Entscheidungsstichwort (Thema)
Neuer Verwaltungsakt in der Revisionsinstanz; zur Rückforderung vorfinanzierter Ausfuhrerstattung
Leitsatz (NV)
1. Der Antrag nach § 68 FGO kann auch noch im Revisionsverfahren gestellt werden. Der BFH kann, obwohl die Vorinstanz den Bescheid noch nicht geprüft hat, in der Sache selbst entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist.
2. Der Begünstigte einer im Vorfinanzierungswege aufgrund eines Erstattungsveredelungsverkehrs gezahlten Ausfuhrerstattung hat - falls die tatsächlich ausgeführten Waren nicht jenen entsprachen, zu deren Ausfuhr sich der Begünstigte verpflichtet hatte - die Differenz zwischen dem vorfinanzierten Betrag und dem Betrag, der ihm für die tatsächlich ausgeführten Waren zugestanden hätte, zuzüglich eines 20 %igen Zuschlags auf diese Differenz, zurückzuzahlen. Abzugsbetrag ist dabei jener, auf den der Begünstigte für die tatsächlich ausgeführten Waren einen Anspruch gehabt hätte.
Normenkette
FGO §§ 68, 127; EWGV 1957/69 Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1, 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lieferte im Jahre 1977 Schaffutter nach Libyen. Im Zusammenhang mit der Herstellung des Schaffutters zeigte die Klägerin im Rahmen eines Zollkontrollverfahrens i. S. des Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 441/69 (VO Nr. 441/69) des Rates vom 4. März 1969 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 59/1) mit Anzeigen vom 10. Juni und 15. Juli 1977 die Überführung einer bestimmten Menge von Gerste/ Mais in das genannte Zollkontrollverfahren an und verpflichtete sich, hieraus eine bestimmte Menge ,,Getreidemischfutter mit einem Gehalt an Stärke von mehr als 30 Gewichtshundertteilen (GHT), keine Milcherzeugnisse enthaltend, mit mehr als 65 GHT Getreideerzeugnissen" herzustellen. Auf Antrag der Klägerin gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) mit Bescheiden vom 27. Juni und 28. Juli 1977 nach Art. 3 VO Nr. 441/69 im Vorfinanzierungswege Ausfuhrerstattung und Währungsausgleichsbeträge (WAB) in Höhe von insgesamt 2 535 949,89 DM. Die Klägerin wickelte das Zollkontrollverfahren fristgerecht ab. Nach Vorlage der Kontrollexemplare und der Probenahme-Atteste gab das HZA die von der Klägerin gestellte Kaution frei.
Im Rahmen einer Prüfung durch die Zollbehörden im Frühjahr 1978 wurde festgestellt, daß in einem von vier Werken, in denen das Schaffutter hergestellt worden war, der Ist-Verbrauch an Gerste und Mais geringer als der Soll-Verbrauch war, so daß sich danach bei einer Teilmenge der Futtermittel rechnerisch ein Getreideanteil von nur 63,9 GHT ergab. Das HZA hielt daraufhin die Voraussetzungen für eine Vorfinanzierung im Zollkontrollverfahren hinsichtlich dieser Ware für nicht erfüllt. Mit Änderungsbescheid vom 21. November 1978 forderte es Ausfuhrerstattung und WAB in Höhe von insgesamt 1 066 739,05 DM zurück. Diesen Betrag errechnete das HZA wie folgt: Es erhöhte die für die genannte Menge vorausgezahlten und zurückzuzahlenden Beträge an Ausfuhrerstattung und WAB um einen Zuschlag von 20 v. H. (= 507 198,98 DM; vgl. Art. 6 der Verordnung [EWG] Nr. 1957/69 - VO Nr. 1957/69 - der Kommission vom 30. September 1969, ABlEG L 250/1). Von dem sich daraus ergebenden Gesamtrückforderungsbetrag in Höhe von 3 043 193,87 DM zog das HZA den Betrag an Ausfuhrerstattung und WAB ab, der bei der Ausfuhr von Futtermitteln der genannten Menge bei Zugrundelegung eines Getreideanteils von 50-65 GHT zu gewähren war (= 1 976 454,82 DM).
