Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Eine Arrestanordnung zur Sicherung von Abgabeansprüchen ist auch zulässig, wenn die Ansprüche noch nicht zahlenmäßig feststehen.
Eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung ist bereits dann zu besorgen, wenn ein späteres Leistungsgebot im Auslande vollstreckt werden müßte, falls nicht durch Arrestanordnung im Inlande die Beitreibung in Vermögensgegenstände des Abgabeschuldners gesichert wäre.
Normenkette
AO § 378
Tatbestand
Streitig ist die Kostenlast aus einem in der Hauptsache erledigten Arrestverfahren. Der abgabepflichtige Bf. hat nach seiner Angabe seit dem Jahre 1944 seinen Wohnsitz im Ausland, um dort "etwas aufzubauen", während er vordem im Inlande ansässig gewesen ist. Er erteilte seiner damaligen Ehefrau Generalvollmacht, die sie zu jeglichen Rechtshandlungen einschließlich des Selbstkontrahierens, ermächtigte.
Auf Grund dieser Vollmacht übertrug die Ehefrau noch vor Beginn des Jahres 1945 die Vermögenswerte des Bf. im Inlande auf sich selbst.
Die Firma des Bf. wurde im Jahre 1945 auf die Demontageliste gesetzt und am 21. Februar 1946 im Handelsregister auf Antrag der Ehefrau gelöscht. Im April 1947 wurden zwei Gesellschaften mbH gegründet. Sämtliche GmbH-Anteile wurden am Tage der Gründung auf die Ehefrau übertragen; sie brachte das Anlagekapital der gelöschten Firma in die neuen Gesellschaften ein.
über die Geschäftsführung der Ehefrau entstanden zwischen ihr und dem Bf. Streitigkeiten. Es kam auf seinen Antrag zu einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung gegen die Ehefrau. Deren sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg. Gestützt unter anderem auf die eigenen Erklärungen der Ehefrau, stellte sich das Oberlandesgericht auf den Standpunkt, daß der Generalvollmacht eine "treuhänderische Rechtsübertragung" zugrunde lag.
Es kam zu Vergleichsverhandlungen, in deren Verlauf die Ehefrau und die Konkursverwalter der inzwischen in Konkurs geratenen beiden Gesellschaften mbH Schadensersatz in natura gewährten. Diese Werte brachte der Bf. in eine von ihm am 1. Januar 1951 neu errichtete bzw. umgegründete KG ein.
Die Ehe ist geschieden worden. Der Bf. hat 1951 wieder geheiratet.
Das Finanzamt hat zur Soforthilfeabgabe (SHA), Soforthilfesonderabgabe (SHS) und Vermögensabgabe zunächst die inzwischen in Konkurs geratenen beiden Gesellschaften mbH in Anspruch genommen. Auf Betreiben der beiden Konkursverwalter, die sich in übereinstimmung mit dem Beschluß des Oberlandesgerichts und dem Vergleiche des Bf. mit ihnen und seiner früheren Ehefrau auf den Standpunkt stellten, es handle sich um Vermögen des Bf., sah sich das Finanzamt veranlaßt, die Veranlagungen der Gesellschaften mbH zu berichtigen und das Inlandsvermögen des Bf. vollständig zu erfassen. Es wurden Ermittlungen über den vollen Umfang und die Bewertung dieses Vermögens unter Zuhilfenahme des Steuerfahndungsdienstes angestellt. Man stieß hierbei darauf, daß sich auf einem Grundstücke des Bf. im Inlande ein Warenlager (unter anderem Korke) am Währungsstichtage befunden hatte, und daß die Erlöse aus den Verkäufen von Beständen dieses Lagers in den Jahren 1950 ff. größtenteils dem Bf. gutgebracht worden waren, ohne daß eine Anmeldung der Bestände für den Lastenausgleich vorlag. Der Bf. hat die Anlage eines "Ausweichlagers" nicht bestritten. Sein Steuerbeistand will ihn schriftlich auf die Pflicht zur Anmeldung des Lagers ausdrücklich hingewiesen haben. Der Bf. bestreitet den Empfang eines derartigen Schreibens. Wie der Bf. zugegeben hat, hat sein Bruder im Jahre 1948 seine, des Bf., Zustimmung zum Verkauf von Korken aus dem inländischen Lager zur Beschaffung von Kapitalien für eine Firmen-Neugründung erbeten und erhalten. Der Bf. hat in einem Schreiben an einen Rechtsanwalt eindeutig darauf hingewiesen, daß er das Lager im Inlande von Anfang an als sein Eigentum betrachtet habe.
