Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Versorgungsrente als Sondervergütung
Leitsatz (NV)
1. Eine betriebliche Versorgungsrente kann auch im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters gewährt werden.
2. Eine vor dem 1. 1. 1986 gebildete Rückstellung für Versorgungsleistungen an eine Gesellschafter-Witwe ist in der Bilanz zum 31. 12. 1986 nicht gewinnerhöhend aufzulösen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Der frühere persönlich haftende Gesellschafter und Geschäftsführer (S) war im Jahr 1976 gegen Zahlung einer Abfindung aus der KG ausgeschieden. Er sollte jedoch bis auf weiteres für diese beratend tätig sein. Dafür erhielt er ein monatliches Gehalt. Außerdem sagte ihm die Klägerin "in Anerkennung seiner besonderen Verdienste für das Unternehmen" nach Beendigung des Beratervertrages eine Pension zu. Seine Ehefrau (die Beigeladene), die selbst nicht Gesellschafterin der KG war, sollte aus demselben Grund im Falle seines Todes eine wertgesicherte Witwenrente in Höhe von monatlich 1 000 DM erhalten.
S verstarb 1982. Seine Witwe (W) bezog seitdem die zugesagte Witwenrente.
Die Klägerin behandelte die Rentenzahlungen zunächst als laufende Betriebsausgaben, bildete dann jedoch für die Pensionsverpflichtung in der Handels- und Steuerbilanz zum 31. Dezember 1982 eine Rückstellung. Die laufenden Zahlungen behandelte sie als Aufwand, soweit sie nicht mit dem zurückgestellten Betrag verrechnet wurden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte die Rückstellung zunächst nicht; bei der Rente handle es sich um eine betriebliche Versorgungsrente, die den Gewinn der Klägerin nicht mindern dürfe. In dem anschließenden Klageverfahren erkannte das FA die Rückstellung jedoch aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. Juli 1986 IV B 2 -- S 2241 -- 65/86 (BStBl I 1986, 359) an.
Im Streitjahr 1986 versagte das FA erneut den Abzug der laufenden Pensionszahlungen als Betriebsausgaben und löste die Rückstellung zum 31. Dezember 1986 in Höhe des zurückgestellten Betrages von 184 828 DM gewinnerhöhend auf. Die Rentenzahlungen rechnete es der W als gewerbliche Einkünfte zu. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 166).
Mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§15 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).
Das BMF ist dem Verfahren beigetreten (§122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§126 Abs. 2 FGO).
Die in der Handels- und Steuerbilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1985 ausgewiesene Pensionsrückstellung war nicht zum 31. Dezember 1986 gewinnerhöhend aufzulösen.
1. Es liegt eine betriebliche Versorgungsrente vor.
Kennzeichnend für eine solche Rente ist, daß der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund steht; ihr Rechtsgrund wird überwiegend durch das betrieblich veranlaßte Bestreben bestimmt, den Rentenberechtigten zu versorgen, ihn insbesondere vor materieller Not zu schützen (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. Juli 1992 VIII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26, m. w. N.; vom 7. April 1994 IV R 56/92, BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740, unter I. 2. der Gründe; vom 7. April 1994 IV R 25/93, BFH/NV 1995, 212; BFH-Beschluß vom 13. Juni 1994 X B 182/93, BFH/NV 1995, 105). Eine betriebliche Versorgungsrente kann auch im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Gesellschafters erteilt werden. Es kommt nur darauf an, daß der ausscheidende Gesellschafter und seine Witwe für die früher dem Betrieb erbrachten Leistungen angemessen an den künftigen Erträgen des Betriebs beteiligt werden sollten (vgl. u. a. BFH-Urteile in BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740; in BFH/NV 1995, 212; BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 105).
Davon konnte das FG im Streitfall ausgehen. Für diese Beurteilung spricht nicht nur der Wortlaut der Pensionszusage, nach dem diese "in Anerkennung der besonderen Verdienste" des S für das Unternehmen der Klägerin erteilt wurde, sondern auch die gesonderte Vereinbarung der Versorgungsleistungen zwischen S und der Klägerin neben der Vereinbarung eines Entgelts für die Übertragung des Gesellschaftsanteils zwischen S und dem die Anteile erwerbenden Kommanditisten.
2. Das FA hat die laufenden Pensionszahlungen bei W zutreffend in voller Höhe als Sonderbetriebseinnahmen erfaßt.
Nach §15 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 gelten als Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezogen hat, auch Vergütungen, die als nachträgliche Einkünfte (§24 Nr. 2 EStG) bezogen werden. In den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen auch Witwenpensionen. Das gilt selbst dann, wenn die Witwe nicht Gesellschafterin der die Bezüge gewährenden Gesellschaft war oder ist und auch nicht Erbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden ist (BFH-Beschluß vom 25. Januar 1994 VIII B 111/93, BFHE 173, 170, BStBl II 1994, 455; BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 212). Die an W bezahlten Rentenbeträge waren deshalb im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der Klägerin zu erfassen und dürfen den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft nicht mindern.
3. Die in den Vorjahren gebildete Pensionsrückstellung mußte in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1986 nicht aufgelöst werden.
a) Nach Handelsbilanzrecht dürfen Rückstellungen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist (§§249 Abs. 3 Satz 2, 253 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs). Dieser Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung ist nach §5 Abs. 1 Satz 1 EStG im Rahmen des §6 a EStG auch für die Steuerbilanz verbindlich (vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BFHE 173, 158, BStBl II 1994, 300). Danach mußte die Rückstellung zum 31. Dezember 1986 planmäßig nur insoweit aufgelöst werden, als sie sich gegenüber der Schlußbilanz des Vorjahres geändert hat, also nur insoweit als der versicherungsmathematische Barwert der Pensionsverpflichtung zum 31. Dezember 1986 unter dem Betrag der Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1985 lag. Das hat die Klägerin im Streitfall berücksichtigt.
b) Die Rückstellung mußte auch nicht außerplanmäßig aufgelöst werden. Das wäre nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (§4 Abs. 1 Satz 1 EStG) unter anderem dann der Fall, wenn sie von vornherein zu Unrecht gebildet worden wäre. Das war hier jedoch nicht der Fall. Sie konnte trotz der Änderung des Gesetzes ab dem Veranlagungszeitraum 1986 für eine Witwenpension bis zum 31. Dezember 1985 noch unter Berücksichtigung des gesamten zukünftigen Ruhegehalts gewinnwirksam gebildet werden (BFH-Urteil in BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26). Auch das Nachholverbot nach §6 a Abs. 4 Satz 4 EStG stand ihrer Passivierung nicht entgegen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740).
c) Hinsichtlich der weiteren Begründung nimmt der Senat auf sein Urteil VIII R 42/96 vom heutigen Tage (BFH/NV 1998, 783) Bezug.
Fundstellen
Haufe-Index 67045 |
BFH/NV 1998, 835 |