Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden im Gewerbesteuermeßbetrags-Verfahren. Die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels der Gemeinde ist im normalen Verfahren des Gewerbesteuermeßbetrags zu entscheiden und nicht in einem daneben laufenden Sonderverfahren.
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 106 Abs. 2 alter Fassung; GewStändG vom 27. Dezember 1951 Art. VI § 8
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 106 Abs. 2; AO §§ 212a, 212b
Tatbestand
(Tatbestand gekürzt) Streitig ist, ob das Finanzamt verpflichtet ist, auf Antrag der Gemeinde die eine Kapitalgesellschaft betreffenden Gewerbesteuermeßbescheide für die Zeit vom 1. Januar X bis 31. März Y zu erlassen und ob der Gemeinde ein Rechtsmittel vor den Finanzgerichten gegen seinen ablehnenden Bescheid zusteht.
Das Finanzamt hat für die Erhebungszeiträume die Gewerbesteuerpflicht nach Auffassung der Gemeinde zu Unrecht verneint. Die Oberfinanzdirektion ist dem Finanzamt beigetreten.
Zur Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs vertritt die Landesfinanzverwaltung, vertreten durch den Landesfinanzminister, die Auffassung, den Gemeinden stehe lediglich die Befugnis der Steuerberechnung und Steuererhebung zu. Sie seien an den vom Finanzamt festgesetzten einheitlichen Steuermeßbetrag gebunden und ohne ihn überhaupt nicht in der Lage, eine Gewerbesteuer festzusetzen und zu erheben. Rechtsmittel gegen die Entscheidung materiell-rechtlichen Inhalts stünden den Gemeinden nicht zu, da sie nicht Beteiligte seien. Dies folge aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I B 43/55 U vom 22. November 1955 (BStBl 1956 III S. 44, Slg. Bd. 62 S. 115). Das Urteil des Bundesfinanzhofs III 279/58 S vom 10. November 1961 (BStBl 1962 III S. 145, Slg. Bd. 74 S. 385) könne im Streitfalle keine Anwendung finden.
Die Gemeinde erhob gegen die Ablehnung ihres Antrages Klage beim Finanzgericht.
Das Finanzgericht hob die Vorentscheidungen auf und verpflichtete das Finanzamt, die Gewerbesteuermeßbeträge für die Kapitalgesellschaft für die streitigen Erhebungszeiträume festzusetzen.
Mit der Rb. rügt der den Vorsteher des Finanzamts vertretende Landesfinanzminister, daß die Vorinstanz zu Unrecht die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht habe. Dem Streit liege keine Steuersache im Sinne des § 242 AO, sondern eine Auseinandersetzung zwischen Hoheitsträgern zugrunde. Zwar habe der Bundesfinanzhof mit Urteil III 149/56 S vom 7. Juni 1957 (BStBl 1957 III S. 276, Slg. Bd. 65 S. 114) den Rechtsweg auch für solche Streitigkeiten eröffnet, doch habe dieser zur Voraussetzung, daß ein Beteiligter zugleich als Steuergläubiger und Steuerschuldner tätig geworden sei (Interessenkollision) und dabei willkürlich gehandelt habe. Daran fehle es im Streitfall.
Nach Einlegung der Rb. beteiligte sich der Bundesminister der Finanzen am Verfahren. Er führte u. a. zur Verfahrensfrage folgendes aus:
"Es wird zu prüfen sein, ob eine Gemeinde berechtigt ist, einen vom Finanzamt erlassenen Steuermeßbescheid, den sie für unrichtig hält, vor den Finanzgerichten anzufechten, oder, falls der Erlaß eines begehrten Steuermeßbescheides abgelehnt oder unterlassen wird, seinen Erlaß auf dem Finanzrechtsweg anzustreben ...
Die Vorschriften der AO ergeben ein solches Recht nicht. Vergleiche hierzu das Urteil des RFH VI 385/40 vom 30. Oktober 1940, RStBl 1940 S. 962. Die Rechtsmittelbefugnis könnte sich jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben.
