Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechnung i. S. v. § 14 Abs. 3 UStG 1980
Leitsatz (NV)
Nach ständiger Rechtsprechung gilt der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG 1980 sowohl für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 als auch im Hinblick auf den Vorsteuerabzugsanspruch gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980.
Aus diesen beiden Vorschriften läßt sich jedenfalls keine Unterscheidung danach entnehmen, ob die Eignung der Abrechnung, zur Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen verwendet zu werden, lediglich eine tatsächliche oder aber eine rechtliche sein müsse.
Die Frage der Möglichkeit, Rechnungen i. S. v. § 14 Abs. 3 UStG 1980 zu berichtigen, ist nicht im Verfahren zur Steuerfestsetzung, sondern in einem Billigkeitsverfahren zu prüfen.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 3-4, § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war vom 1. Juli 1986 an aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 3. Juli 1986 für eine Grundstücksgesellschaft (M) nichtselbständig tätig. Er war u. a. mit dem An- und Verkauf von Häusern und Grundstücken sowie mit der Vermittlung von Bauaufträgen betraut.
Im Hinblick auf seine sehr schwierige wirtschaftliche Lage nach einem Konkurs kam der Kläger mit M überein, seine Liquiditätsprobleme durch Änderung der Beschäftigungsvereinbarung zu lösen. An die Stelle des Anstellungsvertrags trat ab 1. Februar 1988 ein "HGB-Vertrag gemäß § 84 HGB" nebst Zusatzvereinbarung. Aufgrund dessen sollte der Kläger als freier Mitarbeiter dieselben Funktionen ausüben, die er bis dahin als Angestellter ausgeübt hatte. Auch die Vergütung änderte sich nicht. Neben der Provision erhielt der Kläger weiterhin eine Aufwendungspauschale in Höhe von ... DM monatlich ohne Einzelnachweis. Dieses Vertragsverhältnis endete einvernehmlich zum 16. November 1989.
Der Kläger rechnete über die Provisionen und Aufwandsentschädigungen, die ihm vom 1. Februar 1988 bis 16. November 1989 zustanden, jeweils netto zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber M ab. Diese Umsatzsteuerbeträge gab der Kläger in seinen Umsatzsteuererklärungen für 1988 und 1989, beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) am 23. November 1989 bzw. 28. Mai 1990 eingegangen, nicht an.
In einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und M entschied das Arbeitsgericht durch Teilurteil vom 25. April 1990, daß auch in der Zeit vom 1. Februar 1988 bis 16. November 1989 zwischen den Beteiligten ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Ein freier Dienstvertrag in der Form eines Handelsvertreterverhältnisses sei nicht wirksam begründet worden. In einem Vergleich im Berufungsverfahren gingen die Beteiligten vom Bestand eines Angestelltenverhältnisses für den fraglichen Zeitraum aus.
Das FA setzte in geänderten Umsatzsteuerbescheiden für 1988 und 1989 Umsatzsteuer in Höhe der ausgewiesenen Beträge gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte der Kläger mit der Klage im wesentlichen geltend, die Rechnungen an M seien nach Klärung der Rechtslage durch das Arbeitsgericht sämtlich wieder geändert worden und ohne Umsatzsteuerausweis M auch zugegangen. Die Abrechnung mit M sei wie folgt abgewickelt worden:
Die Rechnungen seien jeweils am und zum Ende eines jeden Monats erteilt worden. Grundlage der Provisionsabrechnungen seien die notariell beurkundeten Kaufverträge dieses bestimmten Zeitraums gewesen. Da über diese Verträge und deren Abschlußtermin zwischen ihm und M vor Rechnungserteilung Klarheit durch interne Abstimmung erzielt worden sei, habe der Rechnungstext relativ kurz gefaßt sein können. Unstimmigkeiten habe es insoweit nie gegeben. Die Berechnungsgrundlage habe die Buchhaltung der M erstellt. Er habe sie nur kontrolliert und nachvollzogen. Überdies liege keine mißbräuchliche Inrechnungstellung vor, weil M als Rechnungsempfänger ein Bauträgerunternehmen mit überwiegend nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätzen -- also ohne Vorsteuerabzug -- sei. Die von M gelegentlich abgeschlossenen Werkverträge ergäben allenfalls einen Umsatzanteil von 5 bis 10 v. H.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 727). Für § 14 Abs. 3 UStG 1980 sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht erforderlich, daß die Rechnung oder andere Urkunde alle in § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 vorgesehenen Angaben enthalte. Die Abrechnung müsse nur geeignet sein, zur Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen verwendet zu werden. Zweifelhaft könne zwar sein, ob im Streitfall die tatsächliche Eignung der Abrechnung genüge, wie das FA unter Hinweis auf mindestens mögliche Buchungs- und Prüfungsabläufe meine, oder ob auch deren rechtliche Eignung zu fordern sei, die man nur dann bejahen könne, wenn die eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung möglich sei, über die abgerechnet worden sei.
Im Streitfall sei -- mit dem FA -- davon auszugehen, daß die Gefährdungslage eingetreten sei, weil der Kläger -- unstreitig als Nichtunternehmer -- der M Abrechnungspapiere ausgehändigt habe und (zunächst) nicht mehr habe verhindern können, daß M von diesen als Rechnungen habe Gebrauch machen können.
Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, daß die Abrechnungspapiere nach der BFH-Rechtsprechung rechtlich nicht geeignet gewesen seien, den Vorsteuerabzug zu ermöglichen.