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beantragte die Klägerin die ersatzlose Aufhebung des Änderungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Die Klage hatte teilweisen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) änderte den Bescheid vom 21. November 1978 dahingehend, daß die Ausfuhrerstattung und die WAB ohne Erhebung eines Zuschlags festgesetzt und der Rückforderungsbescheid entsprechend (also um 507 198,98 DM) ermäßigt wurde. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus:
Das im Werk B. hergestellte und nach Libyen gelieferte Schaffutter habe keinen Getreideanteil von mehr als 65 GHT gehabt. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausfuhrvergünstigungen im Rahmen des Zollkontrollverfahrens nicht erfüllt. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1957/69 habe das Verfahren nur Schaffutter mit einem Getreideanteil von ,,mehr als 65 GHT" betroffen. Soweit die Klägerin deswegen zuviel an Ausfuhrvergünstigungen erhalten habe, könne das HZA diese zurückfordern.
Das HZA habe zu Unrecht jedoch einen Zuschlag in Höhe von 20 v. H. erhoben. Dieser Zuschlag sei schon insofern rechtswidrig, als er nicht auf die Differenz zwischen den im Zollkontrollverfahren zu Unrecht gewährten und den außerhalb des Zollkontrollverfahrens zu gewährenden Ausfuhrvergünstigungen erhoben worden sei. Unabhängig davon stehe der Geltendmachung des Zuschlags aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen. Die Nichteinhaltung des Getreideanteils von mehr als 65 GHT beruhe nicht auf einem in irgendeiner Form vorwerfbaren Verhalten der Klägerin. Der mit einem Zuschlag angestrebte Zweck, einer sachlich ungerechtfertigten Gewährung von Ausfuhrvergünstigungen entgegenzuwirken, gehe hier ins Leere.
Gegen diese Entscheidung hat das HZA Revision mit folgender Begründung eingelegt: Die Erwägungen des FG über die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gingen fehl, weil sie dem Gemeinschaftsrecht einem dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers entgegenstehenden Inhalt gäben. Die VO Nr. 1957/69 gebe auch keine Grundlage dafür, daß die Erhebung des Zuschlags auf die Differenz zwischen der im Zollkontrollverfahren zu Unrecht gezahlten und der für die tatsächliche Ausfuhr zu gewährenden Ausfuhrvergünstigung zu beschränken sei.
Mit Beschluß vom 13. August 1985 VII R 28/82 (BFHE 144, 316) holte der Senat nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVtr) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ein. Dieser entschied mit Urteil vom 5. Februar 1987 Rs. 288/85, daß ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1957/69 verpflichtet hat, ein Mischfuttermittel mit einem Getreideanteil von mehr als 65 GHT auszuführen, dann, wenn er aufgrund ihm nicht vorwerfbarer Umstände tatsächlich ein Mischfuttermittel mit einem Getreideanteil von nur 50 bis 65 GHT ausgeführt hat, nach Art. 6 Abs. 1 und 5 VO Nr. 1957/69 auch nach Freigabe der Kaution verpflichtet ist, die Differenz zwischen dem ihm vorausgezahlten Erstattungsbetrag und dem Erstattungsbetrag, der ihm für die tatsächlich ausgeführten Erzeugnisse zugestanden hätte, zuzüglich eines 20 %igen Zuschlags auf diese Differenz, zurückzuzahlen (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1987, 319).
Mit Änderungsbescheid vom 23. März 1987 - den die Klägerin nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat - ermäßigte das HZA daraufhin den Rückforderungsbetrag auf 671 448,08 DM. Es errechnete diesen Betrag, indem es von dem ausgezahlten Betrag (2 535 994,89 DM) als ,,zustehende Ausfuhrvergünstigungen" einen Betrag von 1 976 454,82 DM abzog und als Zuschlag diesem Differenzbetrag von 559 540,07 DM 20 v. H. davon (= 111 908,01 DM) zuschlug.