Bisher habe ich jedoch stets die Auffassung vertreten, daß die Gemeinden durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht befugt werden, gegen Steuermeßbescheide Rechtsmittel einzulegen. Nach nochmaliger eingehender überprüfung der Rechtslage halte ich an dieser Auffassung fest.
Grundsätzlich kann zwar Art. 19 Abs. 4 GG zugunsten von Gemeinden angewendet werden (Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz § 19 Abs. 4 Randnote 16). Das setzt aber voraus, daß sie durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt worden sind ...
Prüft man, ob eine Gemeinde durch einen Steuermeßbescheid oder seine Ablehnung oder Unterlassung in ihren Rechten beeinträchtigt wird, so wird man aus folgenden Gründen zu einer Verneinung dieser Frage gelangen:
Nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 GG werden die übrigen (im Art. 108 Abs. 1 und 2 GG nicht genannten) Steuern, zu denen auch die Gewerbesteuer und die Grundsteuer (Realsteuern) gehören, durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Ein Recht der Gemeinden, in die Verwaltung der Realsteuern durch die Landesfinanzbehörden einzugreifen, wird durch das Grundgesetz nicht begründet. Nach Art. 108 Abs. 3 Satz 4 GG sind die Länder lediglich befugt, den Gemeinden (Gemeindeverbänden) die Verwaltung der diesen Körperschaften zufließenden Steuern ganz oder zum Teil zu übertragen. Das ist, soweit die Festsetzung der Steuermeßbeträge bei den Realsteuern in Frage steht, in keinem Land geschehen. Lediglich die sich an die Festsetzung der Steuermeßbescheide anschließende weitere Verwaltung der Realsteuern ist den Gemeinden durchweg übertragen worden. Danach ergeben sich aus Art. 108 GG keine subjektiven Rechte der Gemeinden, in die Verwaltung der Realsteuern einzugreifen, soweit die Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge in Frage steht.
Auch aus Art. 106 GG lassen sich derartige subjektiven Rechte der Gemeinden nicht entnehmen.
Art. 106 Abs. 2 GG in seiner ursprünglichen Fassung bestimmte, daß u. a. die Realsteuern den Ländern und nach Massgabe der Landesgesetzgebung den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließen. Durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl 1955 I S. 817) wurde hieran nichts geändert. Das Aufkommen der Realsteuern stand weiterhin den Ländern zu (Art. 106 Abs. 2 Ziff. 7 GG in der Fassung vom 23. Dezember 1955). Der Landesgesetzgeber konnte bestimmen, ob und inwieweit das Aufkommen der Realsteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließen sollte (Art. 106 Abs. 6 GG in der Fassung vom 23. Dezember 1955). Erst durch das Gesetz zur änderung und Ergänzung des Art. 106 GG vom 24. Dezember 1956 (BGBl 1956 I S. 1077) erhielt Art. 106 GG seine heutige Fassung. Nunmehr steht das Aufkommen der Realsteuern den Gemeinden kraft Verfassungsrechtes zu. Bereits vorher bestand dieser Zustand auf Grund der §§ 1 EinfG RealStG, 1 GewStG und 1 GrStG. Aus Art. 106 GG in seiner jeweiligen Fassung läßt sich m. E. jedoch nur entnehmen, wem das Aufkommen der Realsteuern zusteht. Nicht geregelt ist, in welcher Weise die sogenannten Träger der Ertragshoheit auf die Verwaltung der Realsteuern Einfluß nehmen können. Hierfür ist allein Art. 108 GG maßgebend.
