Leitsatz (amtlich)
Ausgleichsleistungen der öffentlichen Hand für Kostenunterdeckungen bei der Beförderung von Schülern durch private Omnibusunternehmen unterliegen der Einkommensteuer. Es handelt sich auch nicht um tarifbegünstigte Entschädigungen.
Orientierungssatz
1. Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 11 EStG kommt eine Begünstigung der dort genannten Zuwendungen nur in Betracht, wenn sie auch seitens der öffentlichen Hand zur Abwehr einer Existenzgefährdung gewährt werden. Offen blieb, inwieweit § 3 Nr. 11 EStG auf Personenvereinigungen anwendbar ist.
2. Die Vorschrift des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG will der Tarifprogression entgegenwirken. Ihre Anwendung ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt, die sich bei anderem, nicht laufendem typischen Geschäftsablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten (BFH-Urteil vom 17.12.1982 III R 136/79).
Normenkette
EStG § 3 Nr. 11, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 16.12.1983; Aktenzeichen IX 274/78 (V 319/78)) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG, unterhält in Baden-Württemberg ein Omnibusunternehmen. Sie betreibt Gelegenheits- und Linienverkehr und im Rahmen des Linienverkehrs auch die Schülerbeförderung. Die Beförderungsentgelte im Schülerverkehr decken die Kosten nicht. Für 1976 hat die Klägerin einen Fehlbetrag von rund 122 000 DM errechnet. Im Hinblick auf die Belastungen aus dieser Beförderung erhält die Klägerin Zuschüsse nach Maßgabe des Gemeinsamen Erlasses des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr, des Innenministeriums und des Finanzministeriums des Landes Baden-Württemberg über laufende Zuschüsse zum Ausgleich besonderer Belastungen im öffentlichen Personenverkehr vom 22.Juni 1976 (Gemeinsames Amtsblatt --GABl-- Baden-Württemberg 1976, 1157). Der Zuschuß beträgt 50 v.H. der Differenz zwischen den Beförderungskosten und dem bei angemessenen Tarifen erzielbaren Entgelt und wird durch eine repräsentative Berechnung ermittelt. Im Streitjahr 1976 erhielt die Klägerin zwei Abschlagszahlungen von insgesamt 22 413,60 DM sowie eine Abschlußzahlung für 1974 von 19 583,20 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfaßte die Zuschüsse in der Gewinnfeststellung für 1976 als laufende Betriebseinnahmen. Hiergegen machte die Klägerin mit Einspruch und Klage geltend, der Zuschuß sei steuerfrei, jedenfalls aber als Entschädigung steuerbegünstigt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 335 veröffentlicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Klägerin erhält zur Verbesserung ihrer Erträge aus dem Schülerverkehr laufend Ertragszuschüsse. Diese Zuschüsse wurden im Streitjahr aufgrund einer landesrechtlichen Regelung gewährt, die dem seit dem 1.Januar 1977 geltenden § 45a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) entsprach. Danach ist dem Unternehmer für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs auf Antrag ein Zuschuß zu gewähren, wenn und soweit der Ertrag aus den für diese Beförderung genehmigten Beförderungsentgelten zur Deckung der Kosten nicht ausreicht. Die Zuschüsse sind damit durch die betriebliche Betätigung der Klägerin veranlaßt und deswegen Betriebseinnahmen, die in die Gewinnermittlung eingehen. Ob nach den Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts etwas anderes gilt (vgl. dazu Vorbescheid des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20.Dezember 1984 V R 103/75, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1985, 196) kann auf sich beruhen.
Die Rechtsprechung hat derartige Subventionen schon bisher zu den betrieblichen Einkünften gerechnet (z.B. BFH-Urteile vom 4.November 1965 IV 228/63 U, BFHE 84, 459, BStBl III 1966, 167; vom 5.April 1984 IV R 96/82, BFHE 141, 31, BStBl II 1984, 552). Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, der bestimmte öffentliche Zulagen von der Steuerpflicht freigestellt hat (§ 19 Abs.4 des Berlinförderungsgesetzes --BerlinFG--, § 5 Abs.2 des Investitionszulagengesetzes --InvZulG--, § 32 Abs.6 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15.Mai 1968, BGBl I, 365, § 4 Abs.1 des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie vom 22.Dezember 1981 --InvZulEStahlG--, BGBl I 1981, 1557). Dessen hätte es nicht bedurft, wenn die Subventionen schon nach allgemeinen Grundsätzen unbesteuert blieben.