Gegen diesen Änderungsbescheid macht die Klägerin folgendes geltend: Das HZA habe den 20 %igen Zuschlag auf einer nicht zutreffenden Basis berechnet. Zwar habe das HZA berücksichtigt, daß sie, die Klägerin, bei der Überführung des Grunderzeugnisses Lizenzen vorgelegt habe, in denen die Erstattung im voraus fixiert gewesen sei. Das HZA habe jedoch unzulässigerweise diesen maßgeblichen Zeitpunkt bei der weiteren Berechnung verlassen, indem es Berichtigungsbeträge auf die Zeitpunkte der tatsächlichen Ausfuhr des hergestellten Erzeugnisses angewendet habe. Diese Berichtigungsbeträge wirkten sich auf den Zuschlag so aus, daß das HZA zu einem um 33 654,13 DM zu hohen Betrag gelangt sei. Der EuGH sei bei der Errechnung der Differenz von derjenigen Erstattung ausgegangen, die für das hergestellte Erzeugnis bei Überführung in das Zollkontrollverfahren (Erstattungs-Veredelungs-Verkehr) maßgeblich gewesen wäre. Auch den Schlußanträgen des Generalanwalts sei zu entnehmen, daß bei abweichendem Erzeugnis nicht auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung der Erstattung verlagert werden dürfe.
Das HZA hält dem entgegen: Für das tatsächlich ausgeführte Erzeugnis sei ein wirksamer Erstattungs-Veredelungs-Verkehr nicht zustande gekommen, weil dieses Produkt von der Verpflichtungserklärung der Klägerin nicht gedeckt gewesen sei und somit die Bedingungen der Vorfinanzierungsregelungen nicht eingehalten worden seien. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin sprenge den Rahmen der gemeinschaftsrechtlich geregelten Vorfinanzierung und würde damit dieses Institut überhaupt in Frage stellen. Danach wäre es nämlich möglich, im Rahmen eines Erstattungs-Veredelungs-Verkehrs unter Abweichung von der zunächst abgegebenen Verpflichtungserklärung Erzeugnisse herzustellen, für die ein solcher Verkehr überhaupt nicht vorgesehen sei. Dies sei rechtlich unter keinem Gesichtspunkt haltbar. Dementsprechend habe der Generalanwalt in seinen Schlußanträgen seiner Berechnung des zutreffenden Rückzahlungsbetrages als für die Ausfuhrware zu gewährenden Erstattungsbetrag den Betrag zugrunde gelegt, der sich unter Anwendung des auf den Ausfuhrzeitpunkt berichtigten, im voraus festgesetzten Erstattungssatzes ergebe.
Beide Beteiligten regen für den Fall, daß ihrer Auffassung nicht gefolgt werde, die Einholung einer erneuten Vorabentscheidung des EuGH an.
Das HZA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den Rückforderungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. März 1987 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter entsprechender Abänderung der Vorentscheidung den Änderungsbescheid vom 23. März 1987 dahingehend zu ändern, daß der Rückforderungsbetrag auf 637 793,95 DM festgesetzt wird.
Entscheidungsgründe
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Rückforderungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. März 1987. Dieser ist nach dem entsprechenden Antrag der Klägerin Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 68 FGO). Der Antrag nach § 68 FGO kann auch noch im Revisionsverfahren gestellt werden. Der Senat kann daher nach § 127 FGO die Vorentscheidung aufheben und die Sache zurückverweisen. Er braucht aber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen. Er kann vielmehr trotz des Erlasses eines neuen, von der Vorinstanz noch nicht geprüften Bescheids in der Sache selbst entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist (vgl. auch Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Anm. zu § 127, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -). Im vorliegenden Fall ist die Sache spruchreif; denn der vom FG festgestellte Streitstoff ist von der Bescheidänderung unberührt geblieben.
