Leitsatz (amtlich)
1. Eine Werklieferung liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer nur einen geringfügigen oder geringwertigen Teil eines Hauptstoffes selbst beschafft.
2. Einer Materialbeistellung steht nicht entgegen, daß bei Austausch des beigestellten Stoffes dieser zu Gegenständen verarbeitet wird, die andersartig sind als die bestellten Gegenstände (Ergänzung zum BFH-Urteil V 105/63 vom 10. Februar 1966, BFH 85, 128, BStBl III 1966, 257).
Normenkette
UStG 1951 § 3 Abs. 2; UStDB 1951 § 8
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsbeklagte) betreibt eine Eisengießerei. Sie stellte in den Streitjahren 1958 bis 1961 aus den Schmelzen zu etwa 55 % Bremstrommeln für das Werk (X) und zu etwa 45 % sonstige Gußerzeugnisse für andere Besteller her. X überließ der Steuerpflichtigen Karosserieblechschrott in der Form von Paketen genau mit dem Gewicht, das die von der Steuerpflichtigen abgelieferten Bremstrommeln hatten. X vermerkte bei Anlieferung der Pakete in den Rechnungen, daß der Paketschrott "als Materialbeistellung" zur Verfügung gestellt werde und sein Eigentum bleibe. Die Steuerpflichtige verwandte für alle Schmelzen den Paketschrott des X und fügte entsprechend dem Bedarf für sonstige Gußerzeugnisse selbstbeschafftes Grobblech hinzu. Etwa 6,2 % der Schmelzen gingen durch Abbrand und bei der Bearbeitung (Spritzen) verloren; zum Ausgleich dieser Verluste fügte die Steuerpflichtige den Schmelzen auch selbstbeschafften Stahlschrott und selbstbeschafftes Roheisen hinzu.
Das FA (Beklagter, Revisionskläger) war nach einer Betriebsprüfung der Ansicht, Entgelt für die Bremstrommellieferungen sei auch der Wert des Paketschrotts, der mit den Verrechnungspreisen anzusetzen sei. Die Steuerpflichtige war dagegen der Auffassung, es handele sich um einen Sonderfall der Leistung nach § 8 UStDB 1951; der Wert des von ihr Hingegebenen Paketschrotts habe daher aus der Besteuerung auszuscheiden. Der Einspruch der Steuerpflichtigen gegen die Berichtigungsveranlagungen 1958 bis 1960 und die erstmalige Veranlagung 1961 wurde abgewiesen.
Die Berufung (Klage) hatte Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung teilweise in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1968 S. 170 (EFG 1968, 170) veröffentlicht ist, hat zwar wie das FA Werklieferungen angenommen und einen Sonderfall der Leistung nach § 8 UStDB 1951 verneint. Es hat jedoch eine Materialbeistellung des Paketschrotts bejaht. Im einzelnen hat es ausgeführt: § 8 UStDB 1951 setze eine Werkleistung voraus. Hier lägen jedoch Werklieferungen vor. Der überlassene Paketschrott habe nicht ausgereicht, um Bremstrommeln mit den gleichen Gewichten gießen zu können. Die Steuerpflichtige habe den Schmelzen zum Ausgleich des Abbrand- und Bearbeitungsverlustes weitere Hauptstoffe - wenn auch in geringer Menge - hinzufügen müssen. Zur Annahme einer Werklieferung genüge nach § 3 Abs. 2 UStG, daß der Unternehmer überhaupt Hauptstoffe selbst beschaffe (Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 3 Anm. 143). Die Hingabe des Paketschrotts sei aber als Materialbeistellung aus dem Leistungsaustausch auszuscheiden. Unerheblich sei, daß nicht der gesamte Paketschrott zur Herstellung der Bremstrommeln verwandt worden sei. Der BFH habe in dem Urteil V 105/63 vom 10. Februar 1966 (BFH 85, 128, BStBl III 1966, 257 - Kokillenurteil -) einen Materialaustausch zugelassen. Die Austauschstoffe und der Paketschrott seien nach einem vom Institut für Gießereitechnik eingeholten Gutachten, dem sich das Gericht anschließe, chemisch und technisch gleichartig, gleichwertig und austauschbar. Der BFH habe allerdings bei fehlender Materialidentität eine Materialbeistellung verneint, "wenn der hingegebene Stoff auch zur Herstellung anderer als der bestellten Gegenstände verwendet" werde. Damit sei der hier nicht vorliegende Fall gemeint, daß der Besteller dem Unternehmer mehr Stoffe überlasse, als dieser zur Herstellung der bestellten Gegenstände benötige.