Leitsatz (amtlich)
Zur Steuerpflicht von ERP-Krediten, für die Gesellschafter Bürgschaft leisten.
Normenkette
KapVStG § 3 Abs. 1-2
Tatbestand
Bestritten ist nur noch, ob ein Darlehen (Kredit), das der Beschwerdegegnerin, einer ......fabrik GmbH (im folgenden GmbH), Mitte 1950 aus ERP-Mitteln über eine inländische Bank in Höhe von ............ DM gewährt worden ist, der Gesellschaftsteuer nach § 3 Abs. 1, 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) unterliegt.
Der ERP-Kredit ist nach den Vertragsbedingungen zur Finanzierung von Investitionen bestimmt, und zwar zum weiteren Wiederaufbau der durch Kriegseinwirkung zerstörten Anlagen sowie zur Beschaffung von Maschinen; er kann auch zur Ablösung von Vorfinanzierungen für diese Investitionen benützt werden. Der Kredit ist gesichert durch Eintragung einer Grundschuld auf dem Grundbesitz der GmbH und durch Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft durch einen mit über 25 % am Stammkapital der GmbH beteiligten Gesellschafter. Die Rückzahlung hat in halbjährlichen Teilbeträgen bis 1959 zu erfolgen.
Das Finanzgericht hat zwar den kapitalersetzenden Charakter für einen Teilbetrag als gegeben erachtet. Es ist aber zur Freistellung des gesamten Kredits gekommen, weil es sich bei dem ERP-Kredit um einen öffentlichen Kredit eigener Art handle, der infolgedessen eine steuerliche Ausnahmestellung habe. Die Bürgschaft des Gesellschafters stelle außerdem mangels eines entsprechenden gesellschaftsfreien Vermögens keine reale Grundlage des Kredits, sondern nur eine bankübliche, zusätzliche und darum steuerunschädliche Maßnahme dar.
Entscheidungsgründe
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts. Sie hat Erfolg
In dem Urteil II 188/52 U vom 7. Januar 1953 (Bundessteuerblatt III S. 78, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen S. 168) hat der Senat ausgesprochen, daß gemäß § 3 Abs. 2 KapVStG die Sicherheitsleistung (Bürgschaftsübernahme) durch einen Gesellschafter für ein die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 a. a. O. erfüllendes Darlehen eines Dritten an die Gesellschaft ohne weiteres die Gleichstellung des Darlehens des Dritten mit einem Gesellschafterdarlehen zur Folge habe. An den Grundsätzen des Urteils wird festgehalten. Auf seine Begründung wird Bezug genommen.
Rechtsirrig ist die von der GmbH im Anschluß an Äußerungen im Schrifttum (vgl. Betriebs-Berater 1952 S. 260) vertretene Meinung, § 3 KapVStG unterwerfe als Ersatztatbestand nur Umgehungen des Haupttatbestandes der Steuer oder, wie es im Betriebs-Berater S. 260, 261 heißt, die -- in dem Urteil II 188/52 U ausgesprochene -- Fiktion des § 3 Abs. 2 KapVStG müsse da ihre Grenze finden, wo die Voraussetzung einer Steuerumgehungsabsicht oder eines Gestaltungsmißbrauchs nicht vorhanden sei und dies sei immer der Fall, wo der Gesellschafter gesellschaftsfreies Vermögen nicht besitze. Aus der in Rechtsprechung und Schrifttum üblichen Bezeichnung des § 3 KapVStG mit Ersatztatbestand gegenüber dem § 2 als den Haupttatbeständen läßt sich eine derartige Auslegung nicht rechtfertigen. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 188/52 ist in Auswertung der Begründung zum KapVStG 1934 klargestellt, daß der Nachweis der Umgehungsabsicht und die Berücksichtigung der subjektiven Auffassung der Beteiligten, die von der Rechtsprechung zu § 6 zu c KapVStG (alt) gefordert waren, gerade durch die Neufassung 1934 ausgeschaltet werden sollten. Es geht nicht an, durch eine dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufende Auslegung den Nachweis der Umgehungsabsicht und das subjektive Moment erneut zu einem Tatbestandsmerkmal der Vorschrift zu machen. Daher sind der Wert, den die Beteiligten der Sicherheit beimessen, und das Motiv, das die Abforderung oder Leistung der Sicherheit veranlaßt hat, für die steuerliche Beurteilung ohne Bedeutung. Ausschlaggebend ist die Tatsache der Sicherungsleistung. Die wirtschaftliche Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die Äußerung der Kreditgeberin bestätigt, die Bürgschaft "bezwecke das unternehmerische Interesse des Gesellschafters an der Gesellschaft wach zu halten". Die Betätigung der Unternehmereigenschaften des Schuldners bilden häufig eine die oft schwer verwertbaren sachlichen Unterlagen übertreffende Gewähr für die Sicherheit des Kredits. Durch die Bürgschaft identifiziert sich der Gesellschafter als Unternehmer mit der Gesellschaft hinsichtlich des Darlehens des Dritten.
