der §§ 16, 34 EStG ist indes nicht davon abhängig, daß der Veräußerungsgewinn ohne das Eingreifen dieser Vorschriften zu einer Progressionserhöhung führen würde (vgl. u.a. Littmann/Bitz/Meinke, Das Einkommensteuerrecht, § 16 Rdnr.2; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7.Aufl., § 16 Anm.2). Die Vorschriften gelten vielmehr angesichts ihres eindeutigen Wortlauts unabhängig von ihrer ursprünglichen Zweckrichtung in allen Fällen einer Betriebsveräußerung, d.h. auch dann, wenn etwa keine anderen Einkünfte erzielt werden und der Veräußerungsgewinn nur eine Besteuerung nach Maßgabe des proportionalen Tarifbereichs auslösen würde. Sie gelten auch, wenn der Veräußerungsgewinn den ohne Veräußerung für das Veranlagungsjahr zu erwartenden laufenden Gewinn nicht übersteigt. Ist aber § 16 EStG unabhängig von der Höhe der realisierten stillen Reserven und deren Auswirkung auf den Steuersatz anwendbar, so besteht kein Grund, die Vorschrift auf im Entstehen begriffene Betriebe und Teilbetriebe nicht anzuwenden. Denn der im Aufbau befindliche Betrieb (Teilbetrieb) wird auch sonst dem bereits aktiven gewerblichen Unternehmen gleichgestellt. Dies gilt für vorweggenommene Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben und insbesondere für Gewinne, die durch die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens vor Betriebseröffnung erzielt werden (vgl. RFH in RStBl 1936, 766).
3. Die Klägerin hat indes keinen im Aufbau befindlichen Teilbetrieb veräußert.
Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einem Teilbetrieb ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs zu verstehen, der als solcher lebensfähig ist. Ein im Aufbau befindlicher Teilbetrieb weist naturgemäß nicht alle diese Voraussetzungen auf. Insbesondere wird er in der Regel noch nicht lebensfähig sein, weil dem Wesen der Aufbauphase entsprechend bestimmte zur Lebensfähigkeit erforderliche Elemente (z.B. Personalbestand) noch fehlen.
Die Bestimmung des Begriffs "im Aufbau befindlicher Teilbetrieb" muß sich an der Definition des im Aufbau befindlichen Betriebs orientieren. Von einem solchen kann nur gesprochen werden, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen bereits vorhanden und bei zielgerechter Weiterverfolgung des Aufbauplans ein selbständig lebensfähiger Organismus zu erwarten ist. Wann dieses Stadium erreicht ist, muß nach Lage des Einzelfalles, insbesondere der Betriebsart, entschieden werden. Hinzutreten muß bei einem Teilbetrieb, daß sich die künftige Selbständigkeit gegenüber dem Gesamtunternehmen insbesondere nach Lage und/oder Funktion zweifelsfrei erkennen läßt.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle deshalb nicht erfüllt, weil im Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücke und der Abtretung der Rechte aus den Pachtverträgen nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden waren. Durch Kauf und Pacht der Torfgrundstücke, durch das Erwirken der behördlichen Abtorfungsgenehmigung und durch die Trockenlegung der Grundflächen wurden zwar sehr wesentliche Grundlagen des geplanten Torfabbaubetriebs geschaffen. Auch war erkennbar, daß sich der geplante Torfabbau nicht im Rahmen des Betriebs des Torfstreuwerks vollziehen, sondern eigenständig gehandhabt werden sollte. Insbesondere die Entfernung von 90 km zwischen den neuerworbenen bzw. gepachteten Torfflächen und dem Stammwerk spricht für die Richtigkeit des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin. Ein im Entstehen begriffener Teilbetrieb lag indes gleichwohl noch nicht vor, weil eine Torfabbaumaschine nicht vorhanden war. Das FG ist zu der Auffassung gelangt, daß eine Torfstechmaschine zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs der hier einschlägigen Art gehört. Es hat dies damit begründet, daß ohne eine solche Maschine Torf schlechterdings nicht abgebaut werden könne. Diese Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie wird auch von der Klägerin nicht angegriffen. Die Klägerin trägt lediglich vor, daß die vorhanden gewesene Maschine, die im September 1972 veräußert worden sei, sich angesichts der Art des abzubauenden Torfgeländes als ungeeignet erwiesen habe. Dieses Vorbringen kann indes zu keiner anderen Beurteilung führen, denn die Notwendigkeit einer Torfabbaumaschine schlechthin --gleichviel welcher Art und Konstruktion-- für einen Torfabbaubetrieb wird dadurch nicht in Frage gestellt. Daß eine Maschine einmal vorhanden gewesen ist, ist für die Entscheidung unerheblich, denn die Veräußerung dieser Maschine lag bereits rd. 2 Jahre zurück. Sie stand mithin in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Grundstücke und der Abtretung der Rechte aus dem Pachtvertrag. Von der Beschaffung einer neuen --geeigneten-- Maschine hat die Klägerin abgesehen, so daß zur Zeit der Immobilienverkäufe die wesentliche Betriebsgrundlage "Torfabbaumaschine" nicht vorhanden war und deshalb auch nicht an den Erwerber der Grundstücke mitverkauft werden konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 62527 |
BFH/NV 1989, 19 |
BStBl II 1989, 458 |
BFHE 156, 158 |
BFHE 1989, 158 |
BB 1989, 1038-1039 (LT1-2) |
DB 1989, 1005-1006 (LT) |
DStR 1989, 356 (KT) |
HFR 1989, 366 (LT) |