Die der Klägerin gewährten Zuschüsse fallen nicht unter diese Sondervorschriften. Sie können auch nicht als Einlagen der Gesellschafter der Klägerin angesehen oder solchen Einlagen gleichgestellt werden, wie die Revision verlangt. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß Beförderungszuschüsse an Eigenbetriebe oder Eigengesellschaften von Gemeinden oder Gemeindeverbänden dadurch der Besteuerung entzogen würden, daß sie der Trägerkörperschaft gewährt und von ihr als Einlage weitergegeben werden (vgl. hierzu die Nachweise bei Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 4 KStG Anm.92). Ob die steuerliche Beurteilung dieses Vorgehens Rechtens ist, kann im anhängigen Verfahren nicht entschieden werden. Es kann jedenfalls nicht dahin führen, daß im Streitfall von den allgemeinen Grundsätzen der Gewinnermittlung abgegangen wird.
2. Die Klägerin kann für die Beförderungszuschüsse auch nicht die Steuerbefreiung des § 3 Nr.11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch nehmen. Danach sind Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung steuerbefreit, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder die Kunst unmittelbar zu fördern. Es ist strittig, ob "hilfsbedürftig" im Sinne dieser Vorschrift nur natürliche Personen oder auch Personenvereinigungen, insbesondere Körperschaften sein können und welche Anforderungen in diesem Fall zu stellen sind (verneinend BFH-Urteil vom 1.März 1966 I 168/63, BFHE 85, 316, BStBl III 1966, 324; im Ergebnis offengelassen in BFH-Urteilen vom 19.Juli 1972 I R 109/70, BFHE 106, 438, BStBl II 1972, 839; vom 9.April 1975 I R 251/72, BFHE 115, 374, BStBl II 1975, 577; bejahend, FG-Baden-Württemberg, Urteil vom 23.März 1970 VI 37/66, EFG 1970, 395; Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.Juni 1978 IV Kö 343/77, nicht veröffentlicht). Das angefochtene Urteil hat dies auch hinsichtlich einer Personengesellschaft verneint und zusätzlich angeführt, daß die Zuschüsse nicht gewährt worden seien, um die Klägerin in ihrer Existenz zu erhalten, sondern um Mindereinnahmen aus bestimmten Beförderungsleistungen auszugleichen.
Der Senat braucht auch jetzt nicht zu entscheiden, inwieweit § 3 Nr.11 EStG auf Personenvereinigungen anwendbar ist. Im Streitfall sind jedenfalls die Voraussetzungen des § 3 Nr.11 EStG nicht erfüllt. Den Ausführungen der Klägerin läßt sich nicht entnehmen, daß die Durchführung des Schülerverkehrs sie in eine existenzbedrohende Lage gebracht hat, die ihre Hilfsbedürftigkeit begründet. Dies wäre der Fall, wenn die hieraus erwachsenen Verluste eine Aufzehrung ihres Eigenkapitals und den Eintritt der Überschuldung befürchten ließen. Die Klägerin beziffert den Verlust aus dem Schülerverkehr mit 122 000 DM. Dabei handelt es sich jedoch um einen kalkulatorischen, nicht um einen bilanzmäßigen Verlust. Nach dem hierzu vorgelegten Privatgutachten eines Steuerberaters sind hierbei als Kosten rund 95 000 DM für einen kalkulatorischen Unternehmerlohn und kalkulatorische Zinsen, darunter auch Zinsen für das Eigenkapital berücksichtigt worden; dabei handelt es sich aber jeweils um Gewinnbestandteile. Zudem sind die anteiligen Kosten des Schülerverkehrs nicht entsprechend ihrer Verursachung, sondern im Verhältnis der Umsätze aus dem Schülerverkehr und dem Linienverkehr ermittelt worden. Auch wenn sich bei einer anderen Berechnung gleichfalls ein Verlust ergeben sollte, spricht das nicht für eine Existenzgefährdung der Klägerin. Gerade im Verkehrsgewerbe ist eine Preisdifferenzierung durch das Angebot von Vorzugstarifen für bestimmte Personengruppen verbreitet; bei einem solchen Tarif verzichtet das Unternehmen auf die Deckung der anteiligen Vollkosten und begnügt sich damit, daß die durch die Beförderung anfallenden Zusatzkosten und zusätzlich ein Deckungsbeitrag zu den Gemeinkosten erzielt werden.
Abschließend braucht hierüber jedoch nicht entschieden zu werden. Denn nach dem Wortlaut des § 3 Nr.11 EStG kommt eine Begünstigung der dort genannten Zuwendungen nur in Betracht, wenn sie auch seitens der öffentlichen Hand zur Abwehr einer Existenzgefährdung gewährt werden. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Wie sich aus § 45a PBefG ergibt, werden die Ausgleichsleistungen nicht nach den Vermögensverhältnissen des jeweiligen Verkehrsunternehmens, sondern nach den durchschnittlichen verkehrsspezifischen Kosten der im Schülerverkehr geleisteten Personenkilometer und dem daraus erzielten Ertrag gewährt. Diese Kosten werden nach dem Gesetz in repräsentativen Betrieben ermittelt und pauschal festgelegt; ein durch Vergleich mit den Erträgen ermittelter Fehlbetrag wird den antragstellenden Unternehmen zur Hälfte erstattet. Hieraus wird deutlich, daß der Beförderungszuschuß der Aufrechterhaltung des Schülerverkehrs, nicht aber der Existenzerhaltung der Klägerin dienen sollte, die auch andere Verkehrsleistungen erbrachte.