Als bei dem Finanzamt die Nachricht einging, daß der Bf. in Verkaufsverhandlungen stehe, hat es, auch unter Bezugnahme auf vermeintliche Unterfakturierungen bei Verkäufen sowie auf das Nichtzustandekommen erbetener persönlicher Besprechungen mit dem wiederholt in der Bundesrepublik anwesend gewesenen Bf., eine Arrestanordnung gegen ihn und seine jetzige Ehefrau wegen geschätzter Schulden an SHA, SHS, Strafzuschlag (wegen nicht gemeldeten nichtgewerblichen Vorratsvermögens) und Vermögensabgabe erlassen.
Die Berufung des Bf. ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat, weil inzwischen die Veranlagungsbescheide (auf Grund des Soforthilfegesetzes und des LAG) ergangen waren, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, die Frage nach dem Arrestgrund für die Zeit bis zum Erlaß der Veranlagungsbescheide und nach dem Arrestanspruch bejaht und die Rechtsmittelkosten dem Bf. auferlegt.
Entscheidungsgründe
Hiergegen richtet sich die Rb. Die Entscheidung hängt davon ab, welche Partei obgesiegt hätte, wenn sich das Verfahren nicht in der Hauptsache erledigt hätte.
Nach § 378 AO kann das Finanzamt zur Sicherung von Abgabeansprüchen, solange ein Abgabebescheid fehlt, den Arrest in das Vermögen des Abgabepflichtigen anordnen, wenn zu besorgen ist, daß sonst die Erzwingung der Leistung vereitelt oder wesentlich erschwert werden wird. Dies kann auch geschehen, wenn der Anspruch noch nicht zahlenmäßig feststeht.
In der Feststellung, daß gegen den Bf. ein Arrestgrund gegeben war, ist kein Rechtsirrtum zu erblicken. Die Abgabeansprüche standen zahlenmäßig noch nicht fest. Das allein hat ausgereicht, die Anordnung des Arrestes in das Vermögen des Bf. nach § 378 Abs. 1 Satz 2 AO zu rechtfertigen.
Außerdem ist in Fällen, in denen ein späteres Leistungsgebot wegen solcher Ansprüche, die als am 21. Juni 1948 entstanden gelten, im Auslande vollstreckt werden müßte, falls nicht durch Arrestanordnung im Inlande die Beitreibung in Vermögensgegenstände des Abgabeschuldners gesichert wäre, grundsätzlich eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung zu besorgen und die Arrestanordnung zulässig und geboten. Es hat sich nicht etwa um zukünftig entstehende Ansprüche des Fiskus im Sinne des vom Bf. zitierten Urteils des Reichsfinanzhofs III A 411/33 vom 11. Januar 1934 (Juristische Wochenschrift 1934 S. 712) gehandelt.
Der Bf. hat seinen Wohnsitz lediglich im Auslande. Daß er im Inlande Vermögen hatte, haben die Ergebnisse seiner Prozesse und Vergleichsverhandlungen mit seiner ersten Frau gezeigt. Den Anforderungen des Gesetzes im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs VI A 733/25 vom 18. November 1925 (Slg. Bd. 18 S. 99 ff.) ist genügt.
Was die Arrestansprüche betrifft, so war der Bf. grundsätzlich mit seinem Inlandsvermögen hinsichtlich der SHA, der SHS, des Strafzuschlages und der Vermögensabgabe beschränkt abgabepflichtig.
Demnach war die Arrestanordnung in das Vermögen des Bf. gerechtfertigt.
Fundstellen
Haufe-Index 410402 |
BStBl III 1962, 258 |
BFHE 1962, 696 |
BFHE 74, 696 |