2. Das HZA hat zu Recht den Betrag von 671 448,08 DM zurückgefordert.
Die Klägerin hatte sich nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1957/69 verpflichtet, ein Mischfuttermittel mit einem Getreideanteil von mehr als 65 GHT auszuführen. Nach den Feststellungen des FG - die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO) - hat die Klägerin jedoch in einem bestimmten Umfang tatsächlich Mischfuttermittel mit einem Getreideanteil von nur 50-65 GHT ausgeführt. Sie ist daher - wie der EuGH in seiner Vorabentscheidung für den erkennenden Senat bindend entschieden hat - nach Art. 6 Abs. 1 und 5 VO Nr. 1957/69 verpflichtet, in diesem Rahmen die Differenz zwischen dem im voraus gezahlten Erstattungsbetrag und dem Erstattungsbetrag, der ihr für die tatsächlich ausgeführten Erzeugnisse zugestanden hätte, zuzüglich eines 20 %igen Zuschlags auf diese Differenz, zurückzuzahlen. Der Rückforderungsbescheid in der Fassung des Bescheids vom 23. März 1987 entspricht dieser Rechtslage.
Die Klägerin hat im Vorfinanzierungswege im Juni und Juli 1977 Ausfuhrvergünstigungen in Höhe von insgesamt 2 535 994,89 DM erhalten. Diese sind unter Anwendung der nach den einschlägigen Verordnungen im Juni und Juli 1977 geltenden Sätze für Ausfuhrerstattung (135,68 DM/t x 0,907) und für WAB (36,32 DM/t) errechnet worden. Den Abzugsbetrag hat das HZA dagegen, soweit es sich um Ausfuhren im August und September 1977 handelte, nach niedrigeren Sätzen berechnet (Ausfuhrerstattung = 91,49 DM/t x 0,925; WAB = 30,21 DM/t). Diese Berechnung begegnet keinen Bedenken.
a) Die von der Klägerin tatsächlich ausgeführten Waren entsprachen nicht den Waren, zu deren Ausfuhr sich die Klägerin im Rahmen des Erstattungs-Veredelungs- Verkehrs verpflichtet hatte. Für die Berechnung der für diese Waren zu gewährenden Ausfuhrvergünstigungen sind also die Vorschriften über den Erstattungs- Veredelungs-Verkehr ohne Bedeutung. Diese Ausfuhrvergünstigungen sind vielmehr, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auf der Grundlage des ,,normalen" Erstattungsrechtes zu bemessen. Das hat das HZA getan. Es hat dabei berücksichtigt, daß die Klägerin bei der Abfertigung der Grunderzeugnisse zum Erstattungs- Veredelungs-Verkehr Einfuhrlizenzen vorgelegt hat, die bis zum 30. September 1977 galten und in denen die am 1. Juni 1977 für Getreidemischfuttermittel der Tarifst. 23.07 B I b 1 und c 1 gültigen Erstattungssätze im voraus festgesetzt worden waren; diese Lizenzen galten also für Mischfuttermittel, gleichgültig, ob ihr Gehalt an Getreideerzeugnissen unter oder über 65 GHT lag (vgl. S. 3/4 des Rückforderungsbescheids vom 21. November 1978).
Nach Art. 16 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 (VO Nr. 2727/75) des Rates vom 29. Oktober 1975 (AblEG L 281/1) i.V.m. Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1913/69 (VO Nr. 1913/69) der Kommission vom 29. September 1969 (AblEG L 246/11) wird bei der Gewährung der Erstattung bei der Ausfuhr von Getreidemischfuttermitteln zur Berichtigung der im voraus festgesetzten Erstattung die Erstattung erhöht oder verringert um den Unterschied zwischen den im Monat der Beantragung der Lizenz und den im Monat der Ausfuhr geltenden Schwellenpreisen für 100 kg Mais; dieser Unterschiedsbetrag wird mit dem Koeffizienten multipliziert, der in Spalte 2 der Tabelle im Anhang der zuletzt genannten Verordnung dem Gehalt an Getreideerzeugnissen im Mischfutter entspricht, für das die Ausfuhrerstattung im voraus festgesetzt ist. Dementsprechend mußte das HZA für die Ausfuhren im Monat August und September 1977 auch unter Berücksichtigung der Vorausfestsetzung von den von ihm zugrunde gelegten Erstattungssätzen ausgehen. Der Satz für die WAB betrug ab 1. August 1977 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1771/77 (VO Nr. 1771/77) der Kommission vom 29. Juli 1977 (ABlEG L 193/1), 30,21 DM/t. Die nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1380/75 (VO Nr. 1380/75) der Kommission vom 29. Mai 1975 (ABlEG L 139/37) auf die Erstattung anzuwendenden Währungsausgleichskoeffizienten betragen ab 1. August 1977 nach der VO Nr. 1771/77 0,925. Von diesen Sätzen ist das HZA in seinem Rückforderungsbescheid ausgegangen.