Es läßt sich zwar dahin argumentieren, daß das den Gemeinden zustehende Aufkommen der Realsteuern durch materiell unrichtige Steuermeßbescheide beeinträchtigt wird und daß sich daraus eine Rechtsbeeinträchtigung der Gemeinden ergeben könnte. Indessen wird sich hieraus allenfalls herleiten lassen, daß die Gemeinden die schlechte Verwaltung der Realsteuern durch die Landesfinanzverwaltung dem Land gegenüber rügen können. Daraus ergibt sich jedoch kein Recht, mit Rechtsmitteln gegen die Steuermeßbescheide selbst vorzugehen. Ein solches Recht würde wiederum einen Eingriff in die Verwaltung der Gewerbesteuer bedeuten, der in Art. 108 Abs. 3 GG nicht vorgesehen ist. Auch sonst bestehen keine Vorschriften, die eine Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden vorsehen. Lediglich im Steuerermittlungsverfahren hat die Gemeinde die in den §§ 36 Abs. 2 und 100 Abs. 3 AO vorgesehenen Rechte.
Gegen eine Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden spricht auch der Grundsatz der Einheit der Verwaltung (vgl. zur Auswirkung dieses Grundsatzes auf die Anwendung des Art. 34 GG BGHZ Band 24 S. 306, Band 26 S. 232 und Band 27 S. 210). Wenn die Finanzämter entsprechend der Regelung des Art. 108 Abs. 3 GG die Steuermeßbeträge festsetzen, handeln sie dem Stpfl. gegenüber nicht nur für das Land, dem die Verwaltung der Realsteuern insoweit zusteht, sondern auch für die Gemeinden, denen das Aufkommen dieser Steuern zusteht. Für den Stpfl. läßt sich hieraus nur der Schluß ziehen, daß ihm hinsichtlich der Festsetzung der Steuermeßbeträge nur das Finanzamt gegenübersteht und daß deshalb ein einmal erlassener Steuermeßbescheid vorbehaltlich der Berichtigungsmöglichkeiten der AO rechtsbeständig ist. Es wäre mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, wenn die Rechtsbeständigkeit der Steuermeßbescheide dadurch relativiert würde, daß die mit der Verwaltung der Realsteuern bis zur Erteilung der Steuermeßbescheide nicht befaßten Gemeinden ohne entsprechende gesetzliche Vorschrift Rechtsmittel einlegen könnten.
Wollte man den Gemeinden de lege lata Rechtsmittelbefugnisse einräumen, so könnte man dabei nicht stehen bleiben. Gleiche Befugnisse müßten dann der Bund hinsichtlich der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Lastenausgleichsabgaben, die Länder hinsichtlich der Biersteuer haben. Das würde voraussetzen, daß die Steuerbescheide dem Bund oder den Ländern zugestellt werden, damit diese sich über die Einlegung von Rechtsmitteln schlüssig werden können. Daß damit die Regelung des Art. 108 GG über die Verwaltung der Steuern paralysiert würde, bedarf keines weiteren Nachweises ...
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Gemeinden nicht berechtigt sind, mit den Rechtsmitteln der AO den Erlaß eines Realsteuermeßbescheides zu erstreben.
Damit ist jedoch die Unzulässigkeit der von der Gemeinde erhobenen "Klage" nicht ausreichend dargetan. Es bedarf noch der Prüfung, ob der Rechtsstreit etwa als sogenannte Parteistreitigkeit vor dem Finanzgericht ausgetragen werden konnte.
Gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Finanzgerichten in Parteistreitigkeiten bestehen erhebliche Bedenken.
Die Rechtsprechung hat zwar den Finanzrechtsweg unter Heranziehung der Art. 19 Abs. 4 und 96 Abs. 1 GG über die in der AO geregelten Fälle ausgedehnt. Vgl. das Gutachten des BFH Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951, BStBl 1951 III S. 107, Slg. Bd. 55 S. 277. Sie hat jedoch lediglich das Enumerationsprinzip der AO durch die Generalklausel ersetzt, d. h. sie hat den Finanzrechtsweg im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG für die Anfechtung aller von Finanzbehörden im Sinne des Finanzverwaltungsgesetzes erlassenen Verwaltungsakte zugelassen. Darüber ist sie jedoch nicht hinausgegangen. Sie hat insbesondere den Finanzrechtsweg nicht für öffentlich-rechtliche Abgabenstreitigkeiten bejaht, die sich außerhalb eines Hoheitsverhältnisses, also über den Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG hinaus ergeben.