3. Bei den Beförderungszuschüssen handelt es sich auch nicht um tarifbegünstigte Entschädigungen i.S. von § 24 Nr.1 a, § 34 Abs.1, Abs.2 Nr.2 EStG.
Die Zuschüsse mögen auch im Hinblick darauf gewährt worden sein, daß der Klägerin die Einführung höherer Tarife im Schülerverkehr versagt ist und ihr daraus Einnahmeausfälle entstehen; gleichwohl handelt es sich nicht um Entschädigungen i.S. von § 24 Nr.1 a EStG. Die Vorschrift hat für Ausgleichszahlungen, die im Betrieb des Steuerpflichtigen anfallen und deswegen ohne weiteres zu den steuerpflichtigen Einkünften i.S. von § 2 Abs.1 EStG gehören, nur wegen ihres Zusammenhangs mit § 34 EStG Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 20.Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9). Darum muß es sich um außergewöhnliche Vorgänge handeln. Ausgleichsleistungen, die im Zusammenhang mit den laufenden und für das jeweilige Unternehmen typischen Geschäften gewährt werden, stellen deshalb keine Entschädigung im Sinne der genannten Vorschrift dar (BFH-Urteile vom 27.Juli 1978 IV R 149/77, BFHE 126, 158, BStBl II 1979, 66; vom 27.Juli 1978 IV R 153/77, BFHE 126, 165, BStBl II 1979, 69).
Im Streitfall werden die Ausgleichsleistungen für die wiederkehrende Beförderung von Schülern, d.h. im Zusammenhang mit Geschäftsvorfällen gezahlt, die für das Unternehmen der Klägerin typisch sind. Die Klägerin will das schadensstiftende, außergewöhnliche Ereignis in der erzwungenen Hinnahme der nicht kostendeckenden Schülertarife sehen. Ungeachtet dieser Zwangslage ist der Einnahmenausfall aber erst durch den Abschluß der Beförderungsverträge mit den Schülern entstanden; dabei handelte es sich jedoch nicht um außergewöhnliche Vorgänge, die über den Rahmen der für die jeweilige Einkunftsart typischen Geschäftsvorfälle hinausgehen (vgl. Urteile in BFHE 126, 158, BStBl II 1979, 66; BFHE 126, 165, BStBl II 1979, 69).
Die Tarifbegünstigung der Beförderungszuschüsse ließe sich auch nicht mit § 34 Abs.1, Abs.2 Nr.2 EStG vereinbaren. Die Vorschrift will der Tarifprogression entgegenwirken. Ihre Anwendung ist deswegen nur dann gerechtfertigt, wenn eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt, die sich bei anderem Geschäftsablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten (BFH-Urteil vom 17.Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221, m.w.N.). Davon kann im Streitfall nicht die Rede sein.
4. Das FA hat im Gewinn der Klägerin für 1976 auch die in diesem Jahr erhaltene Abschlußzahlung für 1974 berücksichtigt, andererseits die für 1976 zu erwartende Abschlußzahlung außer Betracht gelassen. Das FG hat offengelassen, ob bereits jeweils zum Ende des Geschäftsjahrs ein Anspruch auf die Abschlußzahlung aktiviert werden müsse. Bestehe ein solcher Aktivierungszwang, müsse die Aktivierung für 1974 gleichwohl im Streitjahr nachgeholt werden, weil der Anspruch in den früheren Bilanzen nicht berücksichtigt sei, die Gewinnfeststellungen für diese Jahre bestandskräftig seien und nicht mehr geändert werden könnten. Diese Auffassung entspricht dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 29.November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142) und der ständigen Rechtsprechung des BFH. Ebenfalls zu Recht hat das FG die Abschlußzahlung 1976 außer Betracht gelassen, weil sich hieraus nur eine Erhöhung des festgestellten Gewinns ergeben könnte, die vom Kläger nicht erstrebt wird.
5. Über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977), die von der Klägerin angeregt wird, kann im anhängigen Revisionsverfahren nicht entschieden werden. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die die Besteuerung der Beförderungszuschüsse als sachlich oder persönlich unbillig erscheinen ließen. Haben die Zuschüsse, wie in § 35 Abs.2 PBefG beabsichtigt, die Hälfte der Kostenunterdeckung ausgeglichen, würde die Gewährung der Steuerbefreiung für die Ausgleichszahlungen unter Umständen bedeuten, daß die Klägerin bzw. ihre Gesellschafter dabei besser ausgehen als bei der Erlangung höherer Beförderungsentgelte im Schülerverkehr.
Fundstellen
Haufe-Index 61266 |
BStBl II 1986, 806 |
BFHE 147, 157 |
BFHE 1987, 157 |