Das Finanzgericht hat als Hauptgrund für die Freistellung die Auffassung vertreten, die Normsituation des 1934 geschaffenen § 3 Abs. 2 Satz 1 KapVStG sei bei den ERP-Krediten infolge der Entwicklung der Verhältnisse, die der Gesetzgeber des Jahres 1934 nicht habe voraussehen können, nicht mehr gegeben. Wegen dieser Änderung der Verhältnisse (der Normsituation) hält das Finanzgericht auf Grund von § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes eine vom Wortlaut des Gesetzes abweichende Auslegung für angebracht. Mit dieser Frage hat sich das Urteil II 188/52 ebenfalls beschäftigt. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Voraussetzungen, unter denen das Urteil des Großen Senats des Reichsfinanzhofs Slg. Bd. 22 S. 239 eine abweichende Auslegung für geboten gehalten hat, nicht vorliegen. Die Änderung der Verhältnisse besteht nach dem Urteil nicht so sehr in dem Unterschied der Tatbestandsmerkmale des Rechtsvorgangs, als in der größeren Häufigkeit der Fälle, in denen ein Kredit an die Stelle des sachlich gebotenen Eigenkapitals tritt. Der Gesichtspunkt, auf den im vorliegenden Falle das Urteil des Finanzgerichts abstellt, nämlich, daß der öffentliche Kredit, zu dem der besonders geartete ERP-Kredit gehöre, eine steuerliche Ausnahmestellung genießen müsse, ist in dem Fall des Urt. II 188/52 nicht geltend gemacht worden, obgleich dort der Kredit ebenfalls aus ECA-Mitteln stammte. Die Ausführungen des Urteils zu diesem Punkt haben auch für den aus öffentlichen Mitteln stammenden Kredit zu gelten. Die öffentliche Hand (der Staat) schaltet sich seit langem, auch schon vor 1934, in mehr oder minder großem Umfange und je nach den Gegebenheiten (Krisenzeiten usw.) in den Wirtschaftsablauf ein, wobei neben Beteiligungen oder sonstigen Maßnahmen Kredite und Garantien für Kredite Dritter eine wichtige Rolle spielen. Wenn der Staat aus allgemein politischen Erwägungen in den Wirtschaftsablauf eingreift, sich zur Durchführung seiner Maßnahmen der üblichen Organe (Banken usw.) bedient und die im geschäftlichen Leben üblichen Rechtsformen verwendet, so wird, wenn bei diesen Vorgängen die Tatbestandsmerkmale einer Kapitalverkehrsteuer erfüllt werden, die Steuer genau so geschuldet, wie wenn nur Private an den Rechtsvorgängen beteiligt wären. Die Vorgänge könnten nur dann nicht besteuert werden, wenn der Vorgang ausdrücklich durch eine Rechtsnorm von der Kapitalverkehrsteuer ausgenommen wäre. Die Richtigkeit dieses Grundsatzes wird durch den Hinweis auf die Ausnahmen von der Kapitalverkehrsteuer im KapVStG (§ 7) und in zahlreichen Sondergesetzen bestätigt. Im Wege der Auslegung können unter §§ 2 und 3 KapVStG fallende Rechtsvorgänge, etwa wegen persönlicher Eigenschaften der bei der Durchführung der Maßnahmen beteiligten Stellen, wegen der Herkunft der bewegten Mittel oder wegen des Verwendungszwecks, von der Steuer nicht ausgenommen werden. Daß das die Darlehen bewilligende und verwaltende Organ (Bank) durch Gesetz steuerliche Privilegien genießt, ist also kein Anlaß für eine Steuerbefreiung nicht ausdrücklich begünstigter Vorgänge. Dasselbe gilt, wenn, wie im vorliegenden Falle, die allgemeinen Grundsätze über die Vergebung der ERP-Mittel in Abkommen der Bundesregierung niedergelegt sind (vgl. Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, unterzeichnet am 15. Dezember 1949 in Bonn, genehmigt durch Gesetz vom 31. Dezember 1950, Bundesgesetzblatt S. 9). Wenn in dem Abkommen die Bundesregierung unter anderem versichert, sie werde ihr möglichstes tun, um eine wirksame und zweckmäßige Verwendung aller ihr zur Verfügung stehenden Hilfsquellen zu gewährleisten (Art. II Abs. 1a), so ist das keine Rechtsgrundlage für eine Verneinung der Steuerpflicht. Überdies entsteht die Steuerpflicht lediglich, weil die Kreditgeber die Bürgschaftsübernahme durch Gesellschafter verlangen.
Der Erfassung der hier vorliegenden Rechtsvorgänge auf Grund der §§ 3 Abs. 1, 2 KapVStG steht somit ein Rechtsgrund nicht im Wege. Die Vorentscheidung ist daher wegen unrichtiger Anwendung des geltenden Rechts aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Der Senat hält im vorliegenden Falle die Voraussetzungen der Steuerpflicht zum vollen Betrage für gegeben. Die aus dem ERP-Programm stammenden Mittel sollen der Entwicklung der Produktionskapazität der deutschen Wirtschaft dienen. Die Wiederherstellung oder Erweiterung von Betriebsanlagen erfordert in aller Regel eine Kapitalzuführung. Die der GmbH (der Beschwerdegegnerin) gewährten Mittel sind für den Wiederaufbau kriegszerstörter Anlagen und zur Erweiterung des Betriebs durch Anschaffung einer hochwertigen Großmaschine bestimmt, sie sind ein Investitionskredit. Die volkswirtschaftliche Notwendigkeit der Investitionen einschließlich der Maschinenbeschaffung, um den Betrieb im vorgesehenen Umfange zu führen, ist von dem zuständigen Wirtschaftsministerium bestätigt. Die Beschaffung der hierfür erforderlichen Mittel war der Gesellschaft aus eigenen Kräften nicht möglich; die Kreditgeberin gibt an, daß der Kredit andernfalls nicht gegeben worden wäre. Sachlich war eine Kapitalzuführung im gesamten Betrage des Kredits geboten. Daher braucht nicht darauf eingegangen zu werden, in welchem Verhältnis bei der Gesellschaft die eigenen Mittel zu den Fremdmitteln stehen, wie dies das Finanzgericht tut. Der Senat hält in Übereinstimmung mit der Steuerpflichtigen die schematische Beurteilung des Finanzgerichts danach, ob das Eigenkapital die Hälfte des Bruttovermögens ausmacht, nicht für angebracht. Vielmehr ist jeweils nach den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles zu prüfen, ob und inwieweit eine Kapitalzuführung sachlich geboten ist. Im Streitfall ersetzt der ERP-Kredit, der ganz zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Anlagen und zur Beschaffung von Großmaschinen erforderlich, bestimmt und verwendet ist, im vollen Umfang eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung und gilt infolge der Bürgschaftsleistung des Gesellschafters als Darlehen eines Gesellschafters. Der Kredit ist somit in vollem Umfang gemäß § 3 Abs. 1, 2 KapVStG gesellschaftsteuerpflichtig.
Fundstellen
Haufe-Index 407752 |
BStBl III 1953, 283 |
BFHE 1954, 743 |