Der Steuerfestsetzung gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 stehe im Streitfall nicht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87 (Slg. 1989, 4227), Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1991, 83) entgegen. Denn die vom EuGH angesprochene Berichtigungsmöglichkeit im Fall guten Glaubens des Ausstellers einer Rechnung zur Wahrung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer sei nach deutschem Recht nach den Regeln des Billigkeitserlasses zu entscheiden. Das Verfahren des Streitfalls sei kein Billigkeitsverfahren.
Das FG ließ die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu, weil nicht abschließend geklärt erscheine, ob eine "andere Urkunde" gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 nur gegeben sei, wenn in ihr wie in einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 UStG 1980 "über eine Lieferung oder sonstige Leistung" so abgerechnet sei, daß sie die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug i. S. der BFH-Rechtsprechung erfülle (z. B. BFH-Urteil vom 10. November 1994 V R 45/93, BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395).
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980. Nach seiner Auffassung sind an den Rechnungsbegriff i. S. des § 14 Abs. 3 UStG 1980 dieselben Anforderungen zu stellen wie an den des § 15 UStG 1980 für den Vorsteuerabzug. Ein Abrechnungspapier erfülle nur dann die Voraussetzungen beider Vorschriften, wenn darin Angaben über den Leistungsgegenstand enthalten seien, die dessen eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung ermöglichten. Sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, trete auch der Gefährdungstatbestand des Mißbrauchs in bezug auf den Vorsteuerabzug nicht ein. § 14 Abs. 3 UStG 1980 sei dann nicht erfüllt.
Es sei daher zu klären, ob die Abrechnungsbelege eine "andere Urkunde" i. S. von § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 seien und die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug erfüllten.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer ohne den Ansatz der streitigen Umsatzsteuerbeträge festzusetzen.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das Urteil des FG war aufzuheben. Das FG geht mit dem FA offenbar davon aus, daß an den Begriff der "Rechnung" bzw. der "anderen Urkunde" i. S. von § 14 Abs. 3 UStG 1980 andere (geringere) Anforderungen zu stellen seien, als an denselben Begriff im Rahmen des § 15 UStG 1980. Für die vom FG angeführte Unterscheidung, ob eine "tatsächliche Eignung" oder eine "rechtliche Eignung" ausreichend bzw. erforderlich sei, gibt die Rechtsprechung des BFH keinen Anhaltspunkt. Aus § 14 Abs. 3 und § 15 Abs. 1 UStG 1980 läßt sich diese Unterscheidung nicht entnehmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG 1980 sowohl für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 (vgl. Urteile vom 4. Mai 1995 V R 29/94, BFHE 177, 554, BStBl II 1995, 747, und vom 27. Januar 1994 V R 113/91, BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342) als auch im Hinblick auf den Vorsteuerabzugsanspruch gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980 (Urteile vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und in BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395). Zu der hier streitigen Beschreibung des Leistungsgegenstandes im Abrechnungspapier hat der Senat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 14. Juli 1988 Rs. 123, 330/87, Slg. 1988, 4537, 4545, UR 1989, 380) ausgeführt, es müßten Angaben tatsächlicher Art enthalten sein, welche -- ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel -- die Identifizierung der Leistung ermöglichten, über die abgerechnet worden sei. Solche Angaben dürften jedoch nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Anforderungen sind -- je nach Besonderheiten des Falles -- unter gebotener Rücksichtnahme auf die praktischen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs abzugrenzen (vgl. insbesondere BFH in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, unter II. 9. b).
2. Der Senat kann die Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Die Feststellungen des FG reichen dazu nicht aus.
Das FG bejahte zwar eine "tatsächliche Eignung" der Abrechnungspapiere für den Vorsteuerabzug und damit die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980. Es führte aber dazu weiter aus: "Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, daß die Abrechnungspapiere nach der BFH-Rechtsprechung rechtlich nicht geeignet waren, den Vorsteuerabzug zu ermöglichen."
Anhand welcher Umstände das FG zu dieser rechtlichen Beurteilung kam, ist aus der Entscheidung jedoch nicht erkennbar. Eine Beschreibung der Abrechnung bzw. eine Würdigung der Gesamtumstände, anhand derer im Streitfall die Prüfung der Eignung der Rechnungsangaben für den Vorsteuerabzug vorzunehmen ist, vermag der Senat dem Urteil nicht zu entnehmen.
Im Hinblick darauf, daß nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils die vom Kläger ausgeführten (und abgerechneten) Leistungen für M im wesentlichen identisch waren mit den Leistungen, die er als Angestellter von M ausführte, könnte bei monatlicher Abrechnung u. U. schon ein Hinweis darauf ausreichend sein, daß es sich um Vermittlungsleistungen für einen bestimmten Zeitraum an M gehandelt habe. Zur erneuten Prüfung und Würdigung dieser Umstände wird die Sache an das FG zurückverwiesen.
3. Zutreffend hat das FG im übrigen darauf hingewiesen, daß die Frage der Möglichkeit, Rechnungen i. S. des § 14 Abs. 3 UStG 1980 zu berichtigen, nicht im hier anhängigen Verfahren zur Steuerfestsetzung, sondern in einem Billigkeitsverfahren zu prüfen ist (abgesehen davon, daß die vom Kläger vorgenommenen Rechnungsberichtigungen einen anderen Besteuerungszeitraum betreffen als die Streitjahre). In diesem Verfahren kann ggf. auch der Umstand berücksichtigt werden, daß die Eigenschaft des Klägers als Nichtunternehmer, die zur Heranziehung aus § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 führte, erst aufgrund eines arbeitsrechtlichen Verfahrens zwischen den Beteiligten geklärt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 421690 |
BFH/NV 1997, 381 |