Eine derartige Ausdehnung des Finanzrechtsweges ist auch nicht vertretbar. Der Finanzrechtsweg ist für Parteistreitigkeiten nicht geeignet, weil die AO keinerlei Vorschriften enthält, die auf Parteistreitigkeiten unmittelbar anwendbar sind. Alle Vorschriften der AO stellen auf die Anfechtung von Verwaltungsakten ab. Aus diesem Grund dürfte der Finanzrechtsweg in Parteistreitigkeiten unzulässig sein. Es gilt auch hier, was der BFH (Urteil II 158/52 U vom 13. Januar 1954, BStBl 1954 III S. 87, Slg. Bd. 58 S. 462) für die Feststellungsklage festgestellt hat, daß nämlich diese Klageform den steuergerichtlichen Verfahren der AO grundsätzlich wesensfremd sei und daher, soweit nichts anderes bestimmt sei, nicht für zulässig erachtet werden könne. Vgl. auch die Urteile des BFH III 1/55 U vom 23. September 1955 (BStBl 1955 III S. 316, Slg. Bd. 61 S. 303), III 33/56 S vom 6. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 253, Slg. Bd. 63 S. 145), VI 124/59 U vom 13. November 1959 (BStBl 1960 III S. 108, Slg. Bd. 70 S. 290) und II 58/59 U vom 26. April 1961 (BStBl 1961 III S. 294, Slg. Bd. 73 S. 73).
Hieran dürfte sich auch nach Ergehen des Steueränderungsgesetzes 1961, das eine Neufassung des § 228 AO bringt, nichts ändern ...
... Die Neufassung des § 228 AO dient der Klarstellung, daß der Finanzrechtsweg in dem Umfang zulässig ist, der sich bisher aus der Rechtsprechung des BFH zur Einführung der Generalklausel in der Finanzgerichtsbarkeit auf Grund der Art. 19 Abs. 4 und 96 Abs. 1 GG ergab. Etwaige Zweifel, die sich daraus ergeben hatten, daß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Verwaltungsrechtsweg für öffentlich- rechtliche Streitigkeiten vorschreibt, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind, sollten ausgeräumt werden. Vgl. den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, 3. Wahlperiode (zu Drucksache 2706 S. 11 Ziff. 69).
Es läßt sich diesem Bericht kein Hinweis darauf entnehmen, daß der Finanzrechtsweg gegenüber der bisherigen Rechtslage auf die Parteistreitigkeiten ausgedehnt werden sollte. Dagegen spricht auch schon die Tatsache, daß der AO nicht die unumgänglichen Verfahrensvorschriften für die Durchführung der Parteistreitigkeiten vor den Finanzgerichten eingefügt worden sind.
Es sei im übrigen auf den Eingangssatz des neugefaßten § 228 AO (Die Rechtsmittel dieses Abschnitts sind gegeben ...) und auf den dem § 228 AO neu angefügten Abs. 4 (Die Rechtsmittel und das Verfahren bestimmen sich nach den Vorschriften dieses Abschnitts) verwiesen.
Da in dem 3. Abschnitt der AO nur die Vorschriften über die Anfechtung von Bescheiden und Verfügungen enthalten sind, ist der Schluß erlaubt, daß § 228 Abs. 1 Ziff. 1 AO in der Neufassung keine Ausdehnung des Finanzrechtsweges auf die Parteistreitigkeiten beinhaltet ..."
Entscheidungsgründe
Der Senat nahm zur Verfahrensfrage wie folgt Stellung.
Der Senat hat sich in dem Grundsatzurteil I 129/59 S vom 25. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 497) der Entscheidung des III. Senats III 279/58 S vom 10. November 1961 (BStBl 1962 III S. 145, Slg. Bd. 74 S. 385) zur Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden gegen Steuermeßbescheide für die Gewerbesteuer angeschlossen. Auf diese Entscheidung wird verwiesen. Damit erledigen sich alle Einwände, die von den Beteiligten gegen die grundsätzliche Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden erhoben werden.