b) Auch die Klägerin hält die Berechnung des vom HZA ihr bei der Festsetzung des Rückzahlungsbetrages gutgebrachten Abzugsbetrags offenbar für gerechtfertigt. Denn sie wendet sich in ihrem Schriftsatz vom 31. März 1987 nicht gegen diese Berechnung; sie trägt nur vor, daß der 20 %ige Zuschlag auf einer anderen Basis zu berechnen sei. Der Senat folgt dieser Auffassung aber nicht.
Im Tenor seiner Vorabentscheidung hat der EuGH nicht ausdrücklich entschieden, wie der ,,Erstattungsbetrag, der ihm (dem Wirtschaftsteilnehmer) für die tatsächlich ausgeführten Erzeugnisse zugestanden hätte", zu berechnen ist. Die Urteilsgründe machen aber deutlich, daß es sich dabei nicht um den Betrag handeln kann, der dem Wirtschaftsteilnehmer zu gewähren gewesen wäre, wenn er den Erstattungs-Veredelungs-Verkehr für die tatsächlich ausgeführten Waren beantragt und durchgeführt hätte. Vielmehr ist der EuGH, wie sich z. B. aus Absatz 17 der Gründe seiner Entscheidung ergibt, von dem Betrag ausgegangen, auf den der Wirtschaftsteilnehmer für die tatsächlich durchgeführten Ausfuhren einen Anspruch hatte. Dem steht die besondere Wortwahl des EuGH in seinen Urteilsgründen nicht entgegen. Zwar hat der EuGH jeweils von dem Erstattungsbetrag gesprochen, der dem Wirtschaftsteilnehmer ,,zugestanden hätte". Damit hat er aber lediglich dem Umstand Rechnung getragen, daß dieser Betrag tatsächlich nicht zu gewähren, sondern nur mit der Vorausfinanzierung zu verrechnen ist. Das belegt schon der Umstand, daß der EuGH die gleiche Formulierung bereits im Tatbestand seines Urteils dort verwendet hat, wo er den Inhalt des Vorabentscheidungsersuchens des erkennenden Senats wiedergibt. So hat er in Absatz 5 der Gründe bei der Schilderung der Art und Weise der Berechnung durch das HZA die Worte des Senats ,,zu gewähren war" (vgl. BFHE 144, 316, 317) wiedergegeben mit ,,zu gewähren gewesen wäre". Der Vorabentscheidung ist auch klar zu entnehmen, daß der EuGH von der tatsächlichen Berechnungsweise des HZA ausgegangen ist. Hätte er diese für unrichtig gehalten, so hätte er dies sicherlich in den Urteilsgründen zum Ausdruck gebracht.
Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigen die Schlußanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 26. November 1986, denen der EuGH im Ergebnis gefolgt ist. Der Generalanwalt hat zunächst berichtet, daß das HZA ,,die Ausfuhrerstattung abzog, die . . . bei Futter mit einem Getreidegehalt von mehr als 50 bis 65 GHT zu gewähren war" (S. 3). Die Richtigkeit dieses Ansatzes hat der Generalanwalt dann unter Hinweis auf die zutreffenden Zahlen des HZA bestätigt (S. 10/11). Er hat in seinen Schlußanträgen mehrfach deutlich gemacht, daß zur Errechnung der Differenz der Betrag abzuziehen ist, auf den der Ausführer für die tatsächlich ausgeführte Ware Anspruch hatte (S. 7, 8, 9, 11). Dies war übrigens auch der Ausgangspunkt für die Ausführungen der Kommission in ihrem Schriftsatz an den EuGH vom 19. Dezember 1985 (S. 9).