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt Verletzung des § 3 Abs. 2 UStG 1951 und macht geltend: Die Steuerpflichtige habe den von X erhaltenen Blechschrott nicht nur zur Herstellung von Bremstrommeln, sondern auch zur Herstellung anderer Gegenstände verwandt. Das Kokillenurteil habe in diesem Falle eine Materialbeistellung ausschließen wollen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Das FG hätte bereits einen Sonderfall der Leistung nach § 8 UStDB 1951 annehmen müssen. Eine Werklieferung sei zu verneinen. Die Schmelzzusätze zum Ausgleich der Abbrand- und Bearbeitungsverluste seien nach der Sachlage Nebenstoffe oder Zutaten. Unerheblich sei, daß der gleiche Stoff im Herstellungsvorgang auch als Hauptstoff benutzt werde. Sei aber die Gestellung eines Hauptstoffes anzunehmen, sei Lieferungsgegenstand die einzelne Bremstrommel. Es könnten nur soviel Bremstrommeln geliefert worden sein, als prozentual erworbene Stoffe der Schmelze hinzugefügt worden seien. Hilfsweise sei mit dem FG eine Materialbeistellung zu bejahen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Zu Recht hat allerdings das FG einen Sonderfall der Leistung nach § 8 UStDB 1951 verneint. § 8 UStDB 1951 setzt voraus, daß der Auftraggeber dem Unternehmer Stoffe in dem zur Herstellung des bestellten Gegenstands erforderlichen Umfang überläßt. Wenn der Unternehmer Stoffe beschafft, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind, und sonach eine Werklieferung erbringt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UStG 1951), ist kein Raum für eine Werkleistung oder einen Sonderfall der Leistung.
Der Senat folgt nicht der Auffassung der Steuerpflichtigen, die von ihr beschafften und der Schmelze hinzugefügten Stoffe zum Ausgleich der Abbrand- und Bearbeitungsverluste seien Nebensachen. Wird ein Gegenstand aus einem einheitlichen Stoff hergestellt (wie im vorliegenden Fall die Bremstrommeln aus einer einheitlichen Schmelze mit gleichwertigen Ausgangsstoffen), erbringt der Unternehmer eine Werklieferung, sobald er einen auch nur geringfügigen Teil dieses einheitlichen Stoffes selbst stellt (ebenso Hartmann-Metzenmacher, a. a. O., anderer Auffassung Ehrhardt DStZ A 1956, 265). § 3 Abs. 2 Satz 1 UStG 1951 unterscheidet zwischen Stoffen, die keine Nebensachen sind (Hauptstoffe), und Stoffen, die Zutaten oder sonstige Nebensachen sind (Nebenstoffe). Ein Hauptstoff kann nicht teilweise Nebenstoff sein. Die Beistellung eines geringfügigen oder geringwertigen Hauptstoffanteils ist der Beistellung eines Nebenstoffes nicht vergleichbar. Die Hauptstoffe bestimmen die Eigenart des aus ihnen hergestellten Gegenstandes. Nebenstoffe mögen zur Herstellung des Gegenstandes erforderlich sein; ihr Fehlen läßt jedoch das Wesen des Gegenstandes unangetastet.
Der Zweck der von der Steuerpflichtigen getätigten Zusätze, die Abbrand- und Bearbeitungsverluste auszugleichen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es gehen nicht gerade die Zusätze der Steuerpflichtigen verloren, sondern nicht bestimmbare Teile der Gesamtschmelze. Dieser Überschuß entspricht lediglich rechnerisch den Zusätzen der Steuerpflichtigen.
Der Steuerpflichtigen ist einzuräumen, daß Gegenstand der Werklieferungen die einzelnen Bremstrommeln sind. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, die Steuerpflichtige habe nur insoweit Werklieferungen erbracht, als prozentual Zusätze der Steuerpflichtigen in der Schmelze enthalten sind. Selbst wenn die Zusätze in einzelnen Bremstrommeln nicht einmal spurenweise enthalten sein sollten, würde die Steuerpflichtige auch insoweit Werklieferungen erbringen. Die Bremstrommeln könnten nur dann in zusatzenthaltende und zusatzfreie Bremstrommeln aufgeteilt werden, wenn die Zusätze noch in der Schmelze und den Bremstrommeln erkannt werden können. Das ist nicht der Fall. Die Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Steuerpflichtigen.
2. Zutreffend hat das FG jedoch in der Hingabe des Paketschrotts durch X an die Steuerpflichtige eine Materialbeistellung gesehen, die außerhalb des Leistungsaustausches steht.