Die Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden ist dort gegeben, wo das Land unmittelbar oder mittelbar Steuerschuldner der Gewerbesteuer ist, etwa deswegen, weil es mehr als 50 v. H. des Kapitals einer Kapitalgesellschaft besitzt und das Finanzamt sich im Gewerbesteuermeßbetrags-Verfahren mit dem klaren Wortlaut des Gesetzes in Widerspruch setzt. Das Land entscheidet in diesen Fällen in eigener Sache. Es müssen hier die allgemeinen Grundsätze beachtet werden, die das Recht dort aufstellt, wo ein Treuhänder in eigener Sache tätig wird, so z. B. die Grundsätze des bürgerlichen Rechts über den Umfang der Vollmacht eines Treuhänders in § 181 BGB. Die Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden findet hier ihre Grundlage in allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen, die auch in Art. 19 Abs. 4 GG ihren Ausdruck gefunden haben (Urteil des Bundesfinanzhofs I 129/59 S, a. a. O.). Da der Rechtsstreit einen steuerlichen Anspruch zum Gegenstand hat, ist im Verfahren vor den Steuergerichten zu entscheiden (§ 242 AO).
über den Kreis der oben genannten Fälle hinaus ist eine Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden nur in ganz außergewöhnlich gelagerten Fällen zu bejahen. Die Zulässigkeit des Rechtsweges für eine von den Gemeinden erhobene Klage ist auch dann anzunehmen, wenn politische Erwägungen zu einer vom Gesetz offensichtlich abweichenden Veranlagung der Gewerbesteuer führen.
Der Senat hat in der Entscheidung I B 43/55 U, a. a. O., grundsätzlich die Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden im Verfahren der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags verneint. Er sieht aber in den oben bezeichneten Fällen Sonderfälle im Sinne der Rechtsprechung (siehe z. B. Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 57/52 U vom 8. September 1953, BStBl 1953 III S. 344, Slg. Bd. 58 S. 138), die aus rechtsstaatlichen Gründen es gerechtfertigt erscheinen lassen, die Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden zu bejahen.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, in welchem Verfahren die Zulässigkeit eines Rechtsmittels der Gemeinde zu prüfen ist, ob in einem Sonderverfahren oder im normalen Verfahren des Gewerbesteuermeßbetrages. Der Senat ist der Auffassung, daß ein Doppelverfahren abzulehnen ist. Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte. Nach der Systematik des Verfahrensrechts ist die Frage der Rechtsmittelbefugnis grundsätzlich im Hauptverfahren zu entscheiden. Dies trifft z. B. bei der einheitlichen Gewinnfeststellung zutage, wo die Frage der Beteiligten unbestritten im Hauptverfahren entschieden werden muß und bisher niemals erwogen worden ist, die Frage in einem Sonderverfahren neben der einheitlichen Gewinnfeststellung zu behandeln.
Des weiteren setzt die Frage der Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden, wie oben ausgeführt, eine materiell-rechtliche Prüfung eines Gewerbesteuermeßbescheides im Hinblick auf mögliche wesentliche Gesetzesverstöße voraus. Derartige materiell- rechtliche Fragen werden auch zweckentsprechend nur im Hauptverfahren entschieden. Sie in einem Sonderverfahren nach Art. 19 Abs. 4 GG (Entscheidung des Finanzamts, Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion, Klage bei den Finanzgerichten) daneben entscheiden zu wollen, muß zu unlösbaren verfahrensrechtlichen Problemen führen, so z. B. hinsichtlich der Frage der Wirkung der Entscheidung des Sonderverfahrens auf die Rechtskraft der Gewerbesteuermeßbescheide. (Unterbricht das Sonderverfahren die Verjährung?).
Das Finanzamt hat die Rechtsmittelbefugnis der Bgin. nach den allgemeinen Grundsätzen des Gewerbesteuermeßbetrags-Verfahrens zu prüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 410606 |
BStBl III 1963, 216 |
BFHE 1963, 594 |
BFHE 76, 594 |