Die Klägerin beruft sich für ihre andere Auffassung darauf, daß der Generalanwalt für den Abzugsbetrag ausdrücklich von demjenigen Betrag ausgegangen sei, auf den die Klägerin ,,in genau demselben Geschäft" Anspruch hatte (S. 8). Die Klägerin verkennt, daß es bei diesem - vom EuGH in seiner Vorabentscheidung nicht übernommenen - Hinweis allein darum ging, die insbesondere von der Kommission in ihrem Schriftsatz vom 19. Dezember 1985 (S. 11/12) bei Anwendung der Differenzmethode befürchteten Kontrollprobleme auszuschließen, von denen die Kommission für den Fall ausging, daß ganz andere Waren (,,aliud") als die im Zollkontrollverfahren angemeldeten - also Waren aufgrund eines anderen Kaufgeschäftes - ausgeführt worden waren. Der Generalanwalt ist offensichtlich davon ausgegangen, daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.
Daß für die Bemessung des Zuschlags als Minderungsbetrag die für die tatsächlich durchgeführte Ausfuhr zu gewährenden Ausfuhrvergünstigungen zugrunde zu legen sind, ergibt sich schließlich noch aus folgenden Erwägungen: Der Zuschlagsatz ist nach der Vorabentscheidung des EuGH ein Pauschalsatz. Dieser Zuschlag ist, wie sich ebenfalls aus der Vorabentscheidung ergibt, nach der auf den Normalfall abgestellten Regelung des Art. 6 Abs. 5 VO Nr. 1957/69 grundsätzlich von der gesamten, zu Unrecht gewährten Vorfinanzierung zu berechnen. Nur für Fälle von der Art des vorliegenden hat der EuGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung für angemessen gehalten, der Berechnung des Zuschlags die Differenz zwischen der Vorfinanzierung und der zu gewährenden Erstattung zugrunde zu legen. Bei dieser Rechtslage kann nicht davon ausgegangen werden, daß bei der endgültigen Abrechnung der Vorfinanzierung für die Berechnung des etwa zurückzuzahlenden Betrages zwar der Anspruch des Ausführers auf der Grundlage der tatsächlich durchgeführten Ausfuhren maßgebend sei, aber die Berechnung des Zuschlags aufgrund einer anderen theoretischen Berechnung des Rückzahlungsbetrages vorzunehmen wäre. Mit dem Charakter des Zuschlags als eines Pauschbetrages und der Differenzmethode als einer Ausnahmeregelung wäre es nicht vereinbar, den Zuschlag so, wie es die Klägerin für richtig hält, zu berechnen, d. h. auf der Grundlage eines - nicht durchgeführten - Kontrollverfahrens für die tatsächlich ausgeführte Ware, und bei der Berechnung - trotz klar inzwischen eingetretener Kenntnis von den im Zeitpunkt der Ausfuhr geltenden niedrigeren Sätzen - von den überholten höheren Sätzen (und damit von einer zu hohen Vorfinanzierung) auszugehen.
Die Klägerin wendet dagegen zu Unrecht ein, nach der Vorabentscheidung des EuGH solle die Differenzmethode bei der Bemessung des Zuschlags dazu dienen, einer ungerechtfertigten Bereicherung eines Wirtschaftsteilnehmers vorzubeugen; sie hätte aber bei Durchführung des Kontrollverfahrens für die tatsächlich ausgeführten Waren eine Vorfinanzierung in Höhe der im Juni und Juli 1977 geltenden Sätze erhalten. Es erscheint nicht gerechtfertigt, bei der nachträglichen Bereinigung des Ausfuhrfalles, dem die angefochtenen Bescheide dienen, der Klägerin auch nur für die Berechnung des Zuschlags eine Vorfinanzierung in Höhe eines Betrages zugute zu halten, dessen Unrichtigkeit inzwischen feststeht.
Zur Einholung einer erneuten Vorabentscheidung des EuGH sieht sich der Senat nicht verpflichtet (vgl. auch EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).
Fundstellen
Haufe-Index 415592 |
BFH/NV 1989, 62 |