Der Senat hat in seinem Urteil V 105/63 vom 10. Februar 1966 (a. a. O.) ausgesprochen, daß nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Materialbeistellung auch dann angenommen werden kann, wenn der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Stoff gegen gleichartigen und gleichwertigen Stoff ausgetauscht wird. So ist es im vorliegenden Fall. Der Paketschrott, den X zur Verfügung stellte, und die Blech- und Eisenstoffe, die die Steuerpflichtige teilweise statt dessen zur Herstellung der Bremstrommeln verwandte, sind nach den gutachtlich abgesicherten Feststellungen des FG chemisch vergleichbar und einander gleichwertig. Dies zieht auch das FA nicht in Zweifel.
Das FA verweist jedoch darauf, daß der erkennende Senat in dem Urteil V 105/63 vom 10. Februar 1966 (a. a. O.) eine Materialbeistellung bei fehlender Materialidentität u. a. dann verneint hat, "wenn der hingegebene Stoff auch zur Herstellung anderer als der bestellten Gegenstände verwendet wird". Das FA hat diese Bemerkung dahin verstanden, der Unternehmer dürfe die beigestellten Stoffe nur zur Herstellung von Gegenständen von der Art der bestellten Gegenstände verwenden, so wie im Urteilsfall V 105/63 die Altkokillen nur zur Herstellung von Neukokillen verwandt worden waren. Diese Deutung kann der Bemerkung des Senats nicht gegeben werden.
Dieser und die folgenden Sätze sollten einer mißbräuchlichen Anwendung des Kokillenurteils vorbeugen. Die Zulassung einer Materialbeistellung trotz fehlender Materialidentität beruht auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Nur der Unternehmer, der aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen davon absehen muß, den bestellten Gegenständen die beigestellten Stoffe beizugeben, und statt dessen gleichartige und gleichwertige andere Stoffe verwendet, soll begünstigt werden. Der Vorgang muß sich nach seinem wirtschaftlichen Gehalt als typischer Beistellungsfall darstellen. Dazu gehört zunächst, daß der Unternehmer die bestellten Gegenstände selbst herstellt. Nicht begünstigt sind Unternehmer, die mit den bestellten Gegenständen handeln oder die Aufträge an Subunternehmer vergeben und infolgedessen wie Händler erscheinen (BFH-Urteil V 13/63 vom 16. März 1966, BFH 86, 59, BStBl III 1966, 445, V R 76/67 vom 21. September 1970, BFH 100, 269). Dazu gehört aber auch, daß der Unternehmer nicht als Erwerber der beigestellten Stoffe erscheint. Er steht wirtschaftlich einem Erwerber gleich, wenn ihm die Stoffe ohne eindeutigen Bezug auf die Bestellung überlassen werden oder in einem für die Bestellung nicht erforderlichen Ausmaß.
Auf die letztgenannte Fallgestaltung bezieht sich - wie das FG zutreffend erkannt hat - die o. a. Bemerkung des Senats. Übergibt der Besteller dem Unternehmer mehr Stoffe, als zur Herstellung der bestellten Gegenstände erforderlich sind, kann bei fehlender Materialidentität keine Materialbeistellung angenommen werden. Eine solche Überschußbeistellung stellt sich, wirtschaftlich gesehen, als Erwerb sämtlicher Stoffe dar. Dabei ist es gleichgültig, ob der Unternehmer mit den Überschußstoffen handelt oder sie zur Herstellung "anderer Gegenstände" verwendet.
Hingegen kommt es nicht darauf an, wofür der Unternehmer die nur im erforderlichen Maße übergebenen und späterhin ausgetauschten Stoffe verwendet. An die Stelle des übergebenen Stoffes tritt der Austauschstoff (Herting, BB 1961, 787). Das Schicksal der übergebenen Stoffe nach dem Austausch ist ohne Einfluß auf die Materialbeistellung. Der Unternehmer kann diese Stoffe zu Gegenständen verarbeiten, die wie im Falle des Kokillenurteils den bestellten Gegenständen gleichartig oder wie im vorliegenden Fall andersartig sind. Er könnte die Stoffe auch unverarbeitet veräußern. Insoweit liegen die Verhältnisse ebenso wie beim Sonderfall der Leistung nach § 8 UStDB 1951. Auch hier ist es gleichgültig, wie der Unternehmer die übergebenen Stoffe verwendet. Der Umtauschmüller kann das übergebene Getreide unbearbeitet veräußern oder es zu Mehl oder andersartigen Produkten verarbeiten, ohne daß die eine oder andere Gestaltung Einfluß auf die Anwendung des § 8 UStDB 1951 hätte.
Auch die weiteren Voraussetzungen einer Materialbeistellung trotz fehlender Materialidentität sind gegeben. Das FG hat ohne Widerspruch des FA dargelegt, daß der Materialaustausch wirtschaftlich begründet war und zwischen der Steuerpflichtigen und X nach Art eines Werkleistungsgeschäfts abgerechnet wurde. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.
Fundstellen
BStBl II 1971, 355 |
BFHE 1971, 451 |