Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine im Rahmen eines Gewerbebetriebs anfallende tarifbegünstigte Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG liegt nicht vor, wenn der zur Entschädigung führende Sachverhalt einen normalen und üblichen Geschäftsvorfall darstellt und nicht unmittelbar auf einem vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängigen Ereignis beruht. Dem Urteil des I. Senats des Bundesfinanzhofs I 84/63 U vom 26. Mai 1965 (BStBl 1965 III S. 480) schließt sich der Senat nicht an.
Normenkette
EStG § 24 Ziff. 1, § 34/2/2
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der beschwerdeführenden KG (Bfin.) für 1958, ob es sich bei Zahlungen, die die Bfin. im Zusammenhang mit dem Wegfall ihres Rechts auf Alleinverkauf von Erzeugnissen der Firma X für die Bundesrepublik Deutschland erhielt, um eine Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG handelte, auf die im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren der ermäßigte Steuersatz nach § 34 EStG angewandt werden kann.
Die Bfin., die Ein- und Ausfuhr sowie Großhandel betrieb, besaß auf Grund einer mündlichen Vereinbarung das Alleinverkaufsrecht für Erzeugnisse der Firma X für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Zum 30. September 1958 löste die Firma X das Vertragsverhältnis. Nach Verhandlungen mit der Bfin. erklärte sie sich im Schreiben vom 26. September 1958 bereit, für das entzogene Verkaufsrecht folgende Vergütungen zu zahlen: Am 1. Oktober 1958 einen einmaligen Betrag von 40.000 DM; beginnend am 1. Oktober 1958 bis zum 30. März 1962 eine Provision von 1 1/4 % von bestimmten, der Höhe nach festgelegten Umsätzen in der Bundesrepublik und schließlich einen weiteren einmaligen Betrag von 70.000 DM zur Abgeltung der noch aus den unerledigten Aufträgen der Bfin. zu erwartenden Gewinne. Auf Grund dieser Vereinbarung erhielt die Bfin. in den Jahren 1958 und 1959 von der X insgesamt 141.221,80 DM.
Bei einer im Herbst 1960 durchgeführten Betriebsprüfung würdigte der Betriebsprüfer die Vereinbarung dahin, daß X die von der Bfin. aufgebaute Vertreterorganisation, deren Kundenstamm und deren Auftragsbestand zum 1. Oktober 1958 übernommen habe. Im Verlauf der Auseinandersetzung, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt habe, habe die Bfin. von der X für den Entzug des Verkaufsrechts 40.000 DM, als Pauschale Gewinnbeteiligung für den übernommenen Auftragsbestand am 17. Dezember 1958 70.000 DM und als Abgeltung für die vereinbarte Umsatzbeteiligung 31.221,80 DM erhalten. Um den zuletzt bezeichneten Betrag, der der Bfin. am 8. April 1959 gutgeschrieben wurde, minderte der Betriebsprüfer die von der Bfin. gegenüber X am 31. Dezember 1958 ausgewiesene Verbindlichkeit von 390.663 DM, da diese Gutschrift in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beendigung der Geschäftsverbindung zum 1. Oktober 1958 gestanden habe. Wie der Betriebsprüfer weiter ausführt, sei aus dem Betriebsprüfungsbericht Zoll für die Jahre 1957 und 1958 zu entnehmen, daß die Bfin. als Verkaufskommissionärin von X tätig geworden sei. Aus der Buchführung der Bfin. ergebe sich das nicht.
Nach der Betriebsprüfung stellte sich die Bfin. auf den Standpunkt, daß die von X geleisteten Zahlungen von 141.221,80 DM eine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG darstellten und deshalb tarifbegünstigt seien (ß 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG). Das Finanzamt sah die Zahlungen als laufende gewerbliche Einnahmen an.
Zur Begründung der gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung eingelegten Berufung trug die Bfin. u. a. vor, sie habe nicht als Verkaufskommissionärin der X, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung gehandelt.
Das Finanzgericht wies die Berufung der Bfin. als unbegründet zurück und führte aus, es sei dem Finanzamt zuzugeben, daß die gezahlten Beträge im wesentlichen den Ausgleichsleistungen an Handelsvertreter (ß 89 b HGB) entsprächen. Im Gegensatz zur Auffassung des Bundesfinanzhofs seien diese Ausgleichszahlungen ihrer Art nach Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG. Die von X geleisteten Zahlungen seien aber im Vergleich zu den Umsätzen der Vorjahre und des Streitjahres nicht hoch genug, um die Anwendung der §§ 24 und 34 EStG zu rechtfertigen. Nach diesen Vorschriften seien nur solche Entschädigungen zu begünstigen, durch die Einkünfte von mehr als einem Veranlagungszeitraum abgegolten würden und in einem Veranlagungszeitraum eine unzumutbare Progressionslast herbeigeführt würde (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV 100/38 vom 8. September 1939, RStBl 1939 S. 1080). Das sei bei der Bfin. nicht der Fall. Denn nach ihren eigenen Angaben machten die Ausgleichszahlungen nur einen geringen Bruchteil ihrer Einnahmen aus dem Alleinverkaufsrecht im Jahre 1958 aus. Von einer Zusammenballung von Einnahmen mehrerer Jahre in einem Veranlagungszeitraum könne daher keine Rede sein. Infolgedessen sei für die Bfin. im Jahr 1958 durch die Zahlung der Ausgleichsbeträge keine progressiv erhöhte Einkommensteuerlast entstanden.
Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, das Finanzgericht habe zu Unrecht die Entschädigungszahlung mit den Umsätzen verglichen. Die Entschädigung sei nicht dazu bestimmt gewesen, die durch den Verlust des Alleinverkaufsrechts entgangenen Umsätze, sondern den dadurch entgangenen Gewinn auszugleichen. Den Gewinn aus dem X-Geschäft, der ca. 2 % des Umsatzes betragen habe, hätten die Ausgleichszahlungen weit überstiegen. Diese seien daher als "außerordentlich" im Sinn des § 34 EStG anzusehen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Auffassung des Finanzgerichts zutreffend ist, daß die von X im Zusammenhang mit der Kündigung des Alleinverkaufsrechts an die Bfin. gezahlten Beträge als außerordentliche im Sinn des § 34 EStG anzusehen sind. Denn entgegen der Ansicht des Finanzgerichts sind sie keine Entschädigungen im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG.
Trifft die Annahme des Finanzgerichts zu, die Rechtsbeziehung zwischen der Bfin. und X rechtfertigen die analoge Anwendung der einkommensteuerrechtlichen Grundsätze über die Behandlung der Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter (ß 89 b HGB), so stellen die Zahlungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine Entschädigung dar (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 118/59 S vom 22. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 21, Slg. Bd. 70 S. 52, und IV 275/61 U vom 5. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 416, Slg. Bd. 75 S. 408). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Die Zahlungen der X an die Bfin. dürfen aber nur dann wie Ausgleichszahlungen an einen Handelsvertreter behandelt werden, wenn die Bfin. entweder, wie das Finanzgericht annahm, Verkaufskommissionärin der X oder Eigenhändlerin mit der Verpflichtung war, der X bei Beendigung der Rechtsbeziehungen den erworbenen Kundenstamm zur weiteren Belieferung zu überlassen (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs VII ZR 235/62 vom 1. Juni 1964, Der Betriebs-Berater 1964 S. 823; II ZR 73/57 vom 11. Dezember 1958, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1959 S. 144, und VII ZR 235/62 vom 1. Juni 1964, NJW 1964 S. 1952). Ob eine der beiden Voraussetzungen vorlag, kann zweifelhaft sein und ist jedenfalls nicht festgestellt. Denn die Bfin. trug in der Berufungsbegründung lediglich vor, sie habe im eigenen Namen und für eigene Rechnung gehandelt, und der Betriebsprüfer führte aus, aus der Buchführung ergebe sich nicht das Vorliegen von Kommissionsgeschäften.
Der Sachverhalt braucht aber in dieser Richtung nicht aufgeklärt zu werden. Denn auch wenn die Zahlungen der X an die Bfin. einkommensteuerrechtlich nicht nach den für die Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter geltenden Grundsätzen zu behandeln sind, fallen sie nicht unter den Begriff der Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG. Zwar können solche Entschädigungen bei allen Einkunftsarten, also auch bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, vorkommen, wie der Bundesfinanzhof im Gegensatz zum Reichsfinanzhof (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI 349/43 vom 5. Juli 1944, RStBl 1944 S. 641) in seinem Grundsatzurteil IV 223/58 S vom 17. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 72, Slg. Bd. 70 S. 195) ausführte. Die Zahlungen der X an die Bfin. erfüllen aber nicht die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, um im Rahmen eines Gewerbebetriebs anfallende Betriebseinnahmen als tarifbegünstigte Entschädigungen behandeln zu können.
Aus dem Begriff "Entschädigung" ergibt sich, daß es sich um eine Einnahme handeln muß, die einen Schaden ausgleicht, den der Steuerpflichtige durch den Verlust von Einnahmen erleidet, mit denen zu rechnen war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 260/52 U vom 11. Dezember 1952, BStBl 1953 III S. 57, Slg. Bd. 57 S. 144; VI 106/59 U vom 4. November 1960, BStBl 1960 III S. 512, Slg. Bd. 71 S. 702; VI 256/60 U vom 20. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 87, Slg. Bd. 74 S. 228, und I 84/63 U vom 26. Mai 1965, BStBl 1965 III S. 480). Bei dieser Begriffsbestimmung liegt der Ton auf dem Schadensausgleich. Von einem zu einem Schaden führenden Ereignis kann nur dann die Rede sein, wenn der Verlust von Einnahmen auf einen im Rahmen der Einkunftsart ungewöhnlichen Sachverhalt zurückzuführen ist, mit dem der Steuerpflichtige im allgemeinen nicht rechnet. Ob das der Fall ist, hängt weitgehend von der Art und dem Charakter der zu den Einkünften führenden Tätigkeit ab. Da im allgemeinen gerade die gewerbliche Tätigkeit die verschiedenartigsten Sachverhalte und Geschäftsvorfälle umfaßt, Rechts- und Vertragsbeziehungen zu anderen Kaufleuten oder zu Verbrauchern laufend begründet und im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs auch beendet werden und die Auflösung und Beendigung gewinnbringender geschäftlicher Beziehungen in der Regel ebenso zu der normalen gewerblichen Tätigkeit gehören wie Aufwendungen ohne entsprechende Erträge und verlustbringende Vertragsbeziehungen, müssen an den Begriff eines im Rahmen eines Gewerbebetriebs entstehenden, durch eine Entschädigung auszugleichenden Schadens sehr strenge Anforderungen gestellt werden. Denn mit zu Verlusten führenden, aus dem Rahmen des Gewerbebetriebs herausfallenden Ereignissen und Geschäftsvorfällen muß jeder Kaufmann rechnen. Deshalb sind in aller Regel Zahlungen und Betriebseinnahmen, die sich im Rahmen des Gewerbebetriebs als nicht ungewöhnliche Ereignisse darstellen und auf voraussehbaren und zu erwartenden geschäftlichen Ereignissen beruhen, auch dann kein Schadensausgleich, wenn sie mit der Beendigung bisheriger ertragbringender Geschäftsbeziehungen von längerer Dauer zusammenhängen.
Gehen die streitigen Zahlungen auf die Begründung oder Abwicklung normaler Geschäftsvorfälle zurück, so liegt in der Regel kein Schadensereignis vor, das zu einer Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG führen könnte. Die Rechtsprechung hat deshalb mit Recht entscheidendes Gewicht nicht nur darauf gelegt, daß die Entschädigung durch den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen unmittelbar bedingt ist (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 260/52 U und VI 106/59 U), sondern außerdem betont, daß das zur Einnahme führende Ereignis in der Regel ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetreten sein muß (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 223/58 S u. VI 106/59 U). Beruht die Betriebseinnahme demnach auf einer im Rahmen des Gewerbebetriebs nicht ungewöhnlichen Vereinbarung über die Begründung oder Abwicklung von Geschäftsbeziehungen, so steht sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem schädigenden Ereignis, sondern mit dieser Vereinbarung. Es handelt sich um eine normale Betriebseinnahme. Das gilt besonders dann, wenn sich die Vereinbarung als ein gegenseitiger Vertrag darstellt, bei dem der streitigen Einnahme Gegenleistungen gegenüberstehen. Ob die Gegenleistung in der Hingabe oder Aufgabe ertragbringender materieller Wirtschaftsgüter, immaterieller Berechtigungen und Rechtspositionen oder in der Unterlassung bestimmter Handlungen besteht und ob die freiwillige Vereinbarung mehr oder weniger betriebswirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig ist, kann für den Begriff der tarifbegünstigten Entschädigung nicht von Bedeutung sein. Der Begriff der tarifbegünstigten Entschädigung muß besonders deshalb eng ausgelegt werden, weil es sonst bei geschickter Gestaltung der Begründung und Abwicklung geschäftlicher Beziehungen weitgehend möglich wäre, von üblichen und normalen Betriebseinnahmen Zahlungen abzuspalten, die zu tarifbegünstigten Einkünften führen. Das würde eine komplizierte Aufteilung des auf diese Einnahmen entfallenden Aufwandes notwendig machen, um die tarifbegünstigten Einkünfte zu ermitteln. Eine solche Auswirkung auf die Ermittlung gewerblicher Einkünfte ist mit dem Sinn und Zweck des § 24 Ziff. 1 EStG nicht vereinbar (vgl. Barske, Die steuerliche Betriebsprüfung 1965 S. 249).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so fehlt es im vorliegenden Fall schon an einem durch eine Entschädigung ausgleichbaren Schaden. Denn im Rahmen des Gewerbebetriebes der Bfin., der sich mit der Ein- und Ausfuhr und mit dem Großhandel bestimmter Waren befaßt, werden laufend Beziehungen zu Lieferanten und Abnehmern angeknüpft und beendet. Das entspricht der normalen Abwicklung des geschäftlichen Verkehrs. Eine tarifbegünstigte Entschädigung läge deshalb selbst dann nicht vor, wenn die Beteiligten ihre laufenden Geschäftsbeziehungen auf Grund der Vereinbarung vorzeitig beendet und in diesem Zusammenhang der X der Bfin. einen Betrag für die vorzeitige Auflösung der Geschäftsbeziehungen gezahlt hätte. Es kommt hinzu, daß X bei Beendigung der Vertragsbeziehungen die von der Bfin. aufgebaute Vertreterorganisation, den Auftragsbestand und den Kundenstamm übernahm und in Zukunft für sich nutzbar machte. In der überlassung dieser Wirtschaftsgüter lag eine ins Gewicht fallende Gegenleistung der Bfin. im Rahmen der Abwicklung einer für den Betrieb der Bfin. üblichen und normalen Geschäftsbeziehung.
Soweit sich aus dem Urteil I 84/63 U, in dem der I. Senat eine Zahlung als Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 Buchst. b EStG ansah, die ein Omnibusunternehmer dafür erhielt, daß er auf Grund von Verhandlungen mit der Bundespost unter wirtschaftlichem Druck eine Omnibuslinie aufgab, eine andere Begriffsbestimmung der im Rahmen eines Gewerbebetriebs anfallenden Entschädigung ergibt, kann sich der erkennende Senat dieser Auffassung nicht anschließen. Ein zu einer Entschädigung führendes Ereignis liegt nicht schon dann vor, wenn im Rahmen eines Vertrages ein ertragbringendes materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut gegen Zahlungen übertragen oder auf die Nutzung einer bestimmten Rechtsposition verzichtet wird, mag einer der Beteiligten den Abschluß eines solchen Vertrages aus betriebswirtschaftlichen Gründen für noch so notwendig und zwingend halten. Denn in der Regel schließt der Kaufmann nur Verträge, die er aus irgendwelchen Gründen im Rahmen seines Gewerbebetriebs für zweckmäßig oder notwendig hält. Der sogenannte betriebliche Zwang kann also für die Begriffsbestimmung der Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG keine Bedeutung haben.
Fundstellen
Haufe-Index 424137 |
BStBl III 1966, 91 |
BFHE 1966, 250 |
BFHE